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Kritik an Stellungnahmen Berlins zu Andenstaaten

Experten rügen durchweg negative Haltung der deutschen Bundesregierung zu links regierten Ländern Südamerikas

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Kritik an Stellungnahmen Berlins zu Andenstaaten
Ohne Kritik: Steinmeier mit Mexikos Präsidenten Calderón

Berlin. Ein Bericht der deutschen Regierung zur Lage der Menschenrechte in den Andenstaaten und Venezuela ist auf die Kritik von deutschen Nichtregierungsorganisationen gestoßen. In dem rund 40-seitigen Dokument, das Mitte vergangener Woche in einer vorläufigen Fassung öffentlich wurde, nimmt die Bundesregierung zu einer Anfrage der Fraktion der Grünen im Bundestag Stellung.

Das durchweg negative Urteil der Staatsführung wurde von Vertretern regierungsunabhängiger Organisationen in Deutschland zurückgewiesen.

Im deutschen Bundestag können Fraktionen so genannte Kleine und Große Anfragen einreichen. Die jeweilige Regierung ist verpflichtet, diese Fragenkataloge zu beantworten.

Nach Meinung des Auswärtigen Amtes, das für die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen-Fraktion antwortete, ist die Lage der Menschenrechte in den Andenstaaten "unterschiedlich stabil".

In Bolivien würden "Rechtsstaatlichkeit und die strikte Beachtung von Menschenrechten in der letzten Zeit aufgeweicht". In Ecuador herrsche "Rechtsunsicherheit bis hin zur Selbstjustiz". Auch an der Lage der Menschenrechte in Kolumbien und Peru übte die deutsche Regierung Kritik. Besonders negativ fällt die Meinung zu Venezuela aus, dessen Menschenrechtssituation als "insgesamt nicht befriedigend" bewertet wird. Staatliche Sicherheitskräfte seien für "Hinrichtungen, Folter und Verschleppung verantwortlich", urteilt das deutsche Außenministerium unter Leitung von Frank Walter Steinmeier (SPD).

Unter Berufung auf das statistische Bundesamt Venezuelas (INE) erkennt der Bericht zwar einen Fortschritt in der Armutsbekämpfung an. Die als "Misiones" bekannten Sozialprogramme werden jedoch kritisiert, weil sie die Menschen von Staat abhängig machten. "Die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen wird von Experten bezweifelt", heißt es in dem Dokument.

Auf Kritik stieß der Bericht umgehend bei Nichtregierungsorganisationen.

"Man kann sich beim Lesen der Antwort der Bundesregierung nicht des Eindrucks erwehren, dass die Bundesregierung ihre Beurteilungen auch anhand ihrer politischen Sympathieskala vornimmt", sagte Christian Russau von der Organisation Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika gegenüber amerika21. Während sie für Kolumbien einen "stetigen Rückgang der Gewalttaten und eine Verbesserung der Menschenrechtslage" sieht, übe sie generelle Kritik an der Lage in Venezuela.

Russau widerspricht auch dem Urteil der deutschen Regierung zu paramilitärischen Gruppen in Kolumbien. In dem Bericht ist von "großen Anstrengungen" der kolumbianischen Regierung die Rede, "um eine solche Zusammenarbeit zu unterbinden und zu ahnden". Ein solches Urteil sei "der blanke Hohn", so Russau.

"Die Antwort der Bundesregierung ist heuchlerisch", sagt auch der Historiker und amerika21-Redakteur Ingo Niebel: "Hier urteilen just jene deutsche Parteien, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart versucht haben, linke Regierungen zu stürzen." 1973 habe die SPD-geführte Bundesregierung mitgeholfen, das Putschklima in Chile herbeizuführen, führte Niebel aus. Heute unterstütze die Regierungspartei CDU in Venezuela die Partei Primero Justicia, die den Putsch gegen Präsident Hugo Chávez Frias im April 2002 mitgetragen hat. "Präsident Chávez hat ja bereits reagiert, indem er der Opposition verboten hat, ausländische 'Sicherheitsberater' ohne die Einwilligung der Regierung ins Land zu holen", kommentiert Niebel.

Mitarbeiter der oppositionellen Linkspartei wollen den Bericht der deutschen Bundesregierung Anfang nun analysieren. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, gegen die Stellungnahme vorzugehen, hieß es aus Kreisen dieser Partei, die im deutschen Bundestag über 53 Abgeordnete verfügt.