BND-Nazi Rauff beschäftigt den Bundestag

Nach Medienveröffentlichungen über Spionageeinsatz in Südamerika fordert Opposition Aufklärung. Regierung ist Antworten schuldig

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Hitlergruß am Grab: Szene bei der Beisetzung Rauffs 1984 in Chile
Hitlergruß am Grab: Szene bei der Beisetzung Rauffs 1984 in Chile

Berlin. Die jüngsten Enthüllungen über den Nazi-Kriegsverbrecher und späteren westdeutschen Spion Walter Rauff beschäftigen nun auch den Deutschen Bundestag. Am Wochenende hatten das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und die BILD-Zeitung unter Berufung auf freigegebene Geheimdienstakten berichtet, dass Rauff zwischen 1958 und 1962 von Chile aus für den Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet hat und nach der dortigen Revolution 1959 unter anderem gegen Kuba eingesetzt wurde. Rauff wird als Entwickler der "Vergasungswagen" für den Tod von bis zu einer halben Million Menschen während des Holocausts verantwortlich gemacht.

"Das Verhalten des BND unter der Regierung Adenauer war kriminell", kommentiert am Tag nach den Veröffentlichungen der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Jan Korte. Konrad Adenauer und sein Kanzleramtschef Hans Globke seien für die Deckung und Finanzierung eines Massenmörders politisch verantwortlich gewesen. CDU und CSU müssten daher dringend ihr Verhältnis zum politischen Erbe Adenauers hinterfragen "und endlich damit beginnen, die Aufarbeitung der Nazi-Verstrickungen der Ära Adenauer konstruktiv zu unterstützen", so Korte, der dem Vorstand der Linksfraktion angehört.

Dass die BND-Mitgliedschaft des Entwicklers der Vergasungswagen ans Licht kommt, sei "beschämend für die Bundesrepublik". Es belege, dass es nicht an allen Stellen im Staat den unbedingten Willen zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte gibt. Dass der dem Bundeskanzleramt unterstellte BND Rauff trotz vorliegenden Haftbefehls zu Schulungszwecken nach Deutschland einflog und ihn wieder herausbrachte, "zeugt von einer erschreckenden Skrupellosigkeit", so Korte weiter.

Nach Ansicht des Bundestagsabgeordneten kann sich die heutige Bundesregierung nicht hinter der Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND verstecken. "Um der Bundesrepublik ein unwürdiges Schauspiel zu ersparen, sollte sie für eine vollumfängliche, uneingeschränkte Aktenfreigabe der BND- und Kanzleramtsakten der Nachkriegszeit sorgen, statt die Leichen eine nach der anderen aus dem bundesrepublikanischen Keller tragen zu lassen", so das Resümee Kortes.

Tatsächlich ist die Unions-FDP-Regierung noch Fragen nach der Rolle Rauffs schuldig. Anfang Juli reichte die Linksfraktion einen umfassenden Fragenkatalog zu der Deutschensiedlung Colonia Dignidad in Chile ein. Darin wird auch der Fall Walter Rauff angesprochen. So heißt es in Frage 42: "Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, inwieweit der ehemalige Gruppenleiter im Reichssicherheitshauptamt Walter Rauff Kontakte zur Colonia Dignidad unterhielt, und wenn ja, welche sind dies?" In der Folgefrage heißt es: "Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse, dass Walter Rauff als Berater für die chilenische Militärregierung und den Geheimdienst DINA gearbeitet hat?" Beide Fragen sind noch nicht beantwortet worden.