Handyfeuchtgebiete: Wie ein Journalist das "Schwanzofon" erfand

...das bei genauer Betrachtung in ein Nichts zusammenfällt

"Männer sind Schweine" – das wissen wir Dreibeine, seitdem die "Ärzte" das musikalisch heraus posaunt haben - und dass wir gemeinhin als "schwanzgesteuert" gelten, daran erinnert uns das andere Geschlecht allzu gerne bei passender Gelegenheit. Daher wird dieser Blogeintrag sicherlich die einschlägige innerweibliche Diskussion beflügeln, obwohl er eigentlich in die Rubrik "Desinformation gegen Venezuela" gehört. Der Bericht "Chávez blamiert sich mit Volkshandy" markiert einen neuen Tiefpunkt in der negativen Berichterstattung über Venezuela, der das Niveau auf die Höhe des männlichen Geschlechts eicht. Hier reicht keine sachliche Reaktion mehr, hier ist der Mann gefragt, der seinem Geschlechtsgenossen mal die Leviten liest, denn schließlich geht es um nichts geringeres als um das "Schwanzofon", einer Wortschöpfung, die nicht etwa einem Porno-Blättchen entfleucht ist, sondern der konservativen österreichischen Tageszeitung "Die Presse" entstammt.

Das in der Alpenrepublik produzierte Blatt erweckt mit dem zitierten Artikel den Eindruck, als wolle es Männern als Alternative zu den von Frauen beherrschten "Feuchtgebieten" eine eigene publizistische Spielwiese bieten, auf der sie ihre "schwanzgesteuerten" Phantasien ausleben können. Unterschwellig spielt da sicherlich die Konkurrenz des Macho Austríaco zum Macho Latino eine wesentliche Rolle, wobei sich letzterer weder kopieren und schon gar nicht einfügen lässt und daher in seiner österreichischen Variante zur Witzfigur mutiert. Letztere firmiert unter dem Namen Andreas Fink, seines Zeichens Venezuela-Korrespondent von "Die Presse" und Schöpfer des neudeutschen Worts "Schwanzofon".

Anscheinend sind den Spindoctors der negativen Venezuela-Berichterstattung die "Fakten, Fakten, Fakten" ausgegangen, mit denen sie sonst ihre Falschmeldungen zu neuer Größe anwachsen lassen. Unbestätigten Berichten zufolge, griffen sie voller Frust zu den kleinen blauen Pillchen, denn anders läßt sich nur schwer erklären, warum die Anti-Chávez-Journaille neuerdings die schreibende Hand unterhalb der Gürtellinie hantieren lässt.

Das aktuelle Objekt der Begierde ist jenes besagte "Volkshandy", das seit Mitte Mai in Venezuela auf dem Markt ist. Das Besondere an ihm ist keineswegs die Form: es ist so quadratisch und platt wie jedes andere Mobiltelefon neuster Generation auch. In seiner Ausstattung entspricht es dem technischen Standard. Aber was die Konkurrenz in Industrie und Politik neidisch macht, ist der Preis von elf Euro für ein internet-, photo- und mp3/4-fähiges Radiohandy. Und das alles ist "made in Venezuela" dank chinesischer Technik. Zu allem Überdruss funktioniert es auch noch - obwohl es in einem auf Sozialismus orientiertem Land gebaut wurde. Also muss publizistisch dagegen geschossen werden, egal mit welcher Substanz und ohne Rücksicht auf journalistische Mindeststandards.

Am 19. Mai 2009 zeigte Andreas Fink der deutschsprachigen Medienwelt seinen Maßstab der neuen Niveaulosigkeit, indem er geradezu aufklärerisch schrieb:

"'Vergatario' taufte Präsident Hugo Chávez persönlich das neue, günstige 'Volkshandy', das seit Kurzem in Venezuela verkauft wird. Im Dialekt der venezolanischen Ölmetropole Maracaibo bedeutet 'Vergatario' zwar etwa das Gleiche wie das wienerische 'leiwand' oder so etwas wie 'cool'; nur hat es eine tiefer liegende Bedeutung: Vergatario kommt von 'Verga'. Das steht an sich für so etwas wie ein längliches Stück Holz. 'Latte' wäre passend. Und so wundert nicht, dass 'Verga' in der spanischsprachigen Welt gemeinhin etwas ganz anderes bedeutet: Es ist ein verflixt ordinärer Ausdruck für den Penis.

Den Namensgeber stört das nicht: Jüngst zückte Chávez im TV einen Apparat in rot-weißem Design und rief Mutter an. 'Mama, das ist mein erster Anruf von meinem Vergatario, hast du deines auch schon gekriegt?', fragte der Exfallschirmjäger. Mamas Antwort wurde nicht übertragen – deshalb ist unklar, ob Doña Elena die rüde Vokabel, die man trefflich mit 'Schwanzofon' übersetzen könnte, ebenfalls in den Mund nahm.

Vielen fällt das nicht leicht: Die konservative Zeitung 'El Universal' animierte ihre Leser zu einem Experiment: 'Sagen Sie <Vergatario> vor einem Spiegel. Betonen Sie diese Obszönität langsam, Silbe für Silbe. Und beobachten Sie Ihren Gesichtsausdruck.'"

Ein Schelm, wer bei Finks O-Ton denkt, wie der österreichische Venezuela-Korrespondent wohl aussehen mag, wenn er vor dem Spiegel steht, sein "Schwanzofon" in den Mund nimmt und versucht, unter langsamer Betonung der Obszönität das Wort – wahlweise auf hochdeutsch oder wienerisch, auf spanisch oder vielleicht sogar auf französisch - auszusprechen. Dass El Universal eines der entschiedensten Anti-Chávez-Blätter ist, verrät Fink seiner Leserschaft nicht. Der Journalist und das Putschistenblatt liegen also auf derselben Wellenlänge, über die bevorzugte Stellung ist nichts bekannt, außer dass sie sich weit unterhalb der Gürtellinie befindet.

Zuguterletzt fabuliert Fink über den Verkauf des Handys im Ausland:

"Ob die Exportware den venezolanischen Namen behält, ist unklar: Für kaum einen Latino außerhalb Venezuelas ist die Bezeichnung wirklich 'cool'. Aber alle kennen Verga. Und 'Verguenza': Das bedeutet Schande."

Wenn man im Glashaus sitzt - in diesem Fall müsste das wohl eher eine Peepshow-Kabine sein – dann sollte man nicht mit Steinen werfen. Die Scherben können kastrierend wirkend, wie Fink selbst beweist: auf der Strecke zwischen Venezuela und Österreich sind ihm zwei sehr wichtige Punkte abhanden gekommen – die Rede ist natürlich nur von den beiden Punkten, die zum "ü" in "vergüenza" gehören, wenn man(n) es richtig schreiben will. Wahrlich welch orthographische "Genitalverstümmelung" an dem schönen Wort, das der Österreicher eunuchengleich zusammengestutzt hat und das so korrekt nur noch "vergenza" ausgesprochen werden kann. Aber solch ein Wort kennt das Spanische nicht. Damit ist wieder mal bewiesen, wie wichtig es ist, immer zwei Punkte an der richtigen Stelle zu haben…

Der Verlust ist umso peinlicher, da man von Lateinamerika-Korrespondenten erwarten kann, dass sie wenigstens das (Hoch-)Spanische fest im Griff haben, bevor sie in sprachliche Niederungen herabsteigen. Fink hätte seinen Absturz vermeiden können, wenn er, der geistige Erfinder des "Schwanzofons", einen Blick ins elektronische Wörterbuch der Real Academia de la Lengua Española (RALE) geworfen hätte, anstatt sich von den meist in die Irre führenden Informationen von El Universal beim Gang durch dessen sprachliche Feuchtgebiete leiten zu lassen. Sicher, die Lektüre des "Diccionario" der RALE ist vielleicht nicht so erregend wie die der Kamasutra, aber ein Blick in das Wörterbuch verhindert, dass der geistige Erguss zu früh kommt und man(n) sich im entscheidenden Augenblick blamiert.

Der Männlichkeit tut es keinen Abbruch, sich fortzubilden. Bereits José Martí lehrte: "ser cultos para ser libres" (gebildet sein, um frei zu sein). Diese Maxime haben die Kubaner in ihrem Bildungswesen umgesetzt und beherzigen sie, wenn sie das verbale Vorspiel eröffnen. Darin sind sie Meister. Wer die hohe Kunst des Flirtens auf Spanisch erlernen will, sollte bei ihnen Unterricht nehmen. Und dabei ist es vorteilhaft - wenn man auch sprachlich seinen Mann stehen will – zu wissen, was die RALE über "vergatario" schreibt.

Die Real Academia verzeichnet das Wort als ein Adjektiv, das aus der venezolanischen Vulgärsprache kommt und zwei Bedeutungen besitzt. In Bezug auf eine Person hebt es diese aufgrund irgendeiner ihrer Qualitäten besonders hervor, vor allem aber wegen ihres Mutes oder ihrer Kraft. Im Zusammenhang mit einer Sache bedeutet "vergatario" nichts weiter als "optimal". Über die Herkunft des Wortes sagt die RALE nichts. Folglich heißt "el vergatario" in diesem Kontext schlicht und ergreifend "das Optimale". Eine ernüchternde Erkenntnis, wenn man sieht, wie schnell so ein journalistisch aufgeblasenes "Schwanzofon" in sich zusammenfällt. Letzteres schrumpft sogar noch weiter, wenn man Finks Erklärung von "verga" überprüft.

Das Wort "verga" hat mindestens sieben verschiedene Bedeutungen, von denen nur eine "Penis" meint. Warum sich Fink nur auf "Latte" beschränkt, ist anscheinend ein Geheimnis, das er seiner Leserschaft nicht mitteilen möchte. Dabei hatte doch schon die britische Tageszeitung "The Guardian" am 10. Mai 2009 in ähnlicher Form über das Handy berichtet und dabei nicht vergessen zu erwähnen, dass "vergatario" gleichfalls "exzellent" bedeutet. Es geht also auch anders, aber dafür bedarf es Techniken, die jenseits der Reichweite von Finks "Schwanzofon" liegen. Aber manche Männer sind ja auch mit weniger zufrieden.