Deutschland / Medien

In eigener Sache: Sprache und Geschlecht

Amerika21 führt teilweise gegenderte Sprache ein

Liebe Leser:innen,

die Debatte über gendersensible Sprache auch in journalistischen Texten hat in den letzten Jahren viele Redaktionen beschäftigt – auch uns. Als alternatives Nachrichtenportal haben wir wiederholt über den Umgang mit dieser Frage diskutiert, uns bislang allerdings auf die Nutzung des "generischen Maskulinums" geeinigt. Alle Texte wurden deshalb in der männlichen Form verfasst, die grammatikalisch auch Frauen "mitmeint". Diese Praxis wird sich nun teilweise ändern. Autor:innen, die bei uns gendern wollen, können dies ab sofort gerne tun. Unter unseren Beiträgen werden Sie künftig also Texte in geschlechtergerechter Sprache wie diesen finden, nicht gegenderte Beiträge veröffentlicht das Portal dennoch weiterhin wie bisher.

Dass amerika21 Textformen in beiden Sprachkonventionen veröffentlich, ist dem Kompromiss geschuldet, zu dem das Portal nach einer internen Debatte gekommen ist. Innerhalb unseres Teams gibt es Mitglieder, die das Gendern ablehnen, andere, die geschlechtergerechter Sprache für wichtig halten, sowie andere, die im Zwiespalt sind.

Gegen das Gendern gab es im Wesentlichen zwei Argumente: Die Lesbarkeit leidet darunter und es ändert wenig an dem gesellschaftlichen Problem der Geschlechtsungleichheit. In diesem Sinne stellen einige Mitarbeiter:innen des Portals in Frage, dass willkürlich festgelegte Sprachnormen patriarchalische Strukturen bekämpfen können. Sie haben außerdem den Eindruck, dass notwendige politische Veränderungen von der gesellschaftlichen Praxis in die Sprache abgeschoben werden. Mit anderen Worten: Die Effektivität von gegenderten Texten ist nicht hoch genug, um die Kosten einer erschwerten Lesbarkeit zu kompensieren.

Andere Mitwirkende bei amerika21 argumentieren ihrerseits, dass Sprache Machtverhältnisse vermittelt und Wirklichkeiten formt. Sie verweisen darauf, dass die Bilder, die beim generischen Maskulinum im Kopf entstehen, oft männlich sind: Wird man beispielsweise zu den Lieblingsschauspielern gefragt, denkt man meistens automatisch an männliche Darsteller. An Schauspielerinnen denkt man hingegen nur, wenn man explizit danach gefragt wird.

Eine geschlechtergerechte Sprache würde dazu beitragen, Frauen, Inter- und Trans-, sowie nicht-binäre Personen gleichermaßen zu repräsentieren, so die Befürworter:innen. Auch linke Basisorganisationen in Lateinamerika pflegen die Praxis, zumindest Frauen explizit zu nennen: Formulierungen wie "Wir Kleinbäuerinnen und -bauern" oder "Aktivisten und Aktivistinnen", "Soziale Anführer und Anführerinnen" (líderes y lideresas sociales) sind dort der Standard, so die Argumentation. Klar ist den Fürsprecher:innen der geschlechtsneutralen Sprache bei amerika21, dass diese alleine nicht in der Lage ist, sexistische Machtverhältnisse zu ändern. Andere Formen der politischen Kämpfe sind weiterhin nötig. Da aber Sprache schließlich das Hauptwerkzeug für unser Nachrichtenportal ist, ist es nicht verkehrt, mit sprachlichen Konventionen, die Machtstrukturen darstellen, zu brechen.

Da es keine einheitliche Position innerhalb unseres Koordinationsteams gibt, lautet der Kompromiss: Wer gendern will, kann dies gerne tun, es ist jedoch nicht verpflichtend. Übersetzungen von Texten, die im Original nicht in geschlechtergerechter Sprache verfasst sind, werden nicht nachträglich gegendert. Uns ist klar, dass es keinen perfekten Ersatz für das generische Maskulinum gibt. An Stellen, wo geschlechtsneutrale Formen nicht funktionieren, werden Leser:innen in gegenderten Beiträgen dann einen Doppelpunkt finden, wie in dieser Ankündigung.

Für diese Variante haben wir uns aus drei Gründen entschieden: Zunächst werden durch diese Schreibweise auch Inter- und Trans-, sowie nicht-binäre Personen repräsentiert. Zudem ist sie, im Vergleich zur Schreibweise mit dem Gerndersternchen *, optisch barrierefrei. Und zuletzt wird so die Lesbarkeit unserer Meinung nach am geringsten beeinträchtigt.