Proteste gegen Staudammprojekt in Amazonien

Staatliche Entwicklungsbank BNDES in Rio kurzzeitig besetzt. Proteste auch gegen die Firma Voith in Heidenheim und vor der Botschaft in Berlin

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"Marsch der Frauen" in Rio de Janeiro
"Marsch der Frauen" in Rio de Janeiro: 10.000 protestieren vor der staatlichen Entwicklungsbank BNDES

Rio de Janeiro/Berlin. Rund 10.000 Teilnehmerinnen des "Marschs der Frauen" (Marcha das Mulheres) haben Anfang der Woche vor der Zentrale  der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES in Rio de Janeiro gegen die Kreditförderung für die umstrittenen Staudammbauten durch die Bank protestiert. Dabei drangen laut Medienberichten rund fünfhundert Indigene teilweise in die Bankzentrale ein und besetzten kurzzeitig den Eingangsbereich. Die Tageszeitung Estado de São Paulo sprach von 1.000 Indigenen, die vor dem Bankgebäude im Zentrum von Rio gegen den Bau des Belo Monte-Staudamms am Rio Xingu protestierten. Zeitgleich zu den Protesten in Rio hatten an dem Fluss im Bundesstaat Pará Indigene am Montag damit begonnen, die ersten mit Sand aufgeschütteten Dämme wieder einzureißen.

"Das ist die Finanzierung des Todes unserer Völker", erklärte Romancil Cretã vom Zusammenschluß der Indigenen aus Süd-Brasilien (Apinsul) der Agência Brasil. "Es bedeutet den Verlust des Landes, der Identität", sagte Cretã und verwies als Auslöser für die soziale Situation der Indigenen auf die von der staatlichen BNDES-Bank finanzierten Großprojekte. Die Indigenen waren aus Südbrasilien, aus dem Mittleren Westen sowie dem amazonischen Bundesstaat Pará nach Rio de Janeiro zum "Gipfel der Völker" gereist, um dort auf die drohenden Zerstörungen der Umwelt und ihres angestammten Landes durch Staudammbauten aufmerksam zu machen.

Zum Auftakt des Rio+20-Gipfels protestieren Umwelt-, Solidaritäts- und Menschenrechtsgruppen am Mittwoch auch vor der brasilianischen Botschaft in Berlin und dem Firmensitz der Firma Voith in Heidenheim gegen das umstrittene Staudammprojekt Belo Monte und die Beteiligung deutscher Unternehmen daran. "Belo Monte hat mit 'sauberer Energie', wie die brasilianische Regierung die Wasserkraft bezeichnet, nichts zu tun", sagte Heike Drillisch von der Initiative Gegenströmung. "Der Rio+20-Gipfel steht unter dem Motto 'Die Zukunft, die wir wollen'. Doch eine Zukunft mit Vertreibung und Umweltzerstörung unter dem Deckmantel der 'grünen Wirtschaft' wollen wir sicher nicht", ergänzte sie. Die Aktivisten fordern einen sofortigen Baustopp sowie den Ausstieg von Voith Hydro aus dem Projekt.

Belo Monte soll das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden. Über 20.000 Menschen sind von Vertreibungen betroffen. Umweltzerstörung, Artenverlust, Menschenrechtsverletzungen und die Ausbreitung von Armut und Krankheiten sind weitere Folgen, so die Kritiker. Für den Stausee wird Regenwald geflutet und große Mengen von Treibhausgasen werden freigesetzt. Indigene Fischergemeinschaften sind durch den Verlust ihrer Nahrungsquelle und Transportwege bedroht. Wird das Wasserkraftwerk wie geplant fertig gestellt, so werden viele weitere folgen, befürchtet Marcos da Costa Melo von der Kooperation Brasilien in Freiburg: "Belo Monte ist somit der Türöffner für die weitere Erschließung – und für die Zerstörung des Amazonasgebiets. Es ist höchste Zeit, dass die brasilianische Regierung umsteuert und ein wirklich umwelt- und menschenfreundliches Energiekonzept entwickelt."

Das Familienunternehmen Voith ist über das Joint-Venture mit Siemens, Voith Hydro, Teil des europäischen Konsortiums, das die elektromechanische Ausrüstung für den Belo-Monte-Staudamm liefern wird. Allein das Auftragsvolumen für Voith Hydro liegt bei rund 443 Millionen Euro. "Voith verstößt durch seine Beteiligung an Belo Monte gegen seine menschenrechtliche Verantwortung, wie sie in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte festgehalten wurde", kritisiert Gerd Rathgeb von POEMA in Stuttgart fest. "Wir fordern Voith auf, nicht Profit vor Mensch und Natur zu stellen, sondern von diesem Projekt abzulassen. Staudämme können einen wichtigen Beitrag zur Energiegewinnung und Entwicklung eines Landes leisten, doch müssen sie die Empfehlungen der Weltstaudammkommission einhalten."

Die Aktivisten überreichten der Konzernleitung von Voith einen von 16 Organisationen unterzeichneten offenen Brief, in dem sie den Ausstieg der Firma aus dem Projekt fordern. Eine von bereits über 25.000 Menschen unterzeichnete Online-Petition fordert derzeit von den Unternehmen, zu denen auch die Münchener Rück sowie die Turbinenlieferer Andritz und Alstom gehören, den Rückzug aus dem Belo-Monte-Projekt und einen konsequenten Menschenrechtsschutz bei ihren künftigen Projektbeteiligungen. Zeitgleich mit dem Protest vor der Voith-Zentrale in Heidenheim versammelten sich auch in Berlin vor der brasilianischen Botschaft rund 70 Demonstranten, um gegen den Staudamm Belo Monte zu protestieren.