Venezuela

Basis organisiert sich neu

Treffen von Stadtteilgruppen in Caracas: Gegen "Bürokraten" und "Reformisten". Konsequenz aus Niederlage bei Referendum

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Basis organisiert sich neu
Wollen sich neu organisieren: Basisbewegungen in El Valle

Caracas. Rund eineinhalb Monate nach der Niederlage des Regierungslagers beim Referendum über eine Verfassungsreform in Venezuela haben politische und soziale Basisgruppen in der Hauptstadt Caracas das weitere gemeinsame Vorgehen besprochen. Bei dem Treffen von Vertretern lokaler und regionaler Organisationen im Stadtteil El Valle wurde beschlossen, wieder stärker eine eigene politische Linie zu entwickeln, hieß es zum Ende der zweitägigen Beratungen am 18. und 19. Januar. Dies sei nötig, weil der als "bolivarische Revolution" bezeichnete Prozess in Venezuela von "Bürokraten" und "Reformisten" dominiert sei. Die Basisgruppen machen diese Kräfte für das Scheitern der Verfassungsreform verantwortlich, mit der die sozialistische Ausrichtung der Reformen etabliert werden sollte.

An dem Treffen beteiligten sich Organisationen wie der Verband freier und alternativer Basismedien (ANMCLA), die Nationale Bauernfront Ezequiel Zamora, Kulturzentren und Gemeindegruppen. Sie stimmten darin überein, ihre Arbeit wieder stärker zu koordinieren. Stellvertretend für andere Teilnehmer übte der Schriftsteller und Basisaktivst José Roberto Duque Kritik an begangenen Fehlern. "Wir haben zu spät verstanden, dass wir Basisaktivisten Ziele haben müssen, die weit über die der Regierungsstrukturen hinausgehen", so Duque, der eine stärkere politische und organisatorische Eigenständigkeit der Basisgruppen forderte. Auch andere Teilnehmer sprachen sich für mehr Autonomie von der Regierung aus.

Die Staatsführung von Präsident Hugo Chávez wurde seit ihrem Antritt 1999 vor allem von Basisgruppen in den Stadtteilen und auf dem Land unterstützt. Offensichtlich wurde dies während eines Putschversuches im April 2002, als binnen weniger Stunden in der Hauptstadt hunderttausende Menschen aus den Armenstadtteilen in das Zentrum strömten und so maßgeblich zur Niederschlagung des versuchten Staatsstreiches beitrugen. Die Organisierung der Bevölkerung in den ärmeren Stadtteilen hat zugleich eine lange politische Geschichte und reicht mitunter bis in den Kampf der kommunistischen Stadtguerilla in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurück.

Zwischen diesen linken Basisgruppen und politischen Funktionären im Staatsapparat sieht Orlando Zembrano, der Chef der Bauernorganisation "Ezequiel Zamora" den eigentlichen innenpolitischen Konflikt in Venezuela. Der Hauptgrund für die Krise des politischen Projektes läge in einer "internen Auseinandersetzung innerhalb der Revolution", so Zembrano: "Es gibt einen reformistischen Sektor, der intern daran gearbeitet hat, ein Gegengewicht zu den revolutionären Kräften zu bilden".

Ähnlich äußerte sich der Edmundo Cardenas, ein katholischer Befreiungstheologe, am Rande des Treffens. Mit der Reform der Verfassung wäre dem Präsidenten zwar mehr politische Macht zugekommen. Zugleich wären Befugnisse aber aus den politischen-parlamentarischen Institutionen an neue Basisstrukturen wie den kommunalen Räten abgegeben worden. "Deswegen hat eine Gruppe innerhalb dieses Prozesses gegen die Reform gestimmt; sie wollten den Umgestaltungsprozess an diesem Punkt stoppen." Diese Personen hätten nicht nur kein Interesse an einer breiteren Beteiligung der Bevölkerung, so Cardenas weiter. Sie hätten vor allem Posten innerhalb des Regierungssystems inne.

Am Ende des Kongresses vereinbarten die teilnehmenden Gruppen die Ausarbeitung eines eigenen politischen Programms zur Entwicklung der "bolivarischen Revolution". Auch wolle man eine ständige Versammlung etablieren. "Das zumindest ist eine positive Seite des gescheiterten Referendums", sagte Inder Herrera, ein Mitglied der Bauernorganisation "Ezequiel Zamora": Sie habe die Basis wachgerüttelt und mobilisiert.


Quellen: Venezuela Analysis, Agencia Bolivariana de Noticias.