Venezuela

Tempolimit für venezolanischen Sozialismus

Präsident Hugo Chávez kündigt langsamere Reformen an. Reaktion auf Niederlage bei Referendum

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Tempolimit für venezolanischen Sozialismus
Chávez in seiner Sendung Aló Prersidente am Sonntag

Caracas. Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat ein langsameres Tempo bei den politischen Reformen in seinem Land angekündigt. "Ich bin dazu verpflichtet, das Tempo zu verringern", sagte der Staatschef am Sonntag in seiner wöchentlichen Fernseh- und Radiosendung "Aló Presidente". Er habe bei den politischen und wirtschaftlichen Reformen ein Marschtempo vorgegeben, das die staatlichen Institutionen und die Basisgruppen überfordert habe, fügte Chávez selbstkritisch an: "Das akzeptiere ich, dort liegt einer meiner Fehler".

In der internationalen Presse wurde die Erklärung Chávez´ als Abkehr von der "bolivarischen Revolution" gefeiert. Der US-amerikanische Propagandasender "Voice of America" schrieb am Montag ironisch, der Staatschef habe davon Abstand genommen, Venezuela "in ein sozialistisches Paradies" zu verwandeln. Die US-Nachrichtenagentur AP berichtete, Chávez habe seine Minister zu "Realitätssinn" aufgerufen. Statt einer Fortführung der politischen Reformen habe Chávez dafür plädiert, sich alltäglichen Problemen wie Korruption, Verbrechen und Unsicherheit zu widmen.

Damit gaben die internationalen Medien nur einen Bruchteil der politischen Botschaft wieder. Tatsächlich sagte Chávez: "Aus dieser Einschätzung spricht keineswegs der Geist der Aufgabe, des Rückschritts oder gar eines neuen Konservatismus". Man müsse in der Einschätzung der eigenen Kräfte vielmehr realistisch sein, fügte er an, um von seinen Anhängern "Ruhe, Geduld und revolutionäre Festigkeit" zu fordern.

In den kommenden fünf Jahren seiner Regierung sollen nun eine Reihe von Zielen durchgesetzt werden, die in der am 2. Dezember gescheiterten Verfassungsreform enthalten waren. Dazu müssten die Möglichkeiten der geltenden Verfassung genutzt werden. Sie war 1999 unter breiter Beteiligung der Bevölkerung erarbeitet und in einem Referendum verabschiedet worden. Zu den wichtigsten Zielen zählte Chávez:

  • die Organisation der Basisorganisationen
  • die Förderung des politischen Bewusstseins an der Basis
  • die Stärkung der Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV), deren Gründungsparteitag am Samstag (12.01) beginnt
  • die Gründung eines "Patriotischen Pols" als Bündnis der PSUV und anderer regierungsnaher Kräfte
  • die Stärkung der kommunalen Räte
  • die Fortführung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungspolitik für Venezuela
  • die Etablierung einer neuen sozialistischen Ethik

Auch wenn das Scheitern der Verfassungsreform einige Ziele erschwert habe, sollten die Reformen fortgeführt werden. So werde er den neuen Vizepräsidenten Ramón Carrizalez darum bitten, ein Gesetz zu verlängern, das dem Präsidenten die Möglichkeit gibt, Dekrete zu erlassen. Die erste Auflage dieses Gesetzes hatte im vergangenen Jahr zu harscher Kritik der Opposition und aus dem Ausland geführt. Deutsche Medien verglichen die Präsidialdekrete mit dem "Ermächtigungsgesetz", mit dem der faschistische Diktator Adolf Hitler Anfang der 1930er Jahre seine Macht festigte.

Chávez reagierte präventiv auf eine neuerliche Kritik. Die Möglichkeit, Dekrete zu erlassen, sei nur wenig genutzt worden, sagte er am Sonntag. Mit dem letzten Erlass habe er zudem eine Amnestie durchgesetzt, von der unter anderem Teilnehmer eines Putschversuches im April 2002 profitierten.


Quellen: Aporrea, Voice of America, Associated Press.