USA

"Smart policy" der USA in Lateinamerika

Eine Einschätzung der US-Politik gegenüber Lateinamerika und der Obama-Regierung

Mit dem Ende der Amtszeit von George W. Bush wurde in Lateinamerika die Hoffnung verbunden, dass sein Nachfolger Präsident Barack Obama die Politik der USA gegenüber Lateinamerika und der Karibik neu bestimmen und die erforderlichen Schlussfolgerungen aus den Fehlentwicklungen der Bush-Jahre ziehen würde.

Der Politikberater Parag Khama von der New American Foundation erklärt, dass "die Einstellung der USA gegenüber Lateinamerika eine bemerkenswerte Kontinuität aufweist." Bezogen auf Thomas Jefferson zitiert Khama, dass "Lateinamerika ein Kontinent für sich ist", worunter Jefferson verstand: ein Kontinent der vollkommen von den USA kontrolliert werden sollte.

Allerdings gehen die Meinungen über das Engagement der Bush- Regierung in Lateinamerika weit auseinander. Zum einen wird behauptet, dass Bush sich auf die "Bekämpfung des internationalen Terrors" konzentrierte und die Kriege in Afghanistan und im Irak den Kontinent weitgehend ausblendeten. Zum anderen gehen Analysten davon aus, dass selbst unter Beachtung des militärischen Engagements und der genannten Kriege, die USA Lateinamerika nie aus den Augen verloren haben.

Politische und geopolitische Veränderungen in Lateinamerika

Die Politik der USA, auch während der Bush-Regierung, umfasste ein breites Arsenal politischer, kultureller, wirtschaftlicher und militärischer Methoden zur Sicherung ihrer Positionen auf dem Subkontinent. Auf wirtschaftlichem Gebiet war zu beobachten, dass nach dem Scheitern des Freihandelsprojektes ALCA die bilaterale Einbindung lateinamerikanischer Länder angestrebt wurde. Beispiele sind die Freihandelsverträge mit Chile, mittelamerikanischen Ländern, Kolumbien und anderer. Das erklärt sich schon aus der starken Präsenz einer Vielzahl US-amerikanischer transnationaler Unternehmen in lateinamerikanischen Ländern und der Tatsache, dass diese Terrain gegenüber der Konkurrenz aus Spanien, der BRD, China und weiteren Handelsakteuren verloren haben.

Verstärkt haben die USA ihre militärische Präsenz mit dem Ausbau der Basen in Kolumbien, Paraguay (Mariscal Esterregai), dem Plan Colombia und Plan Puebla Panama. Mit letzterem versuchen sie, sich auch zukünftig den Zugriff auf Mittelamerika und auf das Amazonasbecken zu sichern. Erstmalig seit 1952 wurde die 4. Flotte im Atlantik in Marsch gesetzt. Diese Marineeinheit wurde damals aufgelöst und jetzt erst wieder in Dienst gestellt. Mit der Ausweitung der militärischen Präsens und der Realisierung der Pläne "Colombia" und "Puebla Panama" sichern sich die USA langfristig Einflussmöglichkeiten, Ressourcen und Positionen gegen die immer stärker werdende Konkurrenz der EU und Chinas auf dem lateinamerikanischen Kontinent.

Gleichzeitig waren sie gezwungen, auf die strategischen und geopolitischen Veränderungen, die in Lateinamerika vor sich gehen, zu reagieren. Das Verhältnis Lateinamerikas zu den USA hat sich in den letzten zehn Jahren grundsätzlich verändert. Erstmalig in der Geschichte der bilateralen Beziehungen waren es die USA, die reagieren mussten, da sie sich in der Defensive befanden. Indizien für einen Wandel in den letzen Jahren sind vielfältig.

Länder wie Argentinien, Brasilien und Uruguay streben einen unabhängigeren Weg an. Die Regierungen Venezuelas, Boliviens und Ecuadors, auch nach wie vor Kubas, sind bestrebt, Transformationsprozesse zu realisieren, die zu gesellschaftlichen Veränderungen führen. Dazu zählen die Neukonstituierung des Landes durch die Annahme demokratischer Verfassungen mit mehr Partizipation des Volkes und sozialen sowie wirtschaftlichen Maßnahmen wie etwa in Bolivien die Nationalisierung der Naturressourcen des Landes oder der Durchführung demokratischer, Agrarreformen in Venezuela.

Die von linken und progressiven Kräften errungenen Wahlsiege ermöglichten es, demokratische Veränderungen und politische Schritte einzuleiten, die in Lateinamerika zur Gründung neuer auf Integration ausgerichteter Institutionen wie der UNASUR, der Banco del Sur und zur relativen Festigung des Mercosur führten. Die Regierung von Präsident Rafael Correa in Ecuador kündigte den USA die Militärbasis in Manta. Venezuela trat mit der Initiative zu einer realistischen regionalen Integration (ALBA) auf. Verändert haben sich sowohl die politischen wie auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA.

Der Aufstieg Brasiliens und Argentiniens, auch Mexikos, zu global playern und die auf Pragmatismus beruhenden Bestrebungen Chinas auf dem Kontinent Fuß zu fassen, versetzen den Kontinent partiell in die Lage, Druck auf die USA auszuüben, um sie zu veranlassen, ihre Politik gegenüber Lateinamerika zu verändern. Das kann - wie Immanuel Wallerstein einschätzt - auch mit dem "Niedergang der amerikanischen Vorherrschaft" zusammenhängen, obwohl die USA aber "immer noch als wichtigster Verbündeter von aller Welt (also auch von Ländern Lateinamerikas) angesehen werden."

Reaktionen der USA

Im Bericht des Chefs des Südkommandos der US-Streitkräfte vor der Kommission "Bewaffnete Kräfte" des Washingtoner Kongresses (2008) wurde eingeschätzt, dass "die traditionellen Bedrohungen in Lateinamerika jetzt begleitet werden von neu aufkommenden Bedrohungen, die man als radikalen Populismus bezeichnen kann, in dem der demokratische Prozess unterminiert und die individuellen Rechte bedroht werden". Nach US-Lesart sind demzufolge die demokratischen Veränderungen "radikaler Populismus." Die Reaktion der US-Militärs des Südkommandos auf diese "Bedrohungen" ist die Festsetzung neuer Prioritäten:

  • An erster Stelle steht die Sicherung des freien Zugangs zu den internationalen Märkten und zu den Energiequellen. Das soll erreicht werden in Zusammenarbeit mit den entsprechen nationalen Kräften.
  • Denjenigen Ländern, deren nationale Souveränität in Gefahr ist, muss umgehend Hilfe gewährt werden, besonders aber Ländern, in denen instabile politische Verhältnisse herrschen.
  • Gezielt werden gemeinsame Manöver, auch Seemanöver, als Antiterroroperationen realisiert, Friedenseinsätze durchgeführt und humanitäre Hilfe geleistet.
  • Verhindert werden müssen Maßnahmen der sog. Renegatenstaaten für die Unterstützung terroristischer Organisationen.
  • Hilfe und Unterstützung werden vor allem für sichere und demokratisch gewählte Regierungen vorgesehen.

Zweifellos basiert diese Vorgehensweise nach wie vor auf den Prinzipien der "Nationalen Sicherheitsdoktrin" der USA aus dem Jahr 1996, wonach die Strategie der "Beherrschung des gesamten Spektrum" maßgeblich für die Position der USA gegenüber Lateinamerika ist. Diese Strategie sieht vor:

  • Prävention möglicher politischer Krisen und sozialer Unruhen,
  • Durchführung einer Politik der Abschreckung und
  • Kontrolle progressiver Kräfte und sozialer Bewegungen und, wenn erforderlich, ihre Bekämpfung. (nach Ana Esther Cecena; "Krieg als Realität der Welt, die wir verändern wollen.").

Zusammengenommen ergibt sich daraus eine Strategie des Strebens nach Vorherrschaft, die nicht ausschließlich auf die militärische Variante setzt.

Die Politik Obamas und seiner Administration

Der einflussreiche "Rat für Auswärtige Beziehungen" der USA hält für die Obama-Administration Vorschläge für die zukünftige Gestaltung der Beziehungen mit Lateinamerika bereit. Der Rat erklärte die bisherige Politik der USA gegenüber Lateinamerika für gescheitert und empfiehlt, sich auf die neuen Gegebenheiten Lateinamerikas mit mehr Flexibilität, Eingehen auf die "sozialen Forderungen" und nationalen Ambitionen einzustellen.

Im Vorfeld der Präsidentenwahl wurden von Obama Äußerungen zu Lateinamerika bekannt, die in Lateinamerika ein sehr differenziertes Echo fanden: Obama beschuldigte G.W. Bush faktisch, Lateinamerika verloren zu haben. Die Aussagen zu Kuba und zur möglichen Aufhebung des Embargos waren indifferent. Obama äußerte, dass andere Mächte, wie die Europäische Union und China, versuchen, das entstandene Vakuum auszufüllen. Hugo Chávez wurde von ihm als Demagoge bezeichnet.

Ein 13 Seiten umfassendes Konzept Obamas für Lateinamerika ("A New Partnership for the Americas") hat wenig Substanz, es beschwört die "Politik der guten Nachbarschaft" in Anlehnung an Präsident Roosevelt.

Nach der "New York Times" ergibt sich für Obama "eine einzigartige Möglichkeit, die Beziehungen zur Region zu verbessern, da die Beziehungen ohnehin schlecht sind und es erst einmal wenig Anstrengungen kosten wird, mit etwas gutem Willen Fortschritte im Sinne der amerikanischen Werte zu erreichen." Hat Obama die Chance genutzt, mit wenig Anstrengung und "etwas gutem Willen" die Beziehungen zu Lateinamerika zu verbessern?

Nach gut einem Jahr Obama-Regierung zeichnet sich in ersten Konturen das Herangehen dieser Administration gegenüber Lateinamerika ab. Die Schlussfolgerungen zur Beantwortung dieser Frage sind ambivalent.

Gemessen werden sie an den Vorgaben, die von Seiten der lateinamerikanischen Länder während des Amerikagipfels in Trinidad/Tóbago im April 2009 gegeben wurden. Zur Vorbereitung des Gipfels trafen sich die UNASUR-Staaten in Cumaná (Venezuela) vom 16. bis 17.4.2009 (außer Kuba). Formuliert wurden auf diesen Treffen die Erwartungen Lateinamerikas an die neue Administration:

In Lateinamerika werden allgemein als Bedingungen für ein neues Verhältnis Lateinamerika-USA die Aufgabe der Blockade gegen Kuba, die Respektierung der durch demokratische Prozesse entstandenen Veränderungen in lateinamerikanischen Ländern und das Abgehen von militärischen Interventionsplänen und Korrekturen in der Migrationspolitik der USA angesehen. Neben einer neuen Kuba-Politik wird besonders eine Normalisierung der Beziehungen zu Venezuela und Bolivien von Obama erwartet. Beide Länder haben 2008 die USA-Botschafter wegen der Begünstigung konspirativer Umtriebe ausgewiesen, Bolivien suspendierte die Aktivitäten der US-Drogenbehörde DEA im Lande.

Der Verlauf des Gipfeltreffens zeigte, welchen Stellenwert die lateinamerikanischen Staaten den zukünftigen Beziehungen mit den USA einräumen. Ihre Forderungen sind eindeutig: Sie wollen, dass die Industriestaaten und insbesondere die USA ihre Verantwortung für die Bewältigung der Krise übernehmen. Das Treffen war ein Zeichen gewachsenen Selbstbewusstseins und der veränderten Lage in den Beziehungen zu den USA. US-Präsident Obama beschränkte sich vornehmlich aufs Zuhören.

Die sich anschließenden Ereignisse in Honduras und der Abschluss eines Vertrages über die Eröffnung neuer Militärbasen der USA in Kolumbien - als herausragende Ereignisse nach Übernahme der Regierung durch Obama - bestätigen, dass die vorhandenen Strukturen der Macht in den USA die oben charakterisierte Politik der USA fortsetzen und in den führenden Kreisen der USA eine Auseinandersetzung um die Gestaltung einer kohärenten Strategie gegenüber Lateinamerika geführt wird.

Der Militärputsch in Honduras

Der Putsch in Honduras Ende Juni 2009 gegen den gewählten Präsidenten Zelaya und die Reaktionen in den USA darauf sind Ausdruck dieser in den herrschenden Kreisen der USA geführten Auseinandersetzung um die Gestaltung der Beziehungen zu Lateinamerika. Während das offizielle Washington sich zurückhaltend äußerte und den Putsch quasi verurteilte, stehen neokonservative Kreise hinter den Putschisten um Micheletti. Der brasilianische Historiker Luiz Alberto Moniz Bandeira ist wie viele andere Kommentatoren der Auffassung, dass "der Sturz Präsident Manuel Zelayas mit Unterstützung von Teilen der CIA und des Pentagon realisiert wurde, die sich gegen die Politik des Präsidenten Obama stellen und ihm Schwierigkeiten auf internationaler Ebene schaffen wollen. Die honduranischen Militärs hätten sich nicht gewagt, den Putsch auszuführen, wenn sie nicht über die Unterstützung dieser Sektoren verfügt hätten."

Inzwischen zeigt sich, dass die neokonservativen Kräfte um Negroponte und anderen im State Department, im Pentagon und in der CIA die Oberhand behalten haben. Die Obama-Regierung ist durch ihren Abgesandten Valenzuela letztlich eingeschwenkt und hat ihre Position, die Wahlen in Honduras Ende November 2009 nicht anzuerkennen, grundsätzlich geändert.

Der Umsturz, durchgeführt von den führenden Militärs Honduras`, ging mit Kenntnis des Südkommandos der US-Armee von der Militärbasis der USA Soto Cano aus. Der Botschafter der USA, Hugo Llorens, nahm an der entscheidenden Zusammenkunft der Militärs zur Planung des Putsches teil.

Neue Militärbasen in Kolumbien und Panama

Die Schaffung von drei weiteren Militärbasen der USA in Kolumbien, womit die USA dort über sieben Stützpunkte verfügen, wurde vertraglich vereinbart. Die Mehrheit der Staaten Lateinamerikas mit Ausnahme Perus hat darauf sehr deutlich reagiert. Die Präsidenten Brasiliens und anderer Länder zeigten sich beunruhigt und sprachen von möglichen Problemen für die südamerikanische Region. "Das, was sich vorerst als Zuspitzung des Konfliktes zwischen Venezuela und Kolumbien darstellte, verwandelt sich in ein Problem für die Region," schreibt die argentinische Zeitung Pagina 12. Präsident Chávez, enttäuscht von der zögernden Haltung einiger Mitglieder der UNASUR auf ihrer Tagung in Quito (Uruguay, Chile und andere Staaten wollen vor einer schärferen Stellungnahme erst noch den USA-Präsidenten konsultieren), sprach sich deutlicher aus: "Winde des Krieges erheben sich über Lateinamerika." Venezuela sieht die Gefahr einer Aggression, die zu einem Konflikt von unkalkulierbaren Ausmaßen führen kann. Die Kriegsgefahr wurde auch von den Präsidenten Brasiliens und Argentiniens benannt. "Was Brasilien beunruhigt, ist eine starke militärische Präsenz, deren Ziel und Kapazität über innere Erfordernisse Kolumbiens weit hinausgehen könnten", äußerte der brasilianische Außenminister, Celso Amorim.

In einem Dokument des Pentagons wurden für die Ausgestaltung der Militärbasis in Palanquero 46 Mio. US-Dollar beim Kongress beantragt. Sowohl Präsident Obama wie auch der Kongress bewilligten diese Summe. In der Begründung für die Beantragung für diese und die weiteren Basen in Kolumbien wurde die Gefahr, die von Venezuela und der Politik Chávez ausgeht, als Begründung genannt. Es geht aber um mehr: Palanquero - so das Dokument - "ist zweifellos der beste Platz, um eine umfassende Kontrolle über alle Operationen in Südamerika auszuüben."

Hinzu kommt, dass zwischen der Außenministerin der USA, Hilary Clinton, und dem Präsidenten Panamas, Martinelli, die Neuschaffung von Militärbasen der USA am Panamakanal ausgehandelt wurde. (Omar Torrijos hatte diese und die Escuela de las Americas im Januar 2000 schließen lassen.)

Unter diesen Umständen beobachtet man in Lateinamerika die weiteren strategischen Entscheidungen, die Obama treffen wird, mit wenig Hoffnung auf eine Wendung zu einem neuen Anfang in den Beziehungen. Für einige Kommentatoren ist das Urteil schon klar: "Eine neue Ära der Expansionspolitik kommt auf Lateinamerika zu."

Kommt die Obama-Doktrin?

Nach Einschätzung politischer Beobachter zeigen sich im Herangehen der Obama-Regierung an die Ereignisse in Honduras Züge eines veränderten politischen Herangehens an die Beziehungen zu Lateinamerika.

Sie sind gekennzeichnet von einer Kombination diplomatischer Mittel, wirtschaftlichen Einflusses und "legalen demokratischen" Manövern. Hillary Clinton, erklärte in einer Rede vor dem US-Senat das Vorgehen der US-Führung: "Wir werden die smart power ("intelligente Macht") kultivieren, d.h. alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente, in erster Linie diplomatische Mittel und die Kunst der Überzeugung anwenden." Konkret bedeutete das nach den Worten Hillary Clintons, dass die Obama-Regierung eine Modifizierung ihrer Außenpolitik vornehmen will. Deutlicher wurde Hillary Clinton Anfang Januar 2010 vor dem "Zentrum für Globale Entwicklung" (Center for Global Development). "Wir werden die Kraft der Erfahrungen unserer Diplomaten und unserer Militärs im Namen der Entwicklung nutzen. Die drei D´s müssen sich gegenseitig stärken". Sie bezog sich auf defence, diplomacy und development - Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung. Gemeint ist damit, was Obama schon im Wahlkampf 2008 nutzte und Hillary Clinton später oft wiederholte, die "smart power", die nach Clinton "eine unserer wichtigsten Waffen in unserem außenpolitischen Instrumentarium sein muss." Es geht um "Partnerschaft und nicht um Gönnerschaft."

In Honduras, wo diese Politik faktisch getestet wurde, ließ man zunächst den Präsidenten Costa Ricas, Oscar Arias, vorstoßen, der den "Vertrag von San José" erarbeitete. Der nächste Schritt wurde durch die "Vermittlungsversuche" der OAS (Insulza) eingeleitet. Und schließlich wurde der ehemalige Präsident Chiles, Carlos Lagos, mit der Wahrnehmung des Vorsitzes der Überprüfungskommission betraut. Alle diese "smarten" Maßnahmen führten dazu, dass Zeit gewonnen, die Wahl Ende November realisiert und schließlich der außenpolitische Schwenk eingeleitet wurde. Zum exakt gleichen Zeitpunkt, dem 30.11.2009, da sowohl Zelaya als auch Micheletti die Vereinbarung, die unter Einfluss des Unterstaatssekretärs des State Department Shannon zustande kam, unterschrieben hatten, hoben die USA alle "Restriktionen" gegenüber Honduras und dem De-facto-Präsidenten auf. Der US-Botschafter Shannon verstieg sich zu folgender Aussage: "Wir beglückwünschen die beiden großen Persönlichkeiten (gemeint waren Zelaya und Micheletti, d. Red.), dass sie diesen historischen Vertrag unterzeichneten."

Hinter dieser von Hillary Clinton bezeichneten "smart power" versteckt sich nicht mehr und nicht weniger als eine Kontinuität der Außenpolitik der USA. Sie zielt generell auf die Aufrechterhaltung des Führungsanspruches der USA und ihre "Verantwortung" für die globale Sicherheit ab. Auch im Falle Lateinamerikas ist absehbar, dass die USA - das zeigt sich bei allen Unterschieden im Herangehen in Honduras - versuchen werden, sich auf regionale Mächte, in diesem Falle auf Brasilien, einzustellen, um über den Weg der "Partnerschaft" einen kooperativen Führungsanspruch durchzusetzen. Lateinamerika wird in diesem Sinne mit einer intelligenteren Politik der Obama-Regierung als zur Zeit unter Bush konfrontiert werden, in der die bekannten Elemente der Ausübung der Vorherrschaft - vor allem auch über militärische Mittel - erhalten bleiben, aber mit neuen kombiniert werden. Dazu gehört eine stärkere Fokussierung auf Schlüsselbereiche wie Landwirtschaft, Gesundheitswesen. Sicherheit, Bildung Energie und "good governance". Im Einzelnen könnten das sein:

  • Versuch der Schaffung eines transatlantischen Rechtsraumes unter Einbeziehung Lateinamerikas;
  • Bestrebungen zur Schaffung einer Partnerschaft zur Sicherung der Energieversorgung (Beispiel Brasilien);
  • Aufgreifen von Reformbestrebungen zur Veränderung internationaler Finanzorgane (IWF, Weltbank);
  • Eine andere Entwicklungspolitik und ihre Kombination mit humanitärer Hilfe (in Paraguay stationierte US-Soldaten gehen, z.B., in die Dörfer und verteilen Medikamente und Brillen);
  • Multilaterale Anstrengungen zur Schaffung einer umfassenden transatlantischen Integration.

Das Gegenstück dazu wird eine verschärfte Politik gegenüber Venezuela, Bolivien und Ecuador sein. General Fraser, Oberkommandierende des Südkommandos der USA, äußerte während eines Aufenthaltes in Paraguay, während dem er sich mit paraguayischen Militärs traf: "Das, was mich am meisten beunruhigt, sind die Waffenkäufe Venezuelas. Sie haben 100.000 Gewehre gekauft und bauen eine Waffenfabrik, um noch mehr zu produzieren."

Mit Versprechungen und der Losung "Change" hat Obama in aller Welt, auch in Lateinamerika, Hoffnungen geweckt. In den USA selbst haben Obamas Versprechungen zu einer Abschwächung der Friedensbewegung gegen den Krieg im Irak und in Afghanistan geführt. Die neokonservative Rechte (das Pentagon, die CIA u.a.) hat davon profitiert. Der schon zitierte Immanuel Wallerstein schätzt deshalb ein, dass die Rechte der USA Obamas innenpolitische Schwäche ausnutzt und auch die Rechte Lateinamerikas für sich einen größeren Spielraum sieht. In gewisser Weise wird sie versuchen, sich für die erlittenen Niederlagen der letzten Jahre zu rächen. Die Rechte Honduras` tut das bereits: sie triumphiert. Der ehemalige Außenminister Ortez bezeichnete Obama als "kleinen Neger, der von nichts etwas versteht."

Die Länder Lateinamerikas und besonders seine Linke sind sich nach den Ereignissen in Honduras und dem Abschluss des Vertrages USA-Kolumbien der Gefahren bewusst, die sich aus dieser Situation ergeben. Im Rahmen der UNASUR machen sie gemeinsam Front gegen die weitere Militarisierung des Kontinents und beginnen, die Obama-Politik nüchtern einzuschätzen.