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US-"Milde" für Paramilitärs aus Kolumbien

"Nach Jahrzehnten der Grausamkeiten wurden die Warlords endlich zur Verantwortung gezogen. Dann schritten die Amerikaner ein." (New York Times)

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Paramilitärische Strukturen bestehen weiter fort und werden als Instrument des schmutzigen Krieges und der Vernichtung der Opposition wiederbelebt
Paramilitärische Strukturen bestehen weiter fort und werden als Instrument des schmutzigen Krieges und der Vernichtung der Opposition wiederbelebt

Die US-amerikanische überregionale Tageszeitung New York Times (NYT) informierte am 10. September in einem ausführlichen Bericht1 über die Hintergründe der im Mai 2008 erfolgten Auslieferung von vierzehn führenden kolumbianischen Paramilitärs in die USA durch die Regierung von Präsident Álvaro Uribe.

Die Journalistin Deborah Sontag bringt das Motiv dahinter zur Sprache: Uribe hatte mit seinen bisherigen Verbündeten eine Pseudo-Demobilisierung ausgehandelt, die ihnen eine Garantie der Nicht-Auslieferung an die USA oder etwa die "Strafe" einiger Jahre „Ruhe“ in ihren Besitztümern (statt Gefängnis) einbrachte. Im Gegenzug sollten sie der Justiz ihre Verbrechen beichten. Das akzeptierten viele Paramilitärs aber nicht, die Sache schleppte sich dahin. Bis das Oberste Gericht des Landes 2006 die Bedingungen für die Strafmilderungen verschärfte und die Massenmörder in Gefängnisse gesteckt wurden und detailliertere „Kooperation“ mit den Strafvollzugsbehörden als Bedingung für eine justizielle Sonderbehandlung verlangt wurde. Die Folge: Die Herren begannen zu "singen". Machtfiguren im engsten Umkreis des Präsidenten wurden wegen Komplizenschaft und Finanzierung der Paramilitärs verhaftet, darunter, im April 2008 ein Cousin und Wegbegleiter Uribes. Die Schlinge drohte sich um den Hals des Präsidenten selbst zuzuziehen.

Der Menschenrechtler und Senator Iván Zepeda sagte der Journalistin: Die Paramilitärs wollten "gemeinsam Aussagen machen, die Uribe in die Sache verwickelten." Doch "die Behörden drangen in die Zellen, wo sie ihre Computer und ihre USBs hatten, und beschlagnahmten alles. Die ganzen Beweise, die sie der Justiz vorlegen wollten, verschwanden."

Uribe ging, so die NYT, Washington mit der Bitte um die Auslieferung an. Die US-Behörden waren ganz Ohr. Uribe, so Sontag, gestützt auf die Aussage eines US-Offiziellen, "wollte [die Paramilitärs] nach Arbeitsschluss des kolumbianischen Obersten Gerichts zusammen geführt und ausgeflogen sehen, bevor das Gericht am folgenden Tag seine Arbeit wieder aufnähme. Uribe sagte, er befürchte, dass das Gericht die Auslieferung stoppen würde. Die Amerikaner wurden aktiv. Sie mussten 'die Männer aus den vier Ecken des Landes an einem Punkt zusammenführen, danach musste ein Flugzeug mit allen Gefangenen an Bord sofort starten, bevor das Gericht am folgenden Tag wieder arbeiten würde', sagte der Offizielle".

Was die Mainstreammedien als Schlag gegen den Drogenhandel gefeiert hatten – die Auslieferung – war anderen Ursachen geschuldet. Heute schreibt dies auch die NYT: "‘'Das ganze Land war geschockt', sagte Miguel Samper Strouss, ein ehemaliger Vizejustizminister. 'Es war, als ob sie unsere Chancen, jemals die Wahrheit zu kennen und Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für unsere Opfer zu erlangen, ausgeliefert hätten.'" Und Senator Zepeda meint zum gleichen Thema: "Diese Auslieferungen bedeuteten ein Vorher und ein Nachher. Falls die Absicht wirklich war, Schweigen [der Paramilitärs] und Straflosigkeit zu erreichen, hatte sie beträchtlichen Erfolg. Erst jetzt, nach so vielen Jahren, sehen wir erste Resultate."

Der Bericht führt detailliert aus, dass die US-Justiz jahrelang zentrale Informationen über die US-Verfahren gegen die Paramilitärs geheim gehalten hat. Erst jetzt, nach einigen Prozessen um das Recht auf Zugang zu Informationen, werden einige Dinge etwas sichtbarer: "Während Jahren hüllte das Justizministerium einen Geheimnisschleier um die Verfahren der Milizenmänner. Es versiegelte nicht nur heikle Dokumente, sondern verbarg auch Grundinformationen und schloss manchmal sogar Zivilkläger aus."

Die NYT hat die Fälle der insgesamt rund 50 in die USA ausgelieferten Paras untersucht. Sie wurden wegen Drogenhandel belangt, nicht wegen ihrer systematischen Verbrechen gegen die Menschheit. "Für Großdrogenhändler, die auch als für Massaker, gewaltsames Verschwindenlassen und die Vertreibung ganzer Dörfer verantwortliche Terroristen genannt wurden, sind sie mild behandelt worden. Wenn die kolumbianischen Paramilitärs ihre Strafen verbüßt haben, waren sie im Schnitt 7,5 Jahre im Gefängnis. Die im Mai 2008 ausgelieferten Anführer rund zehn Jahre, für Tonnen von Kokain. Im Vergleich sitzen Bundesgefangene für Crack-Deals – meist weniger als ein Gramm im Straßenhandel – zwölf Jahre ab."

Nicht so erstaunlich, wenn man liest, was dem New Yorker Staatsanwalt zu Salvatore Mancuso einfällt, einem der führenden Paramilitärs und Mitbegründer der AUC: "Mir erschien er stets als Gentleman". Richter Reggie B. Walton vom US-Bezirksgericht Washington verurteilte den berüchtigten Para-Boss Tovar-Pupo zu 16 Jahren Gefängnis. Er fand diese Worte für den Killer: "Er war engagiert in einem Kampf gegen einen Feind, der, hätte er gewonnen, kaum die Lebensbedingungen für die Leute in Kolumbien verbessert hätte. Er war also in einige Aktivitäten involviert, die einige positive Aspekte aufwiesen." Robert Spelke, der erwähnte Ankläger Mancusos, steuerte dieses bei: "Einige dieser Leute waren richtige Schläger, aber nicht so viele. Es ist manchmal schwer zu glauben, dass sie taten, was sie taten. Sie haben klar ein paar widerliche Sachen gemacht. Aber wissen sie, es war ein Bürgerkrieg da unten."

Bei dieser Geisteshaltung dürfte es dem Verteidiger eines der Angeklagten nicht schwer gefallen zu sein, Verständnis zu wecken, als er von seinem Klienten sagte: Er "war zu Beginn, und das können wir protokollieren, von unserer (US-) Regierung finanziert."

  • 1. Deborah Sontag: The Secret History of Colombia’s Paramilitaries and the U.S. War on Drugs (englisch, spanisch)
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