Venezuela

Über 900 tausend Hektar Land für indigene Völker

In Venezuela zog am Wochenende die "Kommission für Landverteilung" eine erste Bilanz bei der Übergabe von Landtiteln an die 35 indigenen Völker des Landes

Caracas. In Venezuela präsentierte am vergangenen Wochenende die "Kommission für Landverteilung" eine erste Bilanz bei der Übergabe von Landtiteln an die 35 indigenen Völker des Landes. Die Vielzahl der beteiligten Institutionen und Volksgruppen macht die Landübergabe zu einer Mammutaufgabe. Bisher wurden ungefähr 900 tausend Hektar Land an indigene Völker überschrieben. Damit ist Venezuela das erste lateinamerikanische Land, das dem Anspruch seiner ursprünglichen Bewohner Geltung verschafft.

Mit der Rückgabe des Grundbesitzes an die indianische Bevölkerung versucht der venezolanische Staat einen Teil der historischen Schulden zu begleichen, die seit der Eroberung durch die Spanier gegenüber den indigenen Gemeinden und Völkern entstanden sind. Mit der Landübergabe soll es den bisher Ausgegrenzten besser ermöglicht werden, sich aktiv an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens zu beteiligen, ihre Kultur zu schützen und ihre inneren Angelegenheiten frei und selbstbestimmt zu regeln.

Anerkennung der traditionellen Rechte

Mit der Maßnahme wird jetzt der Artikel 119 der bolivarianischen Verfassung umgesetzt. Darin werden auch traditionelle Rechte, Verträgen und Abmachungen anerkannt. Nach der Verabschiedung der Verfassung wurde im Jahr 2001 das Gesetz "Demarcación y Garantía de Hábitat y Tierra de los Pueblos Indígenas" beschlossen, was das erste juristische Element darstellte, um den Verfassungsauftrag umzusetzen. Darin wurden in unbestimmter Form die indigenen Gemeinden selber mit der Durchführung beauftragt. Nach mehreren Jahren der Inaktivität wurde schließlich 2005 das "Ley Orgánica de Pueblos y Comunidades Indígenas" verabschiedet, das die Einrichtung einer zentralen "Comisión Nacional de Demarcación" umfasste. Die Eigentumstitel an den übergebenen Ländereien sind für die neuen Eigentümer unveräußerlich, unverjährbar, nicht pfändbar und nicht übertragbar. Damit soll den Gemeinden der Besitz langfristig gesichert werden.

Beteiligte Institutionen und Gruppen

Die Umsetzung der Landübergabe wird hauptsächlich von den Vertretern der Gemeinden gemeinsam mit dem Umweltministerium organisiert. Acht weitere Ministerien wie das Innen- und das Justizministerium sowie das Instituto Geográfico de Venezuela Simón Bolívar werden hinzugezogen. Beteiligt an der Landvergabe sind außerdem die acht Bundesstaaten, in denen die indigenen Gemeinden liegen: Anzoátegui (Cumanagoto), Apure (Cuibas, Puné o Yaruro), Amazonas (Baniva, Bare, Jivi, Kurnipako, Mako, Piapoka, Piaroa, Punave, Yavorana, Saliva, Narekena, Yanomani, Yekuana y Yeral), Delta Amacuro (Warao), Monagas (Chaima), Sucre (Chaima), Bolivar (Arawak, Macuchu, Pemón, Sanema, Umak o Anitani y Wapishana) und Zulia (Añú o Paraujano, Bari, Yuxpa, Japrería y Wayúu). Diese Volksgruppen unterteilen sich in die drei Sprachgruppen Arawak, Caribe und Chibcha.

Außerdem werden bei Landübergabe die überlieferten Rechte des Volkes der Ayomán im Bundesstaat Falcón aufgenommen, das die notwendigen Vorraussetzungen aufweist, um als indigenes Volk anerkannt zu werden. Darüber hinaus wurden bei der Indigenen Volkszählung im Jahr 2001 weitere 3.700 Vertreter von 19 anderen indigenen Völkern registriert, die heute allerdings hauptsächlich in Städten oder städtischen Ballungsräumen leben (Inga (inca), Kubeo, Piritu, Sape, Tanebo, Tukano, Waikeri, Waika, Timotocuica, Jirahara, Guanamo, Gayon, Caquetío, Caribe, Arawak, Ayomán, Chibcha, Kechwa und Matako).

Erste Ergebnisse

Bisher wurden 34 Eigentumstitel übergeben, von denen 13 an Gemeinden im Bundesstaat Apure (Pumé-Jivi) liegen, 10 in Anzoátegui (Kariña), 6 in Monagas (Warao), 4 in Sucre (Warao) und eins 1 in Delta Amacuro (Warao). Diese Gemeinden umfassen zusammen etwa 9.000 Personen, denen insgesamt 905.582 Hektar Land übertragen wurden. Insgesamt hat die Kommission 67 Anträge auf Landübernahme erhalten.

Zwar haben einige Länder Lateinamerikas die Rechte ihrer Ureinwohner formal anerkannt, aber diese Formalie wurde bisher niemals mit einer Übergabe realer Landtitel verbunden. In anderen Ländern, wie gegenwärtig in Peru, verkauft der Staat in großem Umfang die im Amazonas gelegenen rohstoffreichen Siedlungsgebiete der indigenen Bevölkerung an internationale Konzerne. Seit mehreren Tage protestiert die indianische Bevölkerung Perus deshalb gegen die Zentralregierung. Der sozialdemokratische Präsident Perus, Alan Garcia, hat heute den Ausnahmezustand über Teile des Landes verhängt, damit er das Militär gegen die indigenen Völker einsetzen kann.