Amerikas

Kein Abschied

Kurz vor Wahl des Staatsrates: Kubas Präsident Fidel Castro kandidiert nicht mehr für Staatsämter, bleibt aber "Soldat der Ideen". Führungswechsel in Havanna erwartet

Havanna. Nach fast einem halben Jahrhundert an der Spitze Kubas hat Staatschef Fidel Castro in Havanna seinen Rücktritt angekündigt. In einem in der Tageszeitung Granma am Dienstag veröffentlichten Brief erklärte er, er werde sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen. »Ich werde die Ämter des Präsidenten und des Oberbefehlshabers weder anstreben noch annehmen.« Die »Nachricht des Comandante en Jefe« nahm die gesamte Titelseite des Zentralorgans der Kommunistischen Partei Kubas ein. Zwei Jahre, nachdem Castro die Regierungsgeschäfte an seinen jüngeren Bruder und Vizepräsidenten Raúl Castro abgegeben hat, schafft der 81jährige damit Klarheit: »Es wäre ein Betrug an meinem Gewissen, wenn ich eine Verantwortung übernehmen würde, die mir eine Mobilität und Aufopferung abverlangt, zu der ich physisch nicht mehr in der Lage bin«. Fidel Castro war 49 Jahre an der Regierung Kubas: nach der Revolution 18 Jahre als Ministerpräsident, nach einer Verfassungsreform 1976 als Präsident der Republik.

Die Erklärung kommt wenige Tage vor der Wahl des neuen Staatsrates. Am Sonntag werden die 614 Abgeordneten der Nationalversammlung aus ihren Reihen 31 Mitglieder des Regierungsgremiums bestimmen. Seit der Verabschiedung der sozialistischen Verfassung am 15. Februar 1976 stand Fidel Castro selbst dem Staatsrat vor und war damit zugleich Präsident der Republik. Aus Regierungskreisen war schon am Wochenende zu erfahren, dass es in der Führungsriege »weitreichende personelle Veränderungen« geben wird.

Erstmals schreibt Fidel Castro in der Granma über die Schwere seiner Erkrankung. Er habe einige Zeit gebraucht, »um die volle Geistesleistung und die Kraft zum Lesen« wiederzuerlangen. Eine seiner größten Sorgen sei es in dieser Zeit gewesen, seinen Rückzug einzuleiten. »Nach so vielen Jahren des Kampfes war es meine Aufgabe, die Bevölkerung psychisch und politisch auf meine Abwesenheit vorzubereiten«, schreibt Fidel Castro in dem Beitrag, der auf Montag nachmittag datiert ist. »Ich verabschiede mich aber nicht von euch. Ich möchte weiter als ein Soldat der Ideen kämpfen«, heißt es am Ende der Mitteilung. Er werde auch künftig seine als »Reflexionen« bekannten Aufsätze veröffentlichen: »Sie werden eine Waffe mehr im Arsenal sein«. Der Brief endet mit einem einfachen »Danke«.

Der US-amerikanische Präsident George W. Bush bezeichnete Fidel Castros Rücktritt als »Abschnitt des Übergangs, der ein demokratischer Übergang für das kubanische Volk sein sollte«. Der US-Nachrichtensender CNN berichtete am Morgen über die »Top-News« live aus Miami, der Hochburg des antikubanischen Exils in den USA. »Es ist nun an der Zeit«, erklärte die Reporterin, »dass sich die Menschen in Kuba erheben und für einen demokratischen Wandel kämpfen.« Der Text hätte so auch aus der PR-Abteilung des Weißen Hauses stammen können.

Das Londoner Zentralbüro der Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte von der künftigen kubanischen Regierung »Reformen« ein, »die den Schutz der Menschenrechte garantieren«. Ein Sprecher des EU-Entwicklungskommissars Louis Michel betonte das Ziel Brüssels, in Kuba einen »friedlichen Übergang« zu erreichen, »der zu einer pluralistischen Demokratie« führe. Das chinesische Außenamt hingegen würdigte Fidel Castro als »revolutionären Führer« und »alten Freund«.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.