Bolivien / Politik

Nicht mal Luxusknast mit Grill

Gegen Korruption und Vetternwirtschaft: Boliviens Politiker müssen sich auf neue Zeiten einstellen

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Suspendierter Bürgermeister René Joaquino
Suspendierter Bürgermeister René Joaquino

La Paz. Kontroverse Reaktionen löste am Mittwoch die Amtsenthebung von Potosís Bürgermeister René Joaquino aus. Der beliebte Bürgermeister der 170.000-Einwohnerstadt, die nach über zwei Wochen Generalstreik und Protesten zu Wochenbeginn wieder zum Alltag überging, steht jetzt wegen des Verdachts des illegalen Autohandels vor Gericht.

Seit 1997 sitzt das Mitglied der Sozialen Allianz (AS) im Rathaus, in seiner ersten Amtszeit soll er den Kauf geschmuggelter Autos genehmigt haben. Ihn trifft das dieses Jahr in Kraft getretene Kommunalgesetz. Bürgermeister oder Stadträte, gegen die ein Gerichtsverfahren läuft, „werden auf Zeit von der Ausübung ihrer Ämter suspendiert“, so Paragraf 48 der neuen Regelung. Erst bei Freispruch kann der Angeklagte zurück ins politische Leben.

Aktuell sind die Bürgermeister der Städte Quillacollo, Punata und Sucre ihrer Funktionen enthoben, alle vom Oppositionslager. Auch die regierungsfeindlichen Präfekten Rubén Costas (Santa Cruz), Ernesto Suárez (Beni) und Mario Cossío (Tarija) stehen kurz vor der Amtsenthebung, für die illegalen Autonomie-Referenden 2008 sollen sie öffentliche Gelder veruntreut haben.
 
Nicht nur der AS-Politiker unterstellt darum politische Motivation für die Untersuchungen. Die Regierung wolle „dem Volk mit Gerichtsverfahren den Mund verbieten, nicht mehr wie die Diktaturen mit Gewehren und Granaten“, Joaquino, den die Stadtversammlung mit Stimmen der Bewegung zum Sozialismus (MAS) und seiner eigenen AS suspendierte, erklärte sich zum Opfer politischer Verfolgung. Weil er „die Bürgerbewegung anführte, die Potosí mit ihren Forderungen 19 Tage lang stillgelegt hat“, so der Politiker, der bei den Kommunalwahlen im April 2010 im Amt bestätigt wurde.

Doch ist die bolivianische Politik chronisch von Korruption, Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft befallen, bei internationalen Korruptionsrankings wird dem Land regelmäßig ein Armutszeugnis in Sachen Transparenz ausgestellt. Für den Bürgermeister der Bergbaustadt ist es nicht das erste Mal, dass die Auto-Geschichte ihn verfolgt. Schon im Januar 1998 strengte der Departamento-Rechnungshof von Potosí, damals unter Kontrolle der rechtskonservativen Banzer-Regierung, ein Verfahren an. Damals gingen die Bürgerkomitees auf die Barrikaden, ein Hungerstreik versenkte die Untersuchung im Aktenschrank.
 
Damit soll nun Schluss sein. Gleich nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2006 gründete Präsident Evo Morales das Ministerium für Korruptionsbekämpfung. Auch gegen die eigene Parteiprominenz wird vorgegangen. MAS-Mitbegründer und Energieminister Santos Ramírez hatte Bestechungsgelder angenommen. Staatsaufträge verteilte der einstige Weggefährte von Morales an ausländische Scheinfirmen. Seit Januar 2009 sitzt er wegen dem Millionenskandal im Gefängnis Chonchocoro, ein berüchtigter Hochsicherheitstrakt im rauen Altiplano.

Und selbst dort weht heute ein anderer Wind. Nach einem Überraschungsbesuch feuerte Innenminister Sacha Llorenti Gefängnisdirektor und Wachpersonal. Luis García Meza, zu Lebenslang verurteilter Ex-Diktator, hatte sich einen Luxusappartment mit Barbecue und Sauna bauen lassen.