Venezuela / Politik

Fälschungsvorwürfe bei venezolanischen Vorwahlen

Gericht untersagt Zerstörung von Wahlergebnissen. Regierungslager sieht Unregelmäßigkeiten. MUD verteidigt Wahlprozess

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Brennende Wahlakten: Das Urteil des Obersten Gerichtshofes kam zu spät, um eine Überprüfung durchzuführen
Brennende Wahlakten: Das Urteil des Obersten Gerichtshofes kam zu spät, um eine Überprüfung durchzuführen

Caracas. Der Oberste Gerichtshof von Venezuela (TSJ) hat die Vernichtung der Ergebnisse der Vorwahlen der Opposition des Landes verboten. Es beauftragte Verteidigungsminister Henrry Rangel Silva sicherzustellen, dass die Akten nicht zerstört werden. Das Gericht reagierte mit dem Urteil auf die Klage von Rafael Velászquez Becerra, der Oppositionskandidat für einen Bürgermeisterposten im Bundesstaat Yaracuy werden wollte. Er hatte angegeben, Zeuge von Unregelmäßigkeiten im Wahlprozess geworden zu sein. Unter anderem habe es mehr Stimmen als Wähler gegeben, so Velázquez.

Die Maßnahme kommt allerdings zu spät: Am Mittwoch teilte der Vorstandssekretär des Oppositionsbündnisses "Tisch der demokratischen Einheit" (MUD), Ramón Guillermo Aveledo, mit, dass viele der Akten bereits vernichtet worden seien. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs sei "absurd, verfassungswidrig und unverhältnismäßig".

Die Opposition hatte am Sonntag in Vorwahlen ihre Kandidaten für die Präsidentschafts-, Regional- und Kommunalwahlen im Oktober bzw. Dezember dieses Jahres bestimmt. Zwar wurden die Wahlen mithilfe der Logistik des Nationalen Wahlrats (CNE) durchgeführt, die konkrete Ausführung übernahm jedoch der MUD. Dabei war vorgesehen, dass die Auszählungsergebnisse wenige Tage nach dem Wahlgang vernichtet werden. Diesem Verfahren wollte der TSJ nun einen Riegel vorschieben.

Zweifel an der Korrekheit der Vorwahlergebnisse äußerten auch zahlreiche Vertreter des Regierungslagers. Die Anschuldigungen beziehen sich in erster Linie auf die Höhe der Wahlbeteiligung. Während der Ausgang der Wahlen etwa den Ergebnissen von Umfragen im Vorfeld entsprach, war die Beteiligung mit über 15 Prozent der Wahlberechtigten höher als erwartet. Dieser Umstand wurde von der Opposition als großer Erfolg gefeiert.  Er zeige, dass man gegen den amtierenden Präsidenten Hugo Chávez gewinnen könne.

Das Regierungslager sieht in den angeblichen Manipulationen hingegen den Versuch der Opposition, eine nicht vorhandene Stärke vorzutäuschen. Sollte das Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober dann deutlich schlechter ausfallen, werde die Opposition von Wahlbetrug sprechen, so die Argumentation des Chávez-Lagers. Die Teilnahme von gut 2,9 Millionen Wählern am Sonntag sei rechnerisch unmöglich, weil hierzu zu wenig Wahlmaschinen verwandt worden seien, sagte Parlamentspräsident Diosdado Cabello (PSUV). Angesichts der durchschnittlichen Zeit, die ein Wähler bei vergangenen Wahlen zur Stimmabgabe brauchte, sei lediglich etwa die Hälfte an Stimmen möglich gewesen.

Das ehemalige Mitglied des CNE-Vorstands und aktueller Bürgermeister von Caracas, Jorge Rodríguez (PSUV), kritisierte vor allem, dass eine Überprüfung der Wahlen unmöglich ist, weil die Ergebnisse zerstört werden sollen. Die Opposition hatte darüber hinaus darauf verzichtet, Fingerabdruckmaschinen und unlösliche Tinte zu verwenden, um doppelte Voten auszuschließen. Dadurch sei es möglich, dass dieselben Personen mehrfach abgestimmt hätten.

Eine Analyse der Wahlergebnisse zeige verschiedene statistische Unregelmäßikeiten im Wahlprozess, sagte Rodríguez. So habe es in manchen Wahllokalen sehr deutliche Unterschiede zwischen den Urnen gegeben, die statistisch auffällig seien. Auch der Verlauf der Wahlen sei untypisch, weil die Beteiligung bis 14 Uhr sehr gering gewesen und dann sprunghaft angestiegen ist. Dies entspreche nicht dem traditionellen Wahlverhalten der Venezolaner, insbesondere von Anhängern der Opposition. Eine Auswertung der Wahlen seit 2004 zeige, dass diese vor allem vormittags wählten, so Rodríguez.