Rio Minus 20

Schon vor dem Start des UNO-Umwelt- und Entwicklungsgipfels stellt sich Enttäuschung ein. Der Gegengipfel zeigt sich hingegen dynamisch

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Logo des Rio+20-Gipfels
Logo des Rio+20-Gipfels

Rio de Janeiro. Der Name des UNO-Gipfels Rio+20 steht schon lange nicht mehr als Synonym für Aufbruchstimmung und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Zwei Monate vor Beginn des Gipfels sprechen die Menschen in Brasilien kaum noch von Rio Plus 20. Stattdessen ist der Begriff "Rio Minus 20" in Mode gekommen.

Enttäuschung löst vor allem die schleppende Vorbereitung des offiziellen Teils der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung aus, die von Streits unter den Mitgliedstaaten und dem Unwillen zu politischen Fortschritten geprägt ist. Im Gegensatz dazu laufen die Vorbereitungen des alternativen "Gipfels der Völker" auf vollen Touren. Das breite Bündnis strahlt angesichts der konservativen, von immer mehr Seiten kritisierten Agenda der offiziellen Konferenz politischen Konsens aus – sowohl in der Ablehnung der marktwirtschaftlichen Green Economy wie auch im Widerstand gegen Rückschritte hinter die Beschlüsse des Erdgipfels, der 1992 ebenfalls in Rio de Janeiro stattgefunden hatte.

Seit der Veröffentlichung des oberflächlichen Entwurfs der offiziellen Abschlusserklärung im Januar wird immer deutlicher, dass die vom UNO-Umweltprogramm vorgegebene Leitlinie für Rio+20 in die falsche Richtung weist. Statt effektivem Umweltschutz mit mehr Verantwortung der öffentlichen Hand sollen eine Vermarktung der Naturressourcen und Freihandel die ökologische Krise lösen, kritisierten soziale Bewegungen und Organisationen rund um den Globus. Im Fortgang der Verhandlungen versuchen die Industriestaaten, alle Bezüge auf umfassende Menschenrechte sowie zentrale Errungenschaften von Rio92 – insbesondere den "Grundsatz der gemeinsamen aber differenzierten Verantwortung" für den Zustand unseres Planeten – aus dem Entwurf zu streichen. Zudem beharren die Staaten des Nordens darauf, den Umweltaspekt stärker zu betonen. Dies führte bei der letzten Verhandlungsrunde in New York Ende März zu einer Neuauflage des Nord-Süd-Konflikts, da die in der G77 organisierten Entwicklungs- und Schwellenländer nicht bereit sind, auf klare Formulierungen zu Armutsbekämpfung, Technologietransfer und nationaler Wirtschaftsentwicklung zu verzichten.

Die Kritik der Regierungen im Süden, Europa und die USA seien nur mit ihrer Wirtschaftskrise beschäftigt und setzten egoistisch auf protektionistische Umweltrichtlinien, greift freilich zu kurz. So wird im Gastgeberland Brasilien immer häufiger kritisiert, dass nationale Umweltpolitik schlicht keine Rolle spielt. Jüngstes Beispiel ist ein milliardenschweres Industrie-Förderprogramm der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff von Anfang April, bei dem kein einziges ökologisches Kriterium zum Tragen kam. Ebenso ist fraglich, ob große Infrastrukturprojekte zur Erschließung des Amazonas, die Subventionierung der Erdöl- und Agrospritindustrie oder die konsequente Bevorzugung des Individualverkehrs zukunftsträchtige Modelle sind.

Angesichts der weitgehend festgefahrenen Verhandlungen und des fehlenden politischen Willens (fast) aller Regierungen, sich mit den Ursachen der Umweltkrise zu beschäftigen, nimmt die Bedeutung des alternativen "Gipfels der Völker" zu. Mittlerweile haben über 600 Organisationen und Bewegungen Veranstaltungen für den "Gipfel der Völker" angemeldet. Um dem Andrang gerecht zu werden, haben die Organisatoren am 20. April beschlossen, die Anmeldefrist bis zum 5. Mai zu verlängern. Demnächst wird auch die Einschreibung für die Teilnehmer eröffnet.


Das Nachrichtenportal amerika21.de wird in Zusammenarbeit mit dem Pressedienst Poonal aktuell über den Rio+20-Gipfel und den alternativen Gipfel der Völker berichten.