Das Massaker von El Mozote, bei dem salvadorianische Streitkräfte zwischen dem 10. und 12. Dezember 1981 etwa 1.000 Frauen, Kinder und Betagte bestialisch ermordeten, ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Es ist eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in der Zeit des bewaffneten Konfliktes (1980-1992) und steht stellvertretend für die Straflosigkeit, die noch heute für die Menschenrechtsverbrechen in dieser Zeit gilt. Erst ein Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Jahr 2012 und die Abschaffung des Amnestiegesetzes 2016 ebneten den Weg für erste gerichtliche Schritte, um die Täter zu ermitteln. Seither läuft ein Verfahren zur Beweisaufnahme, geleitet von Richter Jorge Guzmán. Angeklagt sind 16 Mitglieder des Batallions Atlacatl, ein salvadorianisches Elitebataillon, das in der US-Militärbasis von Fort Benning, Georgia, in Aufstandsbekämpfungstaktiken ausgebildet wurde.
In den gerichtlichen Anhörungen vom 27. bis 30. April nahm die Aussage der Professorin für Lateinamerika-Studien an der Stanford University, Terry Karl, den größten Raum ein. Ihr Gutachten lässt keine Zweifel daran, dass die US-Regierung von dem Massaker wusste. Während des Massakers, das Oberst Domingo Monterrosa geleitet hat, war der US-amerikanische Militärattaché Allan Bruce Hazelwood anwesend, wenn es auch keine direkten Beweise für seine Zustimmung zur Ermordung von Zivilisten gibt. Die Regierung von Ronald Reagan hat alles dafür getan, um Hatelwoods Anwesenheit zu verschleiern. Damit konnte weiterhin großzügige Militär- und Wirtschaftshilfe an die salvadorianische Regierung gezahlt werden. Karl benannte 13 hochrangige Militäroffiziere als die Verantwortlichen für das Massaker und listete zahlreiche Details auf.
Die US-Professorin hatte Zugang zu Dokumenten des US-Außenministeriums, der US-Botschaft in El Salvador, des US-Verteidigungsministeriums, dem U.S. Southern Command, der CIA und anderer US-Institutionen. Sie hatte keinen Zugang zu Dokumenten der salvadorianischen Streitkräfte. Diese wurden dem Richter und den Vertretern der Anklage trotz großer Versprechungen von Präsident Bukele im vergangenen Jahr ebenfalls verwehrt.
Ihre Untersuchungen führten Karl zu dem Schluss, dass die Streitkräfte große Angst vor der Guerilla hatten und befürchteten, Terrain zu verlieren. Sie hatten keine Strategie, aufständische Kräfte zu bekämpfen. An keinem der Orte, an denen Massaker stattgefunden hatten, waren Hinweise auf Kampfhandlungen zwischen Streitkräften und aufständischen Gruppen zu finden. "Es gab den strategischen Plan, dass mit einem Massaker an einem Ort im Land Angst in anderen Landesteilen ausgelöst werden sollte. Damit wollte man sich den Respekt der Bevölkerung verschaffen, weil diese Angst hatte, selbst ermordet zu werden", heißt es in einer Aussage aus dem Gutachten.
Karl zitierte aus einer Zeugenaussage des US-Militärs Lawrance Bailey: "Die Armee tötet keine kommunistischen Guerillas, auch wenn darüber berichtet wird. Es werden Zivilisten getötet, die sie mit ihnen antreffen. Das ist eine schöne Technik. Durch die Terrorisierung der Zivilbevölkerung unterdrückt die Armee die Rebellion, ohne die Guerillas direkt konfrontieren zu müssen. Angriffe auf Zivilisten sind der Spielplan. Töte die Sympathisanten und du gewinnst den Krieg [...]. Die Tötungen sind keine Nebensache, [...] sondern die wesentliche Strategie."
Karl faßte bereits am ersten Tag der Anhörung sechs Schlussfolgerungen zusammen. Erstens: Die salvadorianische Armee machte Morazán zu ihrem Hauptziel, weil sie die Bildung einer Nachhut der FMLN befürchtete. Zweitens: Es gab eine Ausrottungsstrategie, die keinen Unterschied zwischen Kämpfern und Zivilisten machte. Drittens: Das Oberkommando, einschließlich des Ministers und des stellvertretenden Verteidigungsministers, zusammen mit dem Stabschef der Armee waren für die militärische Strategie verantwortlich, wobei der Stabschef für die operative Taktik zuständig war. Viertens: Das Offizierskorps hat das Massaker angeordnet, koordiniert, durchgeführt und vertuscht. Fünftens: Eine Operation wie das Massaker von El Mozote, an der ein Drittel der Streitkräfte beteiligt war, konnte nur unter direkter Beteiligung des Oberkommandos und des Generalstabschefs durchgeführt werden. Sechstens: Beamte in Morazán gaben die Tötungsbefehle direkt an die Truppen weiter.
Keine Werbung, keine Paywall, aber trotzdem Nachrichten aus Lateinamerika?
Das geht nur mit den Spenden unserer Leserinnen und Leser. Unterstützen Sie uns jetzt.
Nach Informationen der US-Professorin wurden beim Massaker von El Mozote auch vier Napalm-Bomben verwendet, wobei eine nicht explodierte. Juan Rafael Bustillo, damals Kommandeur der Luftwaffe, hatte bereits im März 1983 bei einer Anhörung im US-Kongress den Einsatz von Napalm zugegeben: Die Streitkräfte hätten Napalm aus Israel gekauft und gegen die eigene Bevölkerung bis 1981 angewendet.
Bereits die Wahrheitskommission der Vereinten Nationen hat in ihrem Bericht 1993 festgehalten, dass das Massaker von El Mozote das schlimmste Gewaltereignis war, das zwischen 1979 und 1985 passierte. Auch wegen der Morde von Junquillo, wegen derer im Sheraton Hotel, wegen der Ermordung der niederländischen Journalisten, den Massakern von El Calabozo, las Hojas, am Río Sumpul und anderen systematischen Menschenrechtsverletzungen ist bis heute kein salvadorianischer Militärangehöriger verantwortlich gemacht worden. Insgesamt hatte die Wahrheitskommission 22.000 Anzeigen über die Ermordung von Zivilisten erhalten. Für etwa 60 Prozent davon machte sie die Streitkräfte verantwortlich, für etwa 25 Prozent die Sicherheitskräfte, für etwa 10 Prozent die Todesschwadronen und für etwa 5 Prozent die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional, FMLN).
Auch die interamerikanische Menschenrechtskommission und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte haben sich mit dem Fall in den Jahren 2011 und 2012 befasst. Die Regierung El Salvadors ihrerseits hat umfassende Untersuchungen angeordnet. Seit 2016, nachdem das salvadorianische Verfassungsgericht das Amnestiegesetz abgeschafft hat, das für Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges Straffreiheit gewährte, stehen 16 ehemalige Mitglieder des Batallions Atlacatl unter anderem wegen Folter, erzwungener Vertreibung und erzwungenem Verschwindenlassen vor Gericht.
Der ehemalige General Juan Rafael Bustillo hatte in einer Zeugenaussage erklärt, dass unter anderen Oberstleutnant Domingo Monterrosa, der 1984 Selbstmord beging, das Massaker von El Mozote angeordnet hatte. Karl benannte nun auch Folgende als verantwortlich: den Ex-Verteidigungsminister José Guillermo García, den ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister Francisco Adolfo Castillo, den Ex-Oberbefehlshaber Rafael Flores Lima, den Ex-Kommandeur der Luftwaffe Juan Rafael Bustillo, den Ex-Kommandeur der Dritten Brigade Jaime Flores Grijalva, den damaligen Kommandeur des Batallions Atlacatl, Domingo Monterrosa Barrios, den Ex-Befehlshaber des Atlacatl Natividad Cáceres Cabrera und sechs weitere Kommandanten der Atlacatl-Kompanien.
In den kommenden Wochen wird der Richter entscheiden, ob die Beweislage gegen die Angeklagten ausreicht, um den Strafprozess gegen sie zu eröffnen.