Ecuador

Ecuadors Bürger stimmen für ihre Revolution

Präsident Rafael Correa im Amt bestätigt. Soziale Reformpolitik soll vertieft werden. Differenzen zur regionalen Strategie der USA

Der neue Präsident Ecuadors (1) ist der alte: Zum ersten Mal in der Geschichte des südamerikanischen Landes ist ein Staatschef in seinem Amt bestätigt worden. Bei den Wahlen am Sonntag stimmten rund 55 Prozent der Bürger für den Wirtschaftswissenschafter Rafael Correa und seine Partei Alianza País (2). Noch am Wahlabend versprach der 46-Jährige den Fortgang seiner "Bürgerrevolution". So heißt in Ecuador der tief greifende politische, soziale und wirtschaftliche Reformprozess.

Das klare Votum für diese politische Linie komme auch in den nächsten Jahren den Ärmsten des Landes zugute, versprach Correa auf einer Pressekonferenz unmittelbar nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen. "Wir sind hier für die Armen", sagte der wieder gewählte Staatschef: "Unsere Verpflichtung besteht darin, das Elend zu beseitigen, um das Land gleicher und gerechter zu machen."

Ein dringend nötiges Vorhaben. 40 Prozent der Bevölkerung Ecuadors lebt nach offiziellen Angaben in Armut. Nach Ansicht der Regierung ist dies eine direkte Konsequenz wirtschaftspolitischer Fremdbestimmung. Im Jahr 2000 - noch vor Correas Amtsübernahme - war die eigene Währung zugunsten des US-amerikanischen Dollars abgeschafft worden. Ecuador war damit abhängig von den Maßnahmen der Weltbank und des Internationalem Währungsfonds (IWF). Sein Land sei damals "in die lange Nacht des Neoliberalismus" eingetreten, sagt Correa. Diese Nacht will Rafael Correa nun beenden.

Ähnlich der linksgerichteten Staatsführungen in Venezuela und Bolivien hat er sich zur Aufgabe gemacht, die Rolle des Staates zu stärken. In den vergangenen Jahren wurden vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen nachhaltige Sozialprogramme aufgelegt. Es gehe ihm darum, die Binnenwirtschaft zu stärken, um Arbeitsplätze zu schaffen, bekräftigte der promovierte Ökonom immer wieder. Auch dabei kann niemand die Notwendigkeit in Abrede stellen. Rund drei Millionen Menschen haben Ecuador in den vergangenen Jahren verlassen, um vor allem in den Ländern der Europäischen Union oder in den USA Arbeit zu suchen.

Es sei seine patriotische Pflicht, sagt Correa, diese Emigranten wieder in die politischen und sozialen Prozesse einzubinden, sie zurückzuholen.

Starker Staat und direkte Bürgerbeteiligung

Basis seiner Reformpolitik ist die neue Verfassung, die Ende September 2008 in einer Volksabstimmung angenommen wurde ( Ecuadorianer schaffen Neoliberalismus ab (3)). Dieses reformierte Grundgesetz räumt dem Staat erheblich stärkere Kontrollmöglichkeiten über die Wirtschaft ein, vor allem in der Erdölbranche. Immerhin 40 Prozent der Wirtschaftskraft Ecuadors hängen von dem Handel mit Erdöl ab. Auch in der Hauptstadt Quito wird der Verfall der Weltmarkpreise für diesen wichtigsten Energieträger deswegen mit Sorge beobachtet. Bislang aber hat der Preisverfall die Sozialprogramme der Regierung Correa nicht gefährdet.

Seine Regierung stehe auch weiterhin für garantierte Bildung, Unterkunft, Arbeit, Gesundheit und Wohlstand, so Correa am Wahlabend. Seine politischen Widersacher rief er zu einem "nationalen Dialog" auf. Bei künftigen Debatten um den Fortgang der "Bürgerrevolution" seien aber auch neue Foren der direkten, partizipativen Demokratie gefordert. Bereits in den vergangenen Jahren waren im ganzen Land Bürgerversammlungen gegründet worden.

Nach den Wahlen am Sonntag hat Correa gute Voraussetzungen, seine Ziele durchzusetzen. Er kann weitere vier Jahre im Amt bleiben. Er könnte sich dann - anders als bisher - zur Wiederwahl stellen. Und er hat eine breite Parlamentsmehrheit hinter sich.

Dennoch sorgte auch der Stimmzuwachs für den ehemaligen Präsidenten und jetzigen Gegenkandidaten Lucio Gutiérrez für eine Überraschung. Gutiérrez und seiner Partei Sociedad Patriótica (4) waren rund 15 Prozent der Stimmen vorhergesagt worden. Am Sonntagabend entfielen auf ihn dann 31 Prozent. Ein beachtlicher Zuwachs, denn Gutiérrez war erst 2005 inmitten sozialer Proteste seines Amtes enthoben worden.

Gesprächsangebot an politische Gegner

Dennoch sind kritische Stimmen in Ecuador eher rar. Angesichts der sozialen Erosion ist die alte Parteienlandschaft weitgehend zusammengebrochen. Die Oberschicht verfügt über keine starke Gruppierung mehr, um ihre Interessen durchzusetzen. Auch Gutiérrez relativ gutes Ergebnis lässt nicht auf eine geschlossene Anhängerschaft schließen. Auf ihn entfielen die Stimmen derjenigen, denen Correas zunehmend enges Bündnis mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez suspekt ist.

Wie beckmesserisch solche Meinungen mitunter sind, wurde auch am Tag nach der Wahl deutlich. Der inzwischen sechste Wahlsieg des Regierungschefs bedeute nicht einen Zuwachs an Demokratie, sagte der "unabhängiger Analyst" Ernesto Albán Gómez gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Albán Gómez wies zur Bestätigung seiner Kritik auf eine vermeintliche Zentralisierung der Regierungsmacht hin.

Die Ankündigungen des Wahlsiegers aber widersprechen solchen Warnungen. Eine der anstehenden Reformmaßnahmen sei die "Regionalisierung des politischen Systems", erklärte Correa gegenüber internationalen Pressevertretern am Wahlabend. Ziel dieser Umstrukturierung sei zudem die "Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen". Nur so könne eine direkte Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen gewährleistet werden.

Auch gegenüber seinen politischen Gegnern zeigte er sich versöhnlich: "Uns wird immer mehr einen als spalten", wird Correa von der staatlichen venezolanischen Nachrichtenagentur ABN zitiert (5): "Wir laden alle ein, ein Abkommen über die politische Programmatik zu schaffen." Wenn man in den Zielen übereinstimme, könne man zusammenarbeiten, so Correa zu seinen Kritikern. Meinungsdifferenzen könnten und müssten demokratisch diskutiert werden.

Kurs gegen IWF und Weltbank bestärkt

Angesichts der internationalen Wirtschaftslage wird Ecuadors Präsident außenpolitisch wohl auch weiterhin auf eine Zusammenarbeit mit den übrigen linksgerichteten Staaten der Region setzen. Seine Regierung ist zwar noch kein Mitglied der anti-neoliberalen Länderallianz Bolivarische Alternative für Amerika ( ALBA (6)). Zu erwarten ist aber, dass Ecuador, das derzeit einen Beobachterstatus in der ALBA innehat, demnächst eine Vollmitgliedschaft beantragt.

Entsprechend aufmerksam wurde am Wahlabend die Grußnote des venezolanischen Staatschefs und ALBA-Mitbegründers Hugo Chávez wahrgenommen. Der von der Bevölkerung legitimierte Reformprozess in Ecuador habe den Weg zu einer "demokratischen Neugründung" dieses Landes "auf friedlichem Weg" geebnet, heißt es in einer Erklärung Chávez'. Bis Ende Mai wolle er in Ecuador mit seinem wieder gewählten Amtskollegen zusammenkommen. Dann würden beide eine Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit besprechen. Dies betreffe nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Frage der Energiesicherheit sowie politische und kulturelle Angelegenheiten.

Die Allianz zwischen der nun gestärkten Regierung Ecuadors und dem Kopf der Bolivarischen Revolution Venezuelas wird vor allem in Washington mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.

Denn trotz offensichtlicher Differenzen in der politischen Kultur eint Quito und Caracas die Ablehnung der neoliberalen Finanzinstitutionen. Weltbank und der Internationaler Währungsfonds (IWF) werden von beiden Staatsführungen für einen Teil der sozialen Misere in der Region verantwortlich gemacht. Rafael Correa setzt deswegen ebenso wie Hugo Chávez auf den Aufbau regionaler, also regional kontrollierter, entwicklungspolitischer Institutionen. Beide Staaten setzen sich auch für eine politische Integration der südamerikanischen Staatengemeinschaft ein.

Trotz der jüngsten diplomatischen Annäherung der US-Regierung an ihre Nachbarn im Süden des amerikanischen Kontinents liegen hier offensichtliche Differenzen ( Freundschaftsoffensive in Amerika (7)). Bei den Verhandlungen um die Abschlusserklärung (8) des Amerika-Gipfels hatten US-Vertreter darauf gedrängt, die Rolle von Weltbank und IWF positiv hervorzuheben. Ecuador war einer der vehementesten Kritiker eines solchen finanzpolitischen Revisionismus. Und nach diesem Sonntag kann sich Rafael Correa in seiner Politik bestätigt fühlen.

LINKS:

  1. http://www.presidencia.gov.ec/
  2. http://www.alianzapais.com.ec
  3. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28838/1.html
  4. http://www.sociedadpatriotica.com
  5. http://www.abn.info.ve/noticia.php?articulo=179378&lee=1
  6. http://www.alternativabolivariana.org
  7. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30159/1.html
  8. http://www.summit-americas.org/V_Summit/decl_comm_pos_en.pdf

Den Originaltext des Onlinemagazins Telepolis finden Sie hier.