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"Die Opposition will keine Veränderung"

Die reformierte Verfassung Boliviens bringt zahlreiche Neuerungen. Ein Gespräch mit Botschafter Walter Magne Véliz

Herr Botschafter, die Opposition in Ostbolivien hat am Samstag sogenannte Autonomiestatute beschlossen. Wen vertreten die "Bürgerkomitees" eigentlich?

Sie vertreten vor allem Einzelinteressen. In Santa Cruz besitzen bis zum heutigen Tag 35 Familien fast den gesamten Grund und Boden. Die Regierung hat gefordert, daß die Verwaltung und Vergabe von Land endlich transparent gemacht wird. Doch statt dessen haben sich die "Bürgerkomitees" darangemacht, die Autonomie ihres Departements voranzutreiben. In den Statuten werden abstruse Forderungen aufgestellt. So heißt es etwa, daß Bolivianer, die aus anderen Landesteilen nach Santa Cruz reisen, den Paß vorzeigen müßten. Doch mittlerweile stammen 60 Prozent der Bevölkerung in Santa Cruz aus dem Andenhochland. Die Bürgerkomitees sprechen schon deswegen nicht für die Mehrheit.

Dennoch hat die Opposition ein Gesprächsangebot der Regierung ausgeschlagen und sucht allem Anschein nach die Konfrontation.

In Santa Cruz sind paramilitärische Jugendverbände aktiv, die von vielen Beobachtern als "faschistisch" bezeichnet werden. Die "Bürgerkomitees" setzen sie als Schlägertrupps gegen Vertreter sozialer Bewegungen ein. Ihr Plan ist es, die Macht mit Gewalt und Einschüchterung zu erlangen. Sie wollen einen Staatsstreich. Beraten werden sie dabei, wie Evo Morales kürzlich öffentlich gemacht hat, von ausländischen Kräften.

Die Opposition kritisiert die Verfassungsänderung. Welche sind für Sie die wichtigsten Neuerungen?

Ein wichtiger Punkt ist, dass die neue Verfassung ethischen Prinzipien folgt, die aus der Kultur der Indigenas stammt. Dort heißt es: "Lüge nicht, raube nicht und sei nicht faul!". Das sind die drei wichtigsten Gebote. Die Opposition akzeptiert nicht, dass die Indigenen über eine Jahrhunderte alte Kultur verfügen, die als Grundlage für einen Staat dienen kann. Die Ausbeutung der Rohstoffe soll nachhaltig erfolgen und die Gewinne daraus gerecht zwischen den einzelnen Departements verteilt werden. Bislang profitieren vor allem die Förderregionen.

Die Opposition warnt vor der Einführung des Sozialismus ...

Es wird weiterhin Privateigentum geben, aber es wird ergänzt durch andere Eigentumsformen. Die privatwirtschaftliche Initiative darf aber nicht mehr wie bisher mit den Bodenschätzen des Landes spekulieren und den Hauptteil des Gewinns einstreichen. Wir orientieren uns an einem Land wie Norwegen. Dort fallen Abgaben von bis zu 80 Prozent an - diesem Beispiel folgen wir nun auch in Bolivien.

Eine der Forderungen der sozialen Bewegungen war, die Indigenas endlich als vollwertige Bürger anzuerkennen. Wie sieht deren neue Rolle aus?

Sie bekommen eine direkte Vertretung im Parlament und in anderen Gremien wie der Obersten Wahlbehörde und der Kommission, die die obersten Richter vorschlägt. Auch wird durch die neue Verfassung Bildung für alle obligatorisch. Eltern müssen ihre Kinder bis zum Abitur auf die Schule schicken. In der nächsten Generation soll es dadurch keinen Analphabetismus mehr geben.

Die Opposition wirft der Regierung vor, dass es während des Verfassungskonvents zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

Die Opposition hat von Anfang an die Strategie verfolgt, das Gelingen des Konvents zu verhindern: Sie hat Themen aufgeworfen, die überhaupt nichts mit den Forderungen der Bevölkerung zu tun hatten. Etwa die Frage, ob Sucre Hauptstadt sein soll. Es gibt eine Reihe viel dringender Probleme, wie etwa die Unterernährung, der Bildungsnotstand - Probleme, die die Bevölkerung unmittelbar betreffen. Die Opposition hat sehr genau die Gesetze studiert und immer wieder Möglichkeiten gefunden, um den Konvent zu blockieren. Sie will keine Veränderung.

Der Verfassungstext wurde deswegen am Ende ohne die Opposition beschlossen?

Das stimmt nicht ganz. Die Partei Unidad Nacional hat teilgenommen und noch viele Artikel modifiziert. Podemos erschien auch, aber statt im Plenum mitzudiskutieren, wollten sie die Leitung des Konvents besetzen. Als ihnen das nicht gelang, zogen sie ihre Vertreter zurück.


Das Interview in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.