Stellungnahme zu ermordeten Gewerkschaftern in Kolumbien

Nichtregierungsorganisationen wenden sich in einem offenen Brief an Abgeordnete des EU-Parlaments

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Der ermordete Nestlé-Arbeiter und Gewerkschafter Oscar López Triviño
Der ermordete Nestlé-Arbeiter und Gewerkschafter Oscar López Triviño

Berlin, Bochum, Hamburg, Wuppertal, den 21. November 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor knapp einem Jahr, am 11.Dezember 2012, ist im Europäischen Parlament, wie Sie wissen, das Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru verabschiedet worden. Am 3. Mai wurde dann im Deutschen Bundesrat die Zustimmung zu dem Abkommen erteilt, obwohl eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften auf die prekäre Menschenrechtslage in Kolumbien hingewiesen und zur Ablehnung des Vertrages aufgefordert haben. Mit dem Hinweis auf eine Menschenrechtsklausel ist das Abkommen dann durchgegangen.

Wir möchten Sie darüber informieren, dass es in den letzten Monaten in Kolumbien wieder mehrere Morde an Gewerkschaftern und Menschenrechtsaktivist_innen gegeben hat.

Am Samstag, den 9. November, wurde in der Stadt Bugalagrande um 20:30 OSCAR LÓPEZ TRIVIÑO (s. Foto) mit vier Schüssen ermordet. Er war seit 25 Jahren bei NESTLÉ Kolumbien beschäftigt und Mitglied der Lebensmittelgewerkschaft SINALTRAINAL. Eine Woche zuvor, am 2. November wurde CESAR GARCIA erschossen, am 30. September ADELINDA GÓMEZ GAVIRIA. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit. Andere erhielten Morddrohungen oder wurden verhaftet.

Das kolumbianische Gewerkschaftsinstitut (Escuela Nacional Sindical, ENS) führt in seinem Bericht zur Lage aus, dass 93,4 Prozent der Morde und fast alle Drohungen gegen Gewerkschafter straffrei bleiben. Wie im Falle des Nestlé-Gewerkschafters vor wenigen Tagen werden die Morde oftmals im Zusammenhang mit Tarifauseinandersetzungen mit großen transnationalen Konzernen von paramilitärischen Gruppen begangen. Sie schwingen sich zum Verteidiger der Firmeninteressen auf.

Laut der kolumbianischen Regierung dürfte es keine paramilitärischen Verbände mehr geben. Aber auch da sieht die Realität anders aus als die Verlautbarungen. Während einige ihre Waffen abgaben, haben sich andere reorganisiert. Sie terrorisieren wie zuvor scheinbar unbehelligt diejenigen, die die soziale Realität in Kolumbien, dessen soziale Ziffern deutlich schlechter sind als der Durchschnitt in Lateinamerika, verändern wollen.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Sinaltrainal, Javier Correa, fragt in seinem Brief vom 9.11.2013 an den CEO von Nestlé, Paul Bulcke: "Wie viele Todesdrohungen haben wir noch auszuhalten, um gehört zu werden, wie viele unserer Mitglieder müssen noch ermordet werden, bis Sie verstehen, dass wir nicht aufhören werden zu protestieren und auf die Einhaltung unserer Rechte bestehen? Wie viele Grausamkeiten werden die Arbeiter von Nestle, die in unserer Gewerkschaft organisiert sind, noch erleiden müssen, bis Sie verstehen, dass Sie uns mit Gewalt nicht beugen werden?"

Diese Frage geben wir weiter an Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Wir hoffen sehr, dass Sie den Worten der Menschenrechte auch Taten folgen lassen und den Klauseln auch zur Materialisierung verhelfen. Wir würden uns freuen, wenn Sie in diesem Sinne bei der kolumbianischen Regierung vorstellig würden und eine tatsächliche Verbesserung für die Verfolgten in Kolumbien erreichen.

Mit vielem Dank und freundlichen Grüßen,

AK Internationalismus der IG Metall Berlin, BaSo (Basisinitiative Solidarität), Bundeskoordination Internationalismus, JourFixe Gewerkschaftslinke Hamburg, Kolumbienkampagne Berlin, LabourNet Germany