Venezuela

Chávez will Ende der alten Demokratie

In Venezuela strebt die Regierung die Aufhebung der generellen Amtszeitbeschränkung an

In Venezuela gewinnt die Auseinandersetzung zwischen Parteien der linksgerichteten Regierung und der Opposition um eine geplante Verfassungsänderung an Schärfe. Der Streitpunkt: die generelle Aufhebung der Amtszeitbeschränkung.

Bis Ende März sollen die Würfel fallen. Bis dahin will die Staatsführung um Präsident Hugo Chávez über die Revision des Artikels 230 abstimmen lassen. Derzeit lässt dieser Passus nur eine Wiederwahl des Staatschefs zu. Demnach dürfte Chávez bei den kommenden Präsidentschaftswahlen 2012 nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren. Für eine weitere Eskalation des Streits sorgt nun der Vorschlag des Staatsoberhauptes, die Amtszeitbeschränkung auch für Gouverneure, Bürgermeister und Parlamentsabgeordnete aufzuheben.

Seine Regierung strebe diese Ausweitung an, "damit das gleiche Recht und die gleiche Dynamik für alle Amtsträger gilt", sagte Chávez dieser Tage in Caracas. Die Änderung werde zugleich das "Ende der alten Demokratie" markieren. "Hinter diesem Vorschlag steht der beabsichtigte Bruch mit dem demokratischen Modell, das als liberal, klassisch oder bürgerlich bezeichnet wird", sagte er weiter.

Die Beschränkung politischer Posten auf zwei Amtszeiten sollte schon Ende 2007 aufgehoben werden. Der Vorschlag war damals Teil einer umfassenden Verfassungsreform über 69 Artikel. Die Neuordnung wurde jedoch in einer Volksabstimmung von einer knappen Mehrheit abgelehnt. Bei der aktuellen Initiative, so heißt es in Venezuela von Regierungsseite, handele es sich keineswegs um eine neue Reform, sondern nur um eine geringfügige Abänderung des Grundgesetzes. In diesem Januar noch soll das Vorhaben von der Nationalversammlung (Parlament) in zweiter Lesung beraten und verabschiedet werden. Danach hätte der Nationale Wahlrat 30 Tage Zeit, eine Volksabstimmung einzuberufen.

Die Opposition läuft gegen das Projekt indes Sturm. Chávez strebe eine "Präsidentschaft auf Lebenszeit" an, sagte der Sprecher der rechtsgerichteten Partei Un Nuevo Tiempo (Eine Neue Zeit), Omar Barboza. Venezuela werde dann wie Kuba, "wo die Menschen bis zum Ableben von Fidel Castro und seinem Bruder (Raúl Castro, d. Red.) warten müssen". Auch der Generalsekretär der sozialdemokratisch orientierten Acción Democrática (Demokratische Aktion), Henry Ramos, warnte vor einer "lebenslangen Amtszeit" des aktuellen Staatschefs. Henrique Salas Feo, der oppositionelle Gouverneur des Bundesstaates Carabobo, lehnte die Änderung des Artikels 230 der Verfassung ebenfalls ab. In diesem Fall würde eine politische Erneuerung dauerhaft verhindert, sagte der Christdemokrat.

Der Erste Vizepräsident der Nationalversammlung, Saúl Ortega, trat der Kritik jetzt entgegen. Die Opposition wende sich "aus Gewohnheit" gegen jeden Vorschlag aus den Reihen der Staatsführung, sagte der Abgeordnete der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei. Auch wies er Darstellungen zurück, nach denen die Regierung eine neue Verfassungsreform anstrebe. Schließlich, so auch Ortega, solle nur ein Artikel verändert werden.

Kommunikations- und Informationsminister Jesse Chacón sah durch die geplante Änderung gar die Demokratie gestärkt. Die Bevölkerung habe dann schließlich "mehr Wahlrecht", meinte Chacón. Mit der neuen Regelung werde nur noch die Beurteilung der Regierungsführung durch das Volk zählen, sagte er weiter, um dann einen fragwürdigen Vergleich zu ziehen: Auch in EU-Staaten wie Deutschland oder Spanien gebe es keine Beschränkungen für Inhaber politischer Ämter. Die so gewährleistete Kontinuität habe dort zum Fortschritt beigetragen.

Die Parteien der Opposition wendeten sich gegen die Initiative, weil sie nach wie vor über wenig politischen Rückhalt verfügten, so Chacón: "Sie haben keine Führung bilden können, um Chávez (bei den kommenden Präsidentschaftswahlen 2012, d. Red.) etwas entgegenzusetzen", sagte der Minister.

Die Regierungsgegner versuchen indes, die Abstimmung mit technischen Einwänden zu verhindern. Der Nationale Wahlrat müsse Einschreibungen neuer Wähler noch zulassen, forderten mehrere Parteien. Der Vorsitzende des Wahlgremiums, Germán Yépez, zeigte sich gesprächsbereit. Einer solchen Aktualisierung stehe nichts im Wege, sagte er in der nationalen Presse.


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