Bolivien / Politik

Tote bei Konflikt um Bürgermeister in Bolivien

Regierung kündigt schnelle Untersuchung an. Opposition fordert Einhaltung der Menschenrechte

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Wilfredo Chávez
Innenminister Chávez auf der Pressekonferenz in La Paz

Yapacaní, Bolivien. Bei gewalttätigen Zusammenstößen in der bolivianischen Stadt Yapacaní im Departament Santa Cruz sind am Mittwoch mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Innenminister Wilfredo Chávez bestätigte auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in La Paz die Anzahl der Opfer, die unter noch ungeklärten Umständen starben. Mindestens 50 Anwohner und 17 Polizisten seien mit teils schwersten Verletzungen in das örtliche Krankenhaus eingeliefert worden. Am Donnerstag Nachmittag traf der Chef der Nationalpolizei Jorge Toro in Santa Cruz ein, um die Ereignisse in der Kleinstadt gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft zu untersuchen.    

Ein Teil der Anwohner der 30.000-Einwohner-Stadt rund 120 Kilometer nordwestlich von Santa Cruz de la Sierra hatten gegen die Wiedereinsetzung des gewählten Bürgermeisters David Carvajal demonstriert. Der Politiker der regierenden "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) war wegen Korruptionsvorwürfen und Misswirtschaft zunächst seines Amtes enthoben worden. Ein Gerichtsentscheid hatte den Bürgermeister unlängst von allen Anschuldigungen freigesprochen, was bei den Gegnern der Personalie für heftige Proteste gesorgt hatte.

Laut Bericht des Innenminister sei der Polizei am Mittwochabend um 19.40 Uhr  der Rückzug befehligt worden. Sie war zur Durchsetzung der Wiedereinsetzung des Bürgermeisters angefordert worden. Beim Ausrücken aus der Ortschaft seien die Polizisten dann "auf Höhe der Brücke angegriffen worden", wobei Schusswaffen auf die Uniformierten abgefeuert worden seien. Zeitnah zu diesem Ereignis hätten die Behörden Informationen über den Tod von zwei Anwohnern "durch den Gebrauch von Jagdgewehren" im Stadtzentrum erhalten. Bürgermeister David Carvajal erklärte noch am Mittwoch seinen endgültigen Rücktritt und floh nach Santa Cruz.

In den vergangenen Monaten war es zwischen MAS-treuen Bauern der Gemeinde und den Kritikern des Bürgermeister wiederholt zu Spannungen gekommen. Die der sozialdemokratischen Oppositionsparei "Bewegung ohne Angst" (MSM) nahestehende "Vereinigung interkulturellen Gemeinden" und der MSM-Vorsitzende der Gemeindeversammlung in Yapacaní hatte sich ebenfalls gegen den Kommunalpolitiker der Regierunspartei positioniert. Auf die gewaltsame Besetzung des örtlichen Rathauses durch die Gegner des Bürgermeisters Mitte November zerstörten MAS-Anhänger eine Radiostation und den privaten TV-Sender "Station 8". Remberto Alejandro vom "Komitee zur Verteidigung Yapacanís" hatte damals erklärt, MAS-Gegner blockierten alle Entscheidungen des Bürgermeisters und würden so die Entwicklung der Gemeinde hemmen. Die MAS-Gegner erklärten die Gegenseite daraufhin zu Drogenhändlern.

Die Reaktion der Opposition auf die jüngsten Ereignisse ließ trotz der unklaren Lage nicht lange auf sich warten. Die Morales-Administration habe "jeden Respekt vor dem menschlichen Leben verloren", schrieb Ex-Präsident und Geschichtsprofessor Carlos Mesa via Twitter. Auch der Führer der neoliberalen Unidad Nacional (UN) und Betonfabrik-Millionär Samuel Doria Medina meldete sich über das Internet zu Wort. Zur Verbrechensbekämpfung fehle es der Polizei an Ausrüstung und Personal, für die "Niederschlagung von Indigenen in Yucumo oder zur Verteidigung eines Bürgermeister in Yapacaní gibt es Hunderte", schrieb Medina mit Bezug auf eine Polizeiaktion gegen einen oppositionellen Demonstrationszug vom vergangenen September. Angesichts der jüngsten Ereignisse sei es an der Zeit eine "gemeinsame Plattform zur Forderung von Menschenrechten" einzurichten.

Damit ist die Opposition, die bislang an den Urnen gegen die MAS auf nationaler Ebene chancenlos ist, auf einer Linie mit Diplomaten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland, Dänemark und Schweden. Diese hatten sich auf Einladung der US-Botschaft in La Paz im Jahr 2010 zu einer "Arbeitsgruppe" zwecks Überwachung der "Demokratie und Menschenrechte" in dem Andenland zusammengeschlossen. Dies geht aus Wikileaks-Cables hervor. Nach Aussage des Geschäftsträgers der US-Botschaft, John Creamer, werde man auf Menschenrechtsverletzungen die "größtmögliche internationale Antwort sicherstellen, wann immer es die Bolivianer brauchen".

Die Eskalation der Ereignisse im derzeit einzigen von der Opposition regierten Departement fallen zeitlich genau auf das Ende einer groß angelegten Regierungskonferenz zur "Vertiefung des Wandels". In der zentralbolivianischen Stadt Cochabamba hatten Vertreter aus Politik, Gewerkschaften, Bauern- und Frauenverbänden und Wirtschaft in mehreren Arbeitsgruppen über 500 Vorschläge und 70 konkrete Gesetzesinitiativen ausgearbeitet, die direkt in die Regierungsarbeit einfließen sollen.