Wieder keine Gegeninformationen in der deutschen Le Monde diplomatique

Widersprüche in den Darstellungen bezüglich der Ermordung von FARC-Kommandant Raul Reyes verschwiegen

Seit Monaten sorgt der Konflikt um die Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) weltweit für Schlagzeilen. Seit Anfang März der FARC-Kommandant Raúl Reyes auf ecuadorianischem Boden ermordet wurde, ist es sogar fast zu einem bewaffneten Konflikt gekommen. International wurde das Säbelrasseln von einer Medienkampagne begleitet, die ihresgleichen sucht. Der Grund: In dem Lager des getöteten Reyes sollen angeblich Laptops und Speichermedien gefunden worden seien, die belastendes Material über linke Gruppen und Parteien in aller Welt enthalten. Auch die Kontakte zwischen Venezuela und Ecuador mit der Rebellenorganisation wurden angeblich bewiesen. Angeblich? Ja, denn Beweise gibt es nicht. Alle entsprechenden Nachrichten stammen vom kolumbianischen Geheimdienst.

Der neue Chefredakteur der französischen Wochenzeitung Le Monde diplomatique, Maurice Lemoine, hat die Widersprüche in den Darstellungen der kolumbianischen Regierung und der Medien von El País bis zur Washington Post zusammengefasst. Sein Artikel erschien in der Juli-Ausgabe der "Diplo" in Frankreich – nicht aber in der Deutschland-Ausgabe. Und auch nicht in der deutschsprachigen Ausgabe in der Schweiz.

Dass der Artikel von Maurice Lemoine aus beiden deutschsprachigen Ausgaben gestrichen wurde, ist kein Einzelfall. Vor genau einem Jahr, im Juli 2007, entschied sich die deutsche Redaktion im Gebäude der tageszeitung (taz) gegen den Abdruck eines Textes von Hernando Calvo Ospina. Der kolumbianische Journalist hatte kritisch über die Verwicklungen der Organisation Reporter ohne Grenzen mit US-Regierungs- und Geheimdienstkreisen berichtet. Zur Entscheidung der deutschen "Diplo"-Redaktion dürfte beigetragen haben, dass sie mit der kritisierten Organisation zusammenarbeitet. Die Reporter ohne Grenzen haben in der hiesigen Ausgabe jeden Monat eine feste Kolumne, in der sie ihre politischen Stellungnahmen verbreiten.

Im August 2007 dann fehlte in der deutschen Ausgabe der Leitartikel des damaligen Chefredakteurs Ignacio Ramonet. Thema: Der Umgang der Medien mit Venezuela. Die Erklärung dafür war recht dürftig. Und nun, im Juli 2008, sucht man also vergebens nach dem Hintergrundartikel von Ramonets Nachfolger Lemoine. Zufall oder Zensur?

Erschienen ist der Artikel übrigens doch noch – bei dem Internetmagazin Hintergrund.de. Es ist der neueste Eintrag in der dortigen Kolumne mit dem Titel "Le Monde diplomatique: Was nicht in der deutschen Ausgabe steht ...".