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Wahlsieg Trumps in den USA: Ein Graben in der Mitte

Für Washington ist Lateinamerika eine Region mit exklusivem Zugang für die USA, aus der "bösartige Fremde" mit allen Mitteln verjagt werden müssen

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Höchstwahrscheinlich wird Trump die Blockade gegen Kuba weiter verschärfen und die Sanktionen gegen Venezuela ausweiten
Höchstwahrscheinlich wird Trump die Blockade gegen Kuba weiter verschärfen und die Sanktionen gegen Venezuela ausweiten

Die klare Niederlage von Kamala Harris bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen in den USA zeigt zum x-ten Mal, dass lauwarme, gemäßigte und ausweichende Vorschläge, wie die der demokratischen Kandidatin, der sichere Weg zu einer vernichtenden Wahlniederlage sind, wenn eine Gesellschaft von allgemeinen Spannungen beherrscht wird.

Die soziale Unzufriedenheit, die durch Frustrationen wirtschaftlicher oder politischer Art, durch von der herrschenden Klasse auf perverse Weise geschürte Ängste oder durch den Hass auf stigmatisierte soziale Gruppen ‒ im Falle der USA auf Einwanderer lateinamerikanischer Herkunft ‒ hervorgerufen wird, führt dazu, dass sich die Bürger zu denjenigen hingezogen fühlen, die am besten mit ihrer Wut und Frustration umgehen können. Und Trump erschien in den Augen von Millionen von Menschen als jemand, der bereit ist, diesem Zustand ein Ende zu setzen.

Fazit: Wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse von Unmäßigkeit geprägt sind, wird Mäßigung zur Sünde. Und die Kandidatin der Demokraten hat sie begangen.

Harris war sicherlich im Nachteil. Sie trat erst sehr spät in den Wahlkampf ein, Folge des unerwarteten Zusammenbruchs der Kandidatur von Präsident Joe Biden nach der verhängnisvollen Debatte mit Donald Trump. Erschwerend kam hinzu, dass ihre Amtszeit als Vizepräsidentin einen negativen Anstrich hatte, der wenig oder gar nichts dazu beitrug, ein in den Augen der Öffentlichkeit attraktives Image als Präsidentin aufzubauen.

Und eine Gesellschaft, die von den anhaltenden Katastrophenpredigten der Ultrarechten bombardiert wird, deren schlimmste Stammesinstinkte durch die verrückten Verschwörungsgeschichten von Trump und seinen Wortführern, die von einer "Invasion unerwünschter Ausländer" sprechen, geschürt werden, konnte kaum jemanden unterstützen, der angesichts ihres Status als US-Vizepräsidentin als mitverantwortlich für eine solch unglückliche Situation angesehen wird.

Die Demokraten und ihre Unterstützer im akademischen Establishment und im korrupten medialen Ökosystem waren zuversichtlich, dass die Bevölkerung, da die "Makrozahlen" positiv waren, ihre Machthaber mit der Bestätigung der Kontinuität der demokratischen Führung belohnen würde.

Aber wie wir in Argentinien nur zu gut wissen, hat die Tatsache, dass bestimmte "Makrozahlen" sehr günstig aussehen, wenig oder gar nichts mit den konkreten Lebensbedingungen in einer Gesellschaft zu tun.

Das gilt insbesondere für die USA, das Land mit der schlechtesten Einkommensverteilung unter den entwickelten kapitalistischen Staaten und gekennzeichnet durch eine anhaltende Zunahme der Ungleichheit.

Ein Beispiel: Der Vorstandsvorsitzende, der 1965 das Zwanzigfache dessen verdiente, was der durchschnittliche Arbeiter in seinem Unternehmen 2018 verdiente, hatte sein Einkommen um das 278-fache über das seiner Arbeiter gesteigert. Und diese Zahl stieg nach der Pandemie weiter an.

Die Haushalte der Mittelschicht, die 1970 noch 62 Prozent des Nationaleinkommens auf sich vereinigten, hatten 2018 nur noch einen Anteil von 43 Prozent. Mit Blick auf diese Zahlen sagte Bernie Sanders, wiedergewählter Senator aus Vermont, dass die Niederlage nicht überraschend sei, weil die Demokratische Partei die Arbeiterklasse im Stich gelassen habe und die Arbeiterklasse diese Partei, und weitgehend zur Anhängerschaft von Trump gewechselt sei.

Der selbstmörderische Schwenk der Demokraten nach rechts hat den Erdrutschsieg des Moguls begünstigt. In mehreren wichtigen Fragen war es sehr schwierig, den Unterschied zwischen ihm und seiner Gegnerin zu erkennen. Harris und der New Yorker Tycoon wetteiferten darin, wer den von Israel in Gaza, Libanon und Syrien begangenen Völkermord am nachdrücklichsten unterstützt. Harris war sogar noch kriegerischer als Trump, als es um die Situation in der Ukraine ging. Beide betrachten China als einen Feind der USA. Ihre Differenzen in der Einwanderungsfrage waren nuanciert, und keiner von beiden machte auch nur die geringste Anspielung auf die phänomenale Vermögenskonzentration der letzten Jahre, geschweige denn, dass sie eine Steuerreform vorschlugen, mit der sie diese abmildern könnten.

Die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten waren bei einem heiklen Thema wie der Abtreibung erkennbar ‒ heikel, sagen wir, für einen Teil der weiblichen Wählerschaft, nicht für alle: Während Harris sehr selbstbewusst auftrat, zeigte Trump seine großen demagogischen Fähigkeiten, um jeder Frage zu diesem Thema aus dem Weg zu gehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Trump mit nahezu unbegrenzter Macht ausgestattet ins Weiße Haus einzieht. Er gewinnt die Präsidentschaft bei den Wahlmännern, wo er 295 Stimmen gegenüber 226 für Harris erhielt. In der Bevölkerung erhielt er etwas mehr als 72 Millionen Stimmen, 50,9 Prozent der Gesamtstimmen (und fast fünf Millionen mehr als seine Gegnerin). Außerdem verfügt er über eine Mehrheit im Senat, eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus und sechs der neun Stimmen im Obersten Gerichtshof, der sich bereits an die Arbeit gemacht hat, um die 34 anhängigen Verfahren gegen den designierten Präsidenten einzustellen.

Was bedeutet dieses Ergebnis für die lateinamerikanischen Länder?

Im Prinzip ging man davon aus, dass Harris in die Fußstapfen von Barack Obama treten und eine dialogorientiertere und respektvollere Haltung gegenüber den Ländern der Region einnehmen würde. Doch Obamas Bilanz ist zwiespältig: Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Kuba, aber auch die berüchtigte Executive Order, die Venezuela zu einer "ungewöhnlichen und außerordentliche Bedrohung" für die nationale Sicherheit der USA erklärte.

Trump hat keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Länder der Region gemacht, sie beleidigt, wie er es in diesem Wahlkampf noch deutlicher getan hat, und seine Amtszeit beendet, ohne ein einziges Land der Region besucht zu haben. Er reiste 2018 zum G20-Treffen nach Argentinien und 2017 nach Puerto Rico, als der Hurrikan Maria wütete.

Kurz vor Ende seiner Amtszeit ordnete er an, Kuba in die Liste der Länder aufzunehmen, die den Terrorismus fördern, eine Entscheidung, die einen enormen Schlag im wirtschaftlichen und finanziellen Bereich bedeutet.

Er beschwerte sich auch über die Dummheit (in seinen Worten) der Demokraten. Denn als er im Begriff gewesen sei, sich des venezolanischen Öls zu bemächtigen, ließen sie es sich entgehen und, so sagte er, "jetzt müssen wir Maduro dafür bezahlen!" (amerika21 berichtete).

Mit anderen Worten: Von Trump ist nichts Gutes zu erwarten, und von Harris auch nicht, unter anderem weil die Politik gegenüber Lateinamerika und der Karibik vom "tiefen Staat" und zu einem sehr geringen Teil von den amtierenden Präsidenten bestimmt wird.

Für Washington ist unser Amerika eine Region mit exklusivem und ausschließendem Zugang für die USA, aus der bösartige Fremde ‒ Laura Richardson sagte es ‒ wie Russland, China und der Iran mit allen Mitteln verjagt werden müssen. Ich halte es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass Trump beschließen wird, die "militärische Karte" gegen Kuba oder Venezuela zu ziehen, denn eine solche Maßnahme könnte das in Afghanistan oder Vietnam erlittene Fiasko wiederholen. Sie hätte darüber hinaus sehr schwerwiegende Auswirkungen auf das gesamte internationale System, da indirekt China und in geringerem Maße auch Russland und Iran betroffen wären.

Höchstwahrscheinlich wird Trump die Blockade gegen Kuba weiter verschärfen und die einseitigen Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela ausweiten. Beides stellt eine offene Verletzung des internationalen Rechts dar. Deshalb ist es heute notwendig, die Solidarität mit diesen Ländern zu stärken, die bevorzugte Ziele der imperialen Ambitionen in der geopolitischen Sphäre der Gran Caribe sind. Und deshalb ist das Veto Brasiliens gegen den Beitritt Venezuelas zu den Brics unverständlich, ebenso wie die grundsätzliche Unterstützung Mexikos für die kubanische Revolution lobenswert ist.