Chile / Militär

Chile: Erstmals nimmt das Militär wieder Menschen fest

Ausnahmezustand und Militarisierung im Süden Chiles

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In dem ehemaligen Land der Mapuche, das einen südlichen Teil des heutigen Chiles umfasst, brodelt ein Jahrhunderte alter Konflikt
In dem ehemaligen Land der Mapuche, das einen südlichen Teil des heutigen Chiles umfasst, brodelt ein Jahrhunderte alter Konflikt

Am 1. März wurden zwölf Mapuche von Militärangehörigen wegen Verdacht auf Brandstiftung festgenommen. Auf einer Landstraße zwischen zwei Gemeinden wurden sie vom Militär angehalten und ihre Personalien und das Fahrzeug überprüft, in dem sich eine Motorsäge, 500 ml Kraftstoffgemisch, eine Machete und weitere Werkzeuge befanden.

"Es ist das erste Mal nach der Diktatur, dass das Militär Personen festnimmt und damit Polizeiaufgaben übernimmt", gibt die Anwältin der zwölf Mapuche, Karina Riquelme, im Interview an. Im Süden Chiles, in der Region Araukanien, ist bereits seit Monaten der Ausnahmezustand wegen Waldbrandgefahr verhängt. Dieser gibt dem Militär die rechtliche Grundlage, Polizeiaufgaben wahrzunehmen, Kontrollen durchzuführen und militärische Stützpunkte in der Region zu platzieren.

Der Ausnahmezustand wird mit der Brandstiftung und Gewalt in der Region begründet, welche, wie der chilenische Innenminister Rodrigo Ubilla angab, häufig von den Mapuche ausgingen. Vor allem seit den großflächigen Waldbränden vor zwei Jahren kursieren widersprüchliche Gerüchte in Chile über deren Urheberschaft. Während die Mapuche verdächtigt werden, im Kampf für die Wiederaneignung ihres Landes die Monokulturen der Forstbetriebe anzuzünden, sehen die Mapuche die Schuld bei den Forstunternehmen, die sich durch die Brände Waldstücken entledigten, welche von Schädlingen befallen waren oder auf diese Weise Versicherungsprämien einkassieren.

Die Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere 30 Tage, trotz angekündigter Regenfälle und schlechtem Wetter, lässt vermuten, dass es sich bei dem Ausnahmezustand eher um eine Repressalie gegen die Mapuche, als um eine Schutzmaßnahme gegen Waldbrände handelt. "Eine völlig neue Qualität hierbei ist, dass das Militär Verhaftungen vornimmt und Richter dies als legal bestätigen", sagte Karina Riquelme gegenüber dem Filmteam von Zwischenzeit e.V..

Nach der Festnahme der zwölf Mapuche war ihr Aufenthalt über Stunden unbekannt, was bei den Angehörigen Ängste aus Zeiten der Militärdiktatur weckte. Ein speziell in die Region gereister Staatsanwalt beantragte die Haftverlängerung für die Zwölf, die zuständige Richterin lehnte den Antrag jedoch ab und ordnete deren Freilassung an. Diese Entscheidung brachte der Richterin heftige Kritik von Seiten der Vereinigung der Forstunternehmen, rechter Politiker wie dem Senator José García Ruminot und dem Bürgermeister der Region Jorge Atton ein, die eine Verlängerung des Ausnahmezustands befürworten.

Zuletzt gerieten der verhängte Ausnahmezustand und die damit einhergehende Militarisierung Araukaniens international in die Kritik, als im November 2018 der junge Mapuche Camilo Catrillanca von Spezialeinsatzkräften des Commando Jungla (Kommando Dschungel) erschossen wurde."Heute erleben wir eine Verstärkung der Spezialeinsatzkräfte in der Region Araukanien", sagte uns Karina Riquelme. "Ausnahmezustand und Militarisierung sind Teil des Plans der Regierung, die Mapuchegemeinden einzuschüchtern, ihren Kampf um die Wiederaneignung ihres Landes zu unterbinden und weitere Landbesetzungen der Mapuche zu verhindern. Wir befürchten, dass wir wegen der starken Militärpräsenz weitere Opfer wie Camilo Catrillanca zu beklagen haben werden."