Amerikas

Bomben zu Weihnachten

Erstmals Anschlag in Boliviens Hauptstadt. Gewerkschaftssitz war Ziel

La Paz. Auch an den Weihnachtstagen kam Bolivien nicht zur Ruhe. Am Montag erreichte eine Serie von Attentaten, die seit einigen Wochen den Andenstaat erschüttern, erstmals die Hauptstadt La Paz. Auf den Hauptsitz der COB, der größten Gewerkschaft des Landes, wurde ein Bombenanschlag verübt. In dem Gebäude, in dem normalerweise der Vorsitzende der "Zentrale Bolivianischer Arbeiter", Pedro Montes, residiert, explodierte am Montagmorgen eine Bombe. Ein Büro wurde zerstört, verletzt wurde niemand.

Der Anschlag ist Teil einer Serie von Attentaten und Angriffen auf Vertreter von Regierung und sozialen Organisationen. In den vergangenen Wochen hatte sich der Konflikt zwischen der linksgerichteten Staatsführung und der Opposition weiter verschärft. Nachdem Anfang Dezember der Verfassungskonvent eine neue Konstitution beschlossen hatte, erklärten vier Departements ihre Autonomie vom Zentralstaat. Seither hatte vor allem hier im Osten Boliviens die politisch motivierte Gewalt zugenommen - unter anderem wurden Wohnhäuser von regierungsnahen Politikern angegriffen. Offenbar versuchen radikale Gruppen der rechten Opposition, den Reformkurs der Regierung nun mit terroristischen Mitteln zu unterminieren.

Die bolivianische Regierung schrieb den Anschlag in La Paz und die Gewaltakte der vergangenen Wochen "einer Gruppe mit terroristischem Charakter" zu. Präsident Evo Morales nannte gegenüber der Presse auch Gründe, warum ausgerechnet die linke COB Ziel eines Anschlags geworden sei. Die größte Arbeiterorganisation des Landes habe die Arbeit der verfassunggebenden Versammlung verteidigt. "Sie haben Kraft und Unterstützung gegeben, und das stört die rassistischen und faschistischen Gruppen«, erklärte Morales nach dem Attentat. »Wir sehen uns einer Organisation mit terroristischem Charakter gegenüber, denn es handelt sich um eine Serie von Attentaten unter Einsatz von Sprengkörpern und anderen Waffen", betonte Innenminister Alfredo Rada am Montag. "Es handelt sich um einen Angriff auf die demokratische Gesellschaft Boliviens."

Vor allem in Ostbolivien leben Regierungsvertreter inzwischen unsicher. Vergleichbare Anschläge haben ein Klima der Gewalt und Unsicherheit erzeugt: Vergangenen Sonntag explodierte ein Sprengkörper in einem Hotel in Santa Cruz, in dem Evo Morales bei seinen Reisen in die Stadt für gewöhnlich wohnt. Am Tag zuvor wurde ebenfalls in Santa Cruz ein Brandanschlag auf das Haus eines prominenten Vertreters der Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) verübt. Mitte Dezember kam es zu Anschlägen auf den Justizpalast in Santa Cruz, das Haus eines weiteren MAS-Politikers wurde mit Granaten beschossen. Ende November wurde im Departamento Pando das Haus eines Senators zerstört, der einem Gesetzesvorhaben der Regierung zugestimmt hatte.

Damit hat die Opposition mehr als deutlich gemacht, dass sie eines nicht will: den Dialog. Vor Weihnachten hatte Präsident Morales noch eine Feiertagsruhe angeboten. Danach sollten Regierung und Opposition erneut über zwei umstrittene Themen verhandeln: zum einen die neue politische Verfassung des Landes, in der den indigenen Bewohnern weitreichende Rechte und Autonomien eingeräumt werden sowie die Neuberechnung der Haushalte der einzelnen Departements. Die Regierung hatte im November deren Budgets gekürzt, um eine neu eingeführte Rente bezahlen zu können.


Den Originaltext in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.