Brasilien: "Die Wahl ist vorbei, aber der Kampf fängt gerade erst an"

Erste Stellungnahmen der Widerstandsbündnisse Frente Brasil Popular und Frente Povo sem medo sowie der Kommunistischen Partei Brasiliens nach dem Wahlsieg des Ultrarechten Bolsonaro

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Demonstration mit mehreren zehntausend Menschen am 30. Oktober in São Paulo. Seit dem Wahlsieg Bolsonaros reißen die Proteste in Brasilien nicht mehr ab
Demonstration mit mehreren zehntausend Menschen am 30. Oktober in São Paulo. Seit dem Wahlsieg Bolsonaros reißen die Proteste in Brasilien nicht mehr ab

Die Brasilianische Volksfront (Frente Brasil Popular) und die Front Volk ohne Angst (Frente Povo sem medo):

Wir leisten weiterhin erhobenen Hauptes Widerstand für Brasilien!

Wir haben einen völlig untypischen Wahlprozess erlebt. Seit dem Ende der Militärdiktatur war kein Anführer in politischer Gefangenschaft wie Luiz Inacio Lula da Silva jetzt, der zu Unrecht verurteilt wurde und dessen Kandidatur vom Obersten Wahlgericht angefochten wurde. Ein Prozess, in dem Kräfte, die bis dahin in den Kellern des Landes agierten beim Kampf um die Präsidentschaft auftauchten und eine große Welle von Hass und Gewalt gegen das brasilianische Volk auslösten.

Unsere Kandidatur war eine demokratische Antwort auf die Willkür, die das politische Szenarium seit dem parlamentarischen Staatsstreich, der Präsidentin Dilma Rousseff 2016 stürzte, vergiftet hat. Wir sind mit Beschimpfungen und Niederträchtigkeiten konfrontiert, die von Strömungen praktiziert werden, die sich schäbigen antipopularen, antidemokratischen und anti-nationalen Interessen verschrieben haben.

Die Wahl von Bolsonaro stellt einen politischen Bruch dar, dessen Merkmale schon sichtbar sind in der Ermordung von Marielle1, von Moa do Katendê - Schwarzenführer, Capoeirista in Bahia, Charlione - einem jungen Mann aus Ceará, der noch gestern an einer Wahlkarawane zur Unterstützung des Kandidaten Haddad teilgenommen hat. Sie bedrohen unser Leben, weil wir für ein gleichberechtigtes und gerechtes Land kämpfen.

Selbst unter Kugeln haben wir Widerstand zur Verteidigung der nationalen Souveränität geleistet, die in den vergangenen zwei Jahren auf so viele Arten verletzt wurde. Geschützt durch Sektoren des Justizsystems und die Monopolmedien hatte der der Abgeordnete und Kandidat Bolsonaro freie Hand, seine Lügenmaschine mit Schwarzgeld zu finanzieren, Gewalt gegen seine Gegner anzustiften, öffentlichen Debatten zu entfliehen und Wahlgesetze zu umgehen.

Diese Kräfte kamen durch Betrug und Schauergeschichten, durch Manöver, die noch Gegenstand von Untersuchungen und Verfahren sind, an die Präsidentschaft der Republik. Trotz der vielen Hindernisse organisierte unser Bündnis einen starken Widerstand im ganzen Land, der zur Durchführung der zweiten Wahlrunde und zu einer großartigen Bewegung zur Verteidigung der Zivilisation gegen die Barbarei, der Demokratie gegen die Diktatur, der Liebe gegen den Hass führte.

In dieser zweiten Runde, die gestern zu Ende ging, demonstrierten Männer und Frauen aus allen Bereichen für die Verfassungssäulen unseres Landes. Dieser Tag wäre ohne das Engagement und den Mut der sozialen Bewegungen und der demokratischen Bereiche der Gesellschaft niemals möglich gewesen.

Wir werden weiterhin die Verfassung, die soziale Vielfalt, die Rechte aller, ein Brasilien von allen verteidigen und die Gefahr der Diktatur, die Beseitigung der sozialen Errungenschaften, den Verkauf des öffentlichen Vermögens, den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen, Rassismus und Frauenverachtung, Homophobie und die Bedrohung der institutionalisierten Gewalt bekämpfen.

In diesem Moment ist es von grundlegender Bedeutung, gemeinsam weiterzumachen und zusammenzuhalten für Demokratie, nationale Souveränität und unsere Rechte.

Wir müssen nicht in Angst verfallen lassen, denn wir haben einander. Im Gegensatz zu dem, was sie denken, wird sich das brasilianische Volk zu wehren wissen.

28. Oktober 2018

Frente Brasil Popular (Brasilianische Volksfront)

Frente Povo sem medo (Front Volk ohne Angst)

28. Oktober 2018

Quelle: https://cmlk.org/article/la-eleccion-termino-pero-la-lucha-esta-apenas-come/


Die Kommunistische Partei Brasiliens:

Der Widerstand und die Verteidigung der Demokratie beginnen jetzt sofort! Für ein breites Bündnis zur Verteidigung der Demokratie, Brasiliens und der Rechte des Volkes

Der Sieg von Jair Bolsonaro bei den Präsidentschaftswahlen kennzeichnet den Beginn einer neuen politischen Etappe im Land, die von Bedrohungen der Demokratie, des nationalen Erbes, der Souveränität und der Rechte des Volkes geprägt ist. Ein Präsident wurde gewählt, der erklärtermaßen entschlossen ist, eine diktatorische Regierung zu etablieren, um mit Feuer und Schwert ein ultraliberales und neokoloniales Programm umzusetzen.

Die Kandidatur von Fernando Haddad zum Präsidenten und Manuela d‘Ávila zur Vizepräsidentin hat mehr als 47 Millionen Stimmen erzielt, das demokratische Bewusstsein der Nation befördert, und eine nun beginnende starke Opposition begründet.

Es gibt einen Umschwung zum Rückschritt, zum Abbau und sogar zur Zerstörung der historischen Errungenschaften, auf denen trotz aller bestehenden schweren Probleme Brasilien aufgebaut wurde und das Volk erblühte.

Dies wurde in der Endphase des Wahlkampfs für die zweite Runde sehr deutlich, als die Institutionen der Republik einschließlich des Obersten Bundesgerichts (STF) und des Obersten Wahlgerichts (TSE) bedroht wurden. In derselben Weise wurden grundlegende Garantien der Bundesverfassung engegriffen, darunter die Presse-, Demonstrations- und Vereinigungsfreiheit. Die Autonomie der Universitäten wurde verletzt. Der neu gewählte Präsident war im Wahlkampf ein Befürworter der Gewalt, der Intoleranz und des Hasses zwischen den Brasilianern und schwor, die »roten« Bürgerinnen und Bürger, die mit ihm nicht einer Meinung sind, einzusperren oder aus dem Land zu vertreiben und Bewegungen und Einrichtungen des Volkes zu kriminalisieren.

Angesichts der Bedeutung Brasiliens – dessen Wirtschaft zu den zehn größten der Welt gehört – wird dieser reaktionäre Bruch n Lateinamerika massive rückschrittliche Auswirkungen haben.

Ausgangspunkt all dessen war der Putsch im August 2016, der nun mit der Machtübernahme durch die extreme Rechte konsolidiert wird. Das ist ein Einschnitt in der demokratischen Entwicklung, die 1985 nach dem Ende der Militärdiktatur wiederaufgenommen wurde. Die faschistisch geprägten Ankündigungen des gewählten Kandidaten entstammen dieser Zeit, sind jedoch mit den Kräften der Demokratie konfrontiert, die in dieser neuen politischen Situation sicher stärker werden.

Der Ablauf der Wahlen wurde durch illegale Anordnungen zugunsten der Kandidatur der extremen Rechten beeinflusst, ganz im Stil der sogenannten hybriden Kriegsführung, der den Einsatz einer großen Anzahl gefälschter Nachrichten (Fake News) beinhaltet, beinhaltet, welche laut Enthüllungen der Presse in krimineller Weise durch Großunternehmer finanziert wurden. Solche und andere Gesetzesbrüche haben das Ergebnis an den Urnen beeinflusst. Völlig zurecht werden sie durch die Wahljustiz untersucht und es sind gründliche und zügige Entscheidungen zu erwarten, die der Bedeutung der Ereignisse entsprechen.

Der Widerstand der demokratischen, fortschrittlichen, patriotischen und popularen Kräfte beginnt mit dem Rückhalt des von der Kandidatur Fernando Haddad – Manuela d‘Ávila erreichten Ergebnisses und der von Persönlichkeiten und Institutionen eingenommenen Haltung, die ihre Stimme zur Verteidigung der Demokratie und der Verfassung erhoben haben.

Der Widerstand, die wirkungsvolle Opposition, muss im gesamten politischen und gesellschaftlichen Leben des Landes organisiert werden, angefangen beim Nationalkongress und den anderen gesetzgebenden Institutionen, und sie muss ausgeweitet werden auf die sozialen Bewegungen, die Organisationen der Arbeiterklasse, Teile der Unternehmerschaft, das akademische Universum, die Intellektuellen, Künstler, die Judikative, religiöse Gruppen und auch Angehörige der Institutionen der Republik. Die Gouverneure und Präfekten des demokratischen Lagers werden eine wichtige Rolle dabei spielen.

In dieser neuen Realität, die einen Bruch des in der sogenannten Neuen Republik begonnenen demokratischen Entwicklungszyklus darstellt, beteiligt sich die Kommunistische Partei Brasiliens (PCdoB) entschieden an der Verteidigung der Nation, der Demokratie und des Volkes, wie sie es in ihrer Geschichte immer getan hat.

Die Kommunistische Partei Brasiliens mit ihrer fast hundertjährigen Geschichte kämpfte gemeinsam mit den anderen fortschrittlichen Kräften des Landes gegen alle autoritären und tyrannischen Regierungen und Regime, die sich in der Republik etabliert haben. Auf der Basis dieser Erfahrungen übermittelt sie dem brasilianischen Volk die Gewissheit und die Zuversicht, dass es Bolsonaro trotz der schweren Gefahren, die sich am Horizont für das Land abzeichnen, nicht leichtfallen wird, die brasilianische Demokratie zu begraben. Diese hat sich tief im Boden des Heimatlandes verwurzelt, sie kostete die Nation viele Kämpfe und Menschenleben. Schritt für Schritt wird sich, ausgehend von den Millionen und Abermillionen die für Haddad und Manuela gestimmt und ihre Kandidatur unterstützt haben, eine Mehrheit zur Verteidigung der Demokratie erheben, und sie wird ein weiteres Mal gewinnen.

Deshalb wendet sich die PCdoB mit dem Aufruf an die demokratischen Kräfte des Landes, mit dem heutigen Tag den Aufbau einer breiten Einheit zu beginnen, um Horizonte für eine patriotische, demokratische Kampagne des Volkes zur Verteidigung der Demokratie Brasiliens und der Rechte des Volkes zu beginnen und Barrieren gegen die Rückkehr eines Regimes des Ausnahmezustandes zu errichten.

São Paulo, 28. Oktober 2018

Kongressabgeordnete Luciana Santos
Vorsitzende der Kommunistischen Partei Brasiliens – PCdoB
Nationale Exekutivkommission der Kommunistischen Parte Brasiliens – PcdoB

Quelle: https://renatorabelo.blog.br/2018/10/28/pcdob-resistencia-e-defesa-da-democracia-comecam-ja/

  • 1. Marielle Franco, lokale Abgeordnete der Sozialistischen Partei in Rio de Janeiro, wurde bei einem gezielten Angriff Mitte März 2018 in ihrem Dienstwagen erschossen. Der Fahrer kam dabei ebenfalls ums Leben