Argentinien

K.-K.-Demokratie

Ein Kommentar zum Ausgang der Wahlen in Argentinien

Seit den achtziger Jahren hat der Neoliberalismus eine Spur der Verwüstung in Lateinamerika hinterlassen. Die von IWF und Weltbank befohlene Deregulierung der Märkte mündete in dieser Zeit zunehmend in sozialen Auseinandersetzungen. In zweiter Konsequenz sind die traditionellen Parteigefüge zerbrochen. In dem Maße wie die etablierten politischen Gruppierungen an Macht verloren, gewannen aber die sozialen Bewegungen an Einfluss. Es ist kein Zufall, dass die Regierungsparteien in Venezuela und Bolivien sich nicht als solche bezeichnen. In Caracas regiert die "Bewegung Fünfte Republik", in La Paz die "Bewegung zum Sozialismus".

Während in Venezuela der hunderttausendfache Aufstand während des "Caracazos" im Februar 1989 das Ende des klientelistischen Parteiensystems besiegelte, so stürzten 2003 die sozialen und indigenen Bewegungen in Bolivien den neoliberalen Gewährsmann Gonzalo Sánchez de Lozada. Ähnliches ereignete sich in Argentinien. Das Diktat von IWF und Weltbank hatte das Finanzsystem des einst wohlhabenden Einwanderungslandes zerstört. Als es Ende 2001 zusammenbrach, gingen die Bilder aus Argentinien um die Welt. Zu Tausenden drängten sich die Menschen vor den Banken, in der Hoffnung, ihre Ersparnisse zu retten. Ohne Erfolg: Große Teile der Bevölkerung zahlten mit ihren Einlagen für die Politik der Spekulanten. Der politische und soziale Aufstand folgte damals einem gemeinsamen Motto: Que se vayan todos! - Alle sollen gehen! Den politischen nach dem wirtschaftlichen Bankrott belegt auch eine andere Zahl. Binnen acht Wochen wechselten sich in der Casa Rosada, dem Präsidentenpalast, vier Staatschefs ab.

Dann kamen die Kirchners. Dem amtierenden Präsidenten Néstor Kirchner ist es gelungen, die peronistische Gerechtigkeitspartei (PJ) geschickt zu kontrollieren, ohne mit ihr identifiziert zu werden. Nach der Regierungsübernahme 2003 beschränkte er sich auf ein Krisenmanagement, während um ihn herum die alten Parteien zerfielen.

Mit dem Wechsel der Amtsgeschäfte zur Senatorin für Buenos Aires, seiner Ehefrau Cristina Fernández de Kirchner, geht der Plan auf. Indem sie sein Regierungsprogramm fortführt, wird er die PJ neu aufbauen - und damit eine Erneuerung des demokratischen Systems verhindern. Denn während in Venezuela und Bolivien die sozialen Bewegungen das Ruder übernommen haben, setzt der Peronismus - ob progressiv oder nicht - auf das genaue Gegenteil: den Ausgleich zwischen den Polen der politischen Elite. Wie der "Moncloa-Pakt" in Spanien nach dem Ende des Faschismus oder das Bündnis "Concertación" aus Christ- und Sozialdemokraten nach dem Abtritt des chilenischen Diktators Pinochet soll so ein wirklicher politischer Wechsel verhindert werden. Bis jetzt hat diese Politik Erfolg: Von den Protesten der "Piqueteros", der Arbeitslosen, spricht in Argentinien heute niemand mehr.


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