Venezuela bleibt atomfrei

Präsident Chávez legt Vorhaben zum Bau von AKWs auf Eis. Kritische Debatte an der Basis. Grund für Atompläne waren wiederholte Energieengpässe

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Hugo Chávez winkt in rotem Hemd
Bye-bye, Atomkraft: Hugo Cávez

Caracas. Venezuelas Staatschef hat am Dienstag am Rande eines Treffens mit chinesischen Wirtschaftsvertretern die Einstellung von Plänen zum Bau von Atomkraftwerken in dem südamerikanischen Land bekannt gegeben. Als Grund für die Entscheidung gab er die Nuklearkatastrophe in Japan an. "Es gibt keinen Zweifel, dass diese Geschehnisse die Pläne zur Entwicklung der Atomkraft weltweit stark beeinflussen", zitiert die staatliche venezolanische Nachrichtenagentur AVN den Präsidenten. Zugleich sprach er den Opfern der Katastrophe in Japan sein Mitgefühl aus: "Wir bitten Gott, dass die Ausmaße (der Explosionen in den Atomkraftwerken in Fukushima) so gering wie möglich sind".

Seit Beginn der Atomunfälle in den japanischen Reaktoren hatten venezolanische Basisgruppen ihre Kritik an den Atomplänen der Regierung erheblich verstärkt. In dem prominenten Onlineforum aporrea.org erschienen mehrere Beiträge von wissenschaftlichen Experten und Mitgliedern Kommunaler Räte, die vor den Gefahren der Atomkraft warnten. Dabei kam es durchaus zu kontroversen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern des Baus von Atomkraftwerken in Venezuela.

So kritisierte am Dienstag der Autor Angel Brito eine Informationssendung des staatlichen Kanals VTV. Darin hatten zwei Atomexperten der nationalen Wissenschaftsakademie IVIC die Befürchtungen beschwichtigt. "Der Grund für diese Beruhigungsversuche ist die Absicht unserer Regierung, Atomkraftwerke in unserem Land zu bauen und nun befürchten die Fürsprecher negative Reaktionen", schrieb Brito nach der Sendung und wenige Stunden vor dem Statement von Chávez.

Am Sonntag hatte ein Vertreter Kommunaler Räte, Walter Valencia, in einem Beitrag die Bedenken der Bevölkerung geschildert. Auch in Venezuela seien Atomkraftwerke "eine Zeitbombe", so Valencia. "Wir bitten unseren führenden Kameraden, Präsident Hugo, Studien in Auftrag zu geben, um nicht die gleichen Fehler wie die japanischen Ingenieure zu begehen", heißt es in dem Text in der für Venezuela üblichen Politterminologie.

Die venezolanische Regierung hatte bereits 2007 Pläne zum Bau von Atomkraftwerken bekannt gegeben. Mitte Oktober vergangenen Jahres führte Chávez konkrete Gespräche darüber mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew. Grund für die Pläne waren wiederholte Energieengpässe. Bislang werden gut 60 Prozent der Energie in Venezuela von Wasserkraftwerken produziert.

Nach Auskunft der industriefreundlichen World Nuclear Association existieren in Lateinamerika sechs aktive Atomkraftwerke in Argentinien, Brasilien und Mexiko.