Deutsche Kohleimporte aus Kolumbien in der Kritik

Kolumbianische Menschenrechtler informieren in Deutschland über Menschenrechtsverletzungen bei der Förderung von Steinkohle in Kolumbien

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Menschenrechtsanwalt Alirio Uribe in Berlin
Menschenrechtsanwalt Alirio Uribe in Berlin

Berlin. Vertreter des kolumbianischen Anwaltskollektivs José Alvear Restrepo (CAJAR) und der Indigenenorganisation "Kraft der Frauen der Wayúu" haben bei ihrer Europareise

mehr soziale Verantwortung deutscher Unternehmen beim Import kolumbianischer Steinkohle eingefordert. Aus dem südamerikanischen Land stammen derzeit die meisten Kohleimporte nach Deutschland.

Nach Ansicht des Menschenrechtsanwalts der Organisation CAJAR Alirio Uribe ignorieren europäische Energieunternehmen beim Kauf ihrer Rohstoffe die katastrophalen sozialen und ökologischen Folgen der Kohleförderung in Kolumbien. Die Lieferanten seien multinationale Konzerne, die Umweltstörzerstörungen, Vertreibungen der Bevölkerung und sogar Morde an Gewerkschaftlern zu verantworten hätten. Die deutschen Konzerne Eon, RWE, Steag und Evonik sowie Vattenfall mit Hauptsitz in Schweden seien die Abnehmer der von den kritisierten Konzernen in Kolumbien geförderten Kohle, heißt es auch in einer Veröffentlichung des Bergbaureferenten aus dem Food First Informations- und Aktions-Netzwerk FIAN, Sebastian Rötters.

Es sei wichtig, dass die deutschen Bürger auf die Herkunft der Steinkohle achten, mit der die Energie in Deutschland produziert wird, sagte deshalb Menschrechtsanwalt Uribe im Interview mit amerika21. Durch den Ausbau des Steinkohletagebaus Cerrejón im nördlichen Bundesstaat Guajira seien komplette Siedlungen verschwunden. "Die Mine hat sie praktisch gefressen". Nach Uribes Darstellung sind im Laufe der letzten Jahre indigene und afrokolumbianische Gemeinden mit Gewalt und ohne Entschädigung von ihren Grundstücken vertrieben worden.

Cerrejón gehört der schweizerischen Xstrata, der britischen Anglo American und der australischen BHP Billiton. Diese Unternehmen hätten Gemeinden systematisch bedrängt, damit sie ihre Grundstücke verlassen oder sie extrem preiswert verkaufen. Ebenso sollen die Unternehmen Landstraßen überschwemmt haben, um Siedlungen zu isolieren. Dabei "reagiert der Staat als Komplize der Konzerne", kritisiert Uribe. So habe die lokale Regierung die Schule und die Gesundheitsstation eines Dorfes geschlossen und die Festnetztelefonleitungen unterbrochen. Kirchenvertreter hätten sogar die Dorfkapelle abgesperrt, um so Druck auf die Einwohner auszuüben. Aktuell soll ein Fluss, der für eine Gemeinde von Wayúu-Indigene lebenswichtig ist, für einen weiteren Ausbau des Kohletagebaus über 20 Kilometer umgeleitet werden.

Laut Uribe schrecken die multinationalen Konzerne auch vor Morden nicht zurück. Er nannte den Fall des US-amerikanischen Konzerns Drummond, der auch deutsche Energieunternehmen mit Steinkohle beliefert. Inhaftierte Paramilitärs und ein Auftragnehmer dieses Unternehmens haben ausgesagt, dass sowohl die US-amerikanische als auch die kolumbianische Geschäftsführung von Drummond den Mord an den Gewerkschaftern Valmore Locarno und Hugo Orcasita zugestimmt hätten, sagte Uribe gegenüber amerika21. In diesem Fall ist bei einem Gerichtshof in Alabama durch eine US-amerikanische Kanzlei Klage eingereicht worden. 

Alirio Uribe weist darauf hin, dass auch die europäischen Unternehmen eine soziale Verantwortung für die Menschenrechtsprobleme trügen, wenn ihre Lieferanten in Kolumbien derartig vorgingen. Schließlich profitierten die Konzerne hier von den Rohstoffen, die in Kolumbien mittels Vertreibungen und Einschüchterungen der kolumbianischen Bevölkerung gefördert werden, sagte der Menschenrechtsanwalt in Richtug der betroffenen Unternehmen.

Als Vertreter der Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben Alirio Uribe und seine Kollegen von CAJAR korrupte Politiker und Militäroffiziere in Kolumbien ins Gefängnis gebracht. Deshalb sind sie und ihre Familien Ziele von Einschüchterungen, Drohungen und Angriffen. Außerdem sahen sie sich seit dem vergangenen Jahr einer massiven Diffamierungskampagne ausgesetzt. Dieser Tage sprechen Alirio Uribe und Angélica Ortiz bei Veranstaltungen in Deutschland und der Schweiz über die Menschenrechtsprobleme in Kolumbien.