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Der lange Arm der US-Sanktionen: Smartphone-Sperrungen auf Kuba

Tagelang waren die Mobiltelefone der chinesischen Firma Xiaomi auf der Insel gesperrt

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Xiaomi-Mobiltelefon auf Kuba: "Dieses Gerät ist gesperrt"
Xiaomi-Mobiltelefon auf Kuba: "Dieses Gerät ist gesperrt"

Kunden des chinesischen Herstellers Xiaomi1 auf Kuba staunten neulich nicht schlecht, als ihr Gerät anstatt zu starten lediglich einen Sperrbildschirm mit Verweis auf die Exportrestriktionen der Firma anzeigte. Bilder von dutzenden gesperrten Smartphones machten auf Twitter, Reddit und diversen Foren die Runde, wo sich Betroffene zusammenfanden und Aufklärung von der Firma verlangten.

Wie das Magazin ElToque berichtet, wurde der Hashtag #UnlockXiaomi in Anspielung auf die weltweite Kampagne gegen die US-Blockade unter dem Motto #UnblockCuba, binnen kürzester Zeit tausendfach auf Twitter geteilt.

"Die Richtlinien von Xiaomi erlauben den Verkauf oder die Bereitstellung des Produkts nicht in dem Gebiet, in dem Sie versucht haben, es zu aktivieren. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte direkt an den Einzelhändler", heißt es vor schwarzem Hintergrund auf den gesperrten Geräten. Lediglich die WiFi-Einstellungen und die Notruffunktion des Handys sind nach der Meldung noch nutzbar.

In so einem Fall bleibt nur noch der Gang zu einer zahlreichen privaten Handy-Reparaturwerkstätten, die dank Geschicklichkeit, Erfahrung und kubanischem Improvisationstalent keine große Mühe haben, die Sperre zu umgehen. "Wenn der Job richtig gemacht wird ist das Gerät binnen kurzer Zeit wieder nutzbar und eine erneute Sperrung ausgeschlossen", heißt es. Wie viele Geräte genau betroffen sind ist schwer abzuschätzen, einige Handykliniken berichten von bis zu 30 durchgeführten Entsperrungen pro Tag seit Anfang September.

Doch woher rührt die Blockadewelle? Vieles deutet darauf hin, dass sie in direktem Zusammenhang mit den US-Sanktionen gegen die Insel stehen. In den AGB von Xiaomi findet sich der Absatz:

"Exporte, 14.2: Der Vertrag und alle Produkte unterliegen den geltenden Exportkontrollgesetzen, welche auch die Exportkontrollgesetze der USA und die Gesetzeslage des Kundenlandes einschließt. Der Kunde darf keine vom Verkäufer gekauften Produkte in ein Land, ein Gebiet oder eine Region exportieren, wenn dies durch die Exportkontrollgesetze verboten ist. Zu den verbotenen Ländern und Gebieten gehören Kuba, Iran, Syrien, Nordkorea, Sudan und die Krim."

Der kubanische Technikjournalist Eduardo Domínguez griff das Thema in einem Artikel im Nachrichtenportal Cubadebate auf und liefert einige interessante Details: So waren offenbar vor allem in Westeuropa und Asien verkaufte Geräte der Serien Mi / Redmi 9 und 10 betroffen, nicht allerdings für den internationalen Markt hergestellte Modelle. Xiaomi verfügt, anders als z.B. der südkoreanische Samsung-Konzern, bislang über keine Niederlassungen oder Verkaufsstellen auf Kuba.

Wie Domínguez kritisiert, sei es nicht nachvollziehbar, dass Xiaomi zu so harschen Mitteln wie einer kompletten Gerätesperrung greift, was nicht einmal Apple täte (welches ebenfalls Dienste in Kuba blockiert). Eine mögliche Erklärung ist, dass Xiaomi nach dem quasi vollständigen Rauswurf des Hauptkonkurrenten Huawei in Folge des Handelskriegs mit den USA versucht, nicht unnötig in Washington anzuecken, um sich im westeuropäischen Markt weiter etablieren zu können.

Erst Ende Mai wurde Xiaomi mit Unterzeichnung eines neuen Abkommens von der "schwarzen Liste" des US-Verteidigungsministeriums gestrichen. Um jegliches Risiko in Bezug auf den "langen Arm der US-Exportgesetzgebung" zu minimieren könnte sich Xiaomi gebunden fühlen, geltende Sanktionen möglichst umfassend zu interpretieren.

In Kuba kam das gar nicht gut an: Es handle sich um ein "klares Beispiel für Ausgrenzung und Stigmatisierung, das der entschlossenen Haltung der Kommunistischen Partei Chinas und der chinesischen Regierung in dieser wichtigen Frage widerspricht", erklärte Kubas Botschafter in Beijing, Carlos Miguel Pereira.

Xiaomi versuchte zuvor zu beschwichtigen: Die Sperren zielten "nicht auf einen spezifische Markt" ab.

Inzwischen sind die betroffenen Geräte wieder freigegeben. Es habe sich um eine "vorübergehende Sperrung" gehandelt, um "die Informationssicherheit der Nutzer und die Rechte der Verbraucher im Fall von möglichem Schmuggel zu prüfen", erklärte das Unternehmen. "Die Untersuchung hat zu wichtigen Ergebnissen geführt und die betroffenen Geräte können jetzt wieder entsperrt werden", so der Xiaomi-Sprecher.

Für Domínguez wirft die Erklärung des Unternehmens mehr Fragen als Antworten auf: "Wird der Kauf eines Telefons auf einer digitalen Plattform oder in einem physischen Geschäft und seine anschließende Ausfuhr nach Kuba als grauer Markt betrachtet? Was würde mit Touristen geschehen, die während ihres Aufenthalts das kubanische Netz nutzen? Was waren die Ergebnisse dieser Untersuchung?"

Der Fall Xiaomi zeigt, über welche Möglichkeiten die USA verfügen, um in Firmenpolitiken einzugreifen und die Beziehungen selbst unter befreundeten Ländern zu stören. China dürfte das weiter anspornen, sich mittelfristig gänzlich von US-Technik und Software unabhängig zu machen. Für Kuba machten die Vorfälle vor allem die eigene Ohnmacht im Windschatten des Handelskonflikts deutlich: "Wir waren nicht vorbereitet. Xiaomi hat einen Test durchgeführt, und das Ergebnis war – für sie – zufriedenstellend", so Domínguez.

  • 1. Laut der Website Statcounter Global Stats nutzten im August 2021 18,27 Prozent der Kubaner, die auf das Internet zugriffen, Mobiltelefone von Xiaomi. Das Unternehmen ist der drittgrößte Smartphone-Anbieter weltweit