Kuba / Kultur / Politik

Anekdoten über die Beatles auf Kuba

Über das angeblich allgegenwärtige, schreckliche Klima um die Beatles und die Rockmusik auf Kuba

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Skulptur des Sängers im Parque John Lennon im zentralen Stadtteil Vedado in Kubas Hauptstadt Havanna
Skulptur des Sängers im Parque John Lennon im zentralen Stadtteil Vedado in Kubas Hauptstadt Havanna

Vor einigen Tagen widmete ich John Lennon aus Anlass seiner Ermordung am 8. Dezember 1980 in New York und seinem Denkmal, das 20 Jahre später in Havanna in Anwesenheit von Fidel eingeweiht wurde, einen Tweet. Daraufhin sind irritierte, wütende, oft beleidigende Reaktionen in den Netzen aufgetaucht, die unhaltbare, offen gesagt lügnerische "Zeugnisse" über die angebliche Unterdrückung der Jugendlichen in Kuba ablegten, die es wagten, die Musik der Beatles zu hören. Die meisten dieser "beleidigten Zeugen" haben nur eine winzige Anzahl von Anhängern. Offensichtlich handelt es sich dabei um Trolle.

Es wurde gesagt, mein Tweet "beleidige jeden, der eine Strafe für das Hören von Rockmusik oder von Musik der Beatles abgesessen hat", und beschuldigt (ohne jegliche Scham) "die Castro-Diktatur", "alle Rockeros einzusperren", "diejenigen zu verfolgen und einzuknasten, die diese Musik auf Kuba gehört haben", und "vom repressiven System des Diktators allein wegen des Besitzes einer Beatles-Platte stigmatisiert worden zu sein. Abgesehen von dieser Reihe schamloser Unwahrheiten fügen sie lächerliche Fabeln darüber hinzu, wie man sich zum Beispiel unter dem Bett habe verstecken müssen, um dem britischen Quartett zu lauschen.

Ich veröffentliche im Folgenden einen Artikel von Guille Vilar, inspiriert vom 50. Jahrestag des legendären Woodstock Festivals, in dem er auch von einigen persönliche Erfahrungen berichtet, die er in seiner Jugend als Rock- und Beatles-Fan erlebt hat.

Guille lässt in diesem Text mit einigen wenigen Anekdoten in seiner einfachen und direkten Sprache und seiner vielfach erprobten Ehrlichkeit die Luft aus einem Panorama, das uns ein allgegenwärtiges, schreckliches Klima um die Beatles und um die Rockmusik herum vermitteln will.

Man kann eine mangelnde Beförderung oder eine unzureichende und kaum vorhandene Verbreitung der Beatles und anderer Avantgarde-Rockgruppen in Kuba kritisieren. Aber man kann aus diesen schlichten Unterlassungen nicht eine repressive und karikierte, auf der Grundlage von Lügen fabrizierte Comiczeichnung ableiten, laut der der schlichte Besitz einer Schallplatte oder einer Aufnahme jemanden ins Gefängnis hätte bringen können.

Der wesentliche Fehler bestand meiner Meinung nach darin, keine echte Politik zur Förderung des authentischeren, subversiveren und revolutionäreren Qualitäts-Rock zu entwickeln, nur weil dieser sich auf Englisch ausdrückte, sondern stattdessen bis zum Überdruss die Popmusik aus dem frankistischen Spanien zu propagieren, weil man diese für weniger "schädlich" hielt.


Eine Bewertung, die der historischen Wahrheit so nahe wie möglich kommt

Guille Vilar

Über den 50. Jahrestag des denkwürdigen Woodstock-Festivals nachzudenken, bedeutet weit mehr, als sich auf das musikalische Ereignis selbst zu beschränken, da seine soziale Transzendenz bis in unsere Gegenwart reicht. Gewiss sprechen wir dabei über eine Generation von Musikern, die von einem Hauch von Authentizität geprägt ist, der sich nicht nur in ihrer professionellen Projektion, sondern auch in ihrem menschlichen Wesenszustand widerspiegelt. Das gilt für paradigmatische Persönlichkeiten wie Jimi Hendrix, Janis Joplin oder Crosby, Stills, Nash and Young, deren Arbeit, wo sie denn auch heute noch Wirkung zeigt, damals eine Vielzahl junger Nordamerikaner anzog.

Dabei sprechen wir von denen, die darauf setzten, ausgehend von der Vielfalt der Farben des Schöpferischen das Privileg anzunehmen, mit so viel Ehrlichkeit wie möglich zu leben. Wir sprechen über die Jugendlichen, die an der Universität von Kent von der Nationalgarde massakriert wurden. Wir sprechen über die Jugendlichen, die John und Yoko bei ihren Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg begleitet haben.

Bedauerlicherweise stellt die Erinnerung an die Jahre, die in der Zeitgeschichte der USA mit reiner existentieller Vitalität beladen sind, nur eine nostalgische Übung dar, da das Establishment dafür verantwortlich ist, die unverzichtbaren Mechanismen der Gesellschaft zugunsten ihrer Handelsinteressen zu dominieren. Obwohl immer wieder beeindruckende Musiker auf den Plan treten können, wird der aktuelle Trend der US-Popmusik durch den Erfolg jedes einzelnen und durch die Verkaufszahlen ihrer Platten auf dem Markt definiert, ganz abgesehen vom Fehlen jener Botschaften, die Millionen von Menschen in den 70er Jahren mobilisiert haben.

Eine solche Nostalgie zwingt uns zu fragen, wo denn dieser Geist der Rebellion in der US-Gesellschaft jener Zeiten geblieben und was mit dieser unbezwingbaren Berufung tausender junger Menschen geschehen ist, die angesichts der zeitweiligen Mietbewohner des Weißen Hauses ihre vollen Bürgerrechte eingefordert haben; Haltungen, die es Donald Trump heute nicht erlauben würden, die aggressive Politik seiner Regierung in freier Willkür nicht nur gegen die Welt, sondern sogar gegen seine eigenen Landsleute durchzusetzen. Hierin liegt der Wert der Erinnerung an den 50. Jahrestag des Woodstock-Festivals inmitten der gefährlichen Umstände, die die Welt in diesen Momenten durchlebt.

Aber da man fast immer, wenn das Thema Rockmusik in irgendeinem Zusammenhang zur Sprache kommt, dazu kommt, wie sich diese musikalische Strömung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in unserem Land manifestiert hat, möchte ich einige Gesichtspunkte zu diesem umstrittenen Thema mit meinen Lesern teilen.

Zunächst will ich nicht allzu sehr auf meine Erfahrungen mit der Beatles-Musik in den sechziger Jahren eingehen. Vielleicht reicht es zu sagen, dass ich einer dieser jungen Leute war, die mit einem "unauffälligen" Zenith-Kofferradio, den Sender WQAM aus Miami eingeschaltet, im Bus fuhr, und niemand mich jemals darauf angesprochen hat, dass ich diese Musik hörte. Ich fühlte mich auch auf der Brücke des Cubanaleco-Kulturhauses nicht "überwacht", wo ich mit Dutzenden junger Leute die Rock-Hits jener Zeit teilte, die von WQAM ausgestrahlt wurden.

Im Sommer 1965, als mein Vater mir aus London die Platte „Help“ mitbrachte, deren gleichnamiger Song in diesem Moment in der Hitparade von WQAM die Nummer eins war, waren wir so begeistert, dass wir mit mehreren Freunden in verschiedene Platten-Geschäfte in der Hauptstadt gingen und baten, sie für uns über die lokale Audioanlage abzuspielen. Und es kam kein Streifenwagen vorbei, um uns wegen der Kühnheit, verbotene Musik an einem öffentlichen Ort zu Gehör zu bringen, zu verhaften.

Allerdings können Einzelne andere persönliche Erfahrungen gemacht haben, die vielleicht nicht angenehm waren, denn es hat schon immer schräge Leute gegeben.

Was die Verbreitung der angelsächsischen Rockmusik in unseren Medien betrifft, so bitte ich nur darum, sich nicht von Gerüchten mitreißen zu lassen, die zur Legende werden, und zu versuchen, was diesbezügliche Angaben betrifft, genau zu sein und jede Anekdote so weit wie möglich zu konkretisieren.

Für jüngere Leser mag es schwierig sein, sich das Universum der Musikübertragungen auf einem Hauptstadtsender wie Radio Progreso in den 1960er Jahren vorzustellen. Obwohl damals die Zeiten noch weit entfernt waren, in denen Universitätsabsolventen mit ihrem Wissen kamen, um sich in das Radiosystem einzubringen, kann man es sich noch viel weniger vorstellen, dass es einen Experten wie Juanito Camacho gab, der über die Geschichte des Rock gesprochen hat. Wie in den meisten Fachmedien des Landes gab es eine starke Auswanderung der Menschen mit größerer Radioerfahrung in Richtung USA, und viele von denen, die diese freien Stellen übernahmen, hatten nicht die angemessene intellektuelle Ausbildung, aber es gab eben sonst niemanden.

Wir können auch nicht darüber hinwegsehen, dass in jenen Jahren die Söldnerinvasion von Playa Girón, die Oktoberkrise und der Kampf gegen die Banditen im Escambray-Gebirge gerade erst stattgefunden hatten, sodass es logisch ist, dass es eine starke, gegen die Yankees gerichtete Stimmung unter dem kubanischen Radiopersonal gab.

Gleichzeitig konnte die Präsenz der Beatles in unserem Radio zur damaligen Zeit nicht so gesehen werden wie jetzt, aus der Gewissheit heraus, dass es sich bei ihnen um wahre Mythen der universellen Kultur handelt. Für viele Erwachsene jener Jahre waren die Beatles eben wirklich nicht mehr als vier Langhaarige mit zu engen Hosen, die auch noch in der Sprache des Feindes sangen.

Obwohl all diese Elemente gegen sie gerichtet waren, konnte die Wirkung ihrer Musik in keiner Weise ignoriert werden. Und ohne zu weit in die Vergangenheit zu gehen, erinnere ich mich, im Programm Nocturno von Radio Progreso Songs vom Magical Mistery Tour Album von 1967 wie Hello Godbye und The Fool on the Hill gehört zu haben.

Ich erinnere mich auch mit großer Bewegtheit daran, dass, nachdem ich die Weltpremiere von Hey Jude auf WQAM gehört hatte, dieses Lied bereits eine Woche nach diesem Ereignis im Sommer 1968 bei Nocturno gesendet wurde.

So geschah es auch mit anderen Songs wie While my Guitar Gentil Weeps vom White Album, Something vom Abbey Road-Album oder The Long and Winding Road vom Let it Be-Album, die alle kurz nach ihrer Veröffentlichung erstmals bei Nocturno gesendet wurden. Gleichzeitig wurden Lieder von Zeitgenossen der Beatles wie The Grass Roots oder The Turtles gespielt, aber natürlich auch Songs der Rolling Stones und anderer.

Das Thema der Zensur von Rockmusik bleibt in Kuba eine offene Wunde; aber wir müssen in der Lage sein, sie aus verschiedenen Perspektiven zu analysieren, um zu einer Bewertung zu gelangen, die der historischen Wahrheit so nahe wie möglich kommt.


Abel Prieto (Jahrgang 1950) war Präsident der Union der Schriftsteller und Künstler Kubas (UNEAC) und zweimal Kulturminister. Derzeit leitet er das Oficina del Programa Martiano und ist Präsident der Kulturgesellschaft "José Martí", Autor zahlreicher Erzählungen und Romane wie "El vuelo del gato" (1991), Mitglied der Nationalversammlung und seit kurzem Präsident der Casa de Las Américas in Havanna.

Guillermo José Vilar Álvarez (Jahrgang 1951), bekannt als El Guille Vilar begann seine berufliche Laufbahn 1979 bei Radio Progreso als Berater des Programms Encuentro con la Música (Begegnung mit der Musik), insbesondere in der Rubrik Perspectiva, die gerade 40 Jahre alt geworden ist. Er ist künstlerischer Leiter des Submarino Amarillo (Yellow Submarine), des Kulturzentrums von Artex und des Ministeriums für Kultur, wo sowohl durch die dort präsentierten Videos als auch durch die Auftritte verschiedener kubanischer Rockgruppen mit ihren Versionen der Klassiker des Genres die angelsächsischen Rock-Hits aller Zeiten gepriesen werden.