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Havannas Sammeltaxis in der Krise

Täglich nutzen über 175.000 Personen in Kubas Hauptstadt die Kollektiv-Taxis. In jüngster Zeit sind sie seltener geworden

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Haltestelle für Sammeltaxis in Havanna
Haltestelle für Sammeltaxis in Havanna

Havannas berühmte Kollektiv-Taxis, die meist in Form von US-Oldtimern durch die wichtigsten Verkehrswege der Stadt fahren, sind in den letzten Wochen immer seltener geworden. Wo früher noch alle paar Minuten ein Sammeltaxi vorbei fuhr, müssen Passagiere heute manchmal über eine Stunde warten. Das alles kommt nur kurz nach Raúl Castros Ankündigung, dass Kuba aufgrund zurückgehender Öllieferungen aus Venezuela sparen muss.

Kollektivtaxis – eine wichtige Ergänzung des Transportsystems

An praktisch jeder wichtigen Hauptstraße Havannas sieht man sie stehen. Winkende, scheinbar wild gestikulierende Kubaner, die gerade dem Fahrer mitteilen wollen, in welche Richtung es gehen soll. Die anhaltenden Autos haben viele Namen: Almendrones (speziell für die alten US-Autos), Maquinas, Taxi-Rutero oder Taxi-Colectivo, um nur einige zu nennen. Fest steht, dass sich jene Fahrzeuge, die man im deutschen am ehesten als Sammeltaxi bezeichnen würde, in den letzten Jahren einen wichtigen Platz im Transportsystem der kubanischen Hauptstadt erobert haben.

Für einen Preis von normalerweise zehn Pesos (circa 0,40 US-Dollar, längere Strecken auch 20 Pesos) rollen die Fahrer auf fixen Routen nach dem "Hop-On, Hop-Off"-Prinzip durch die wichtigsten Korridore der Hauptstadt. Entlang der Strecke können Fahrgäste jederzeit ein- und aussteigen. Normalerweise fahren die Colectivos Tag und Nacht. Selten muss man länger als ein paar Minuten auf eine Mitfahrgelegenheit warten, was dem ganzen etwas von einem offiziellen Transportsystem verleiht.

Dabei arbeiten die Fahrer der Kollektivtaxis auf eigene Rechnung und entrichten ihre Steuern an den Staat. Durch konstante Preise konnten sie sich einen festen Platz als Alternative zum Bussystem etablierten, da die Fahrt mit einer Maquina in der Regel deutlich schneller, flexibler und komfortabler als eine Busfahrt ist. Das hat bis vor kurzem recht gut funktioniert, doch seit einiger Zeit rumort es zwischen Staatsapparat, Taxifahrern und Fahrgästen.

Doppelter Fahrpreis und weniger Autos

Anfang Juli haben einige Taxifahrer damit begonnen, ihre Routen zu verkürzen. Andere verdoppelten den Fahrpreis. Immer mehr Fahrgäste beschwerten sich in der Folge über die nachlassende Qualität und Zuverlässigkeit der markanten Oldtimertaxis. Statt zehn Pesos müssen Kunden nun oft 20 Pesos für die selbe Strecke bezahlen, was diese Transportmöglichkeit für viele zu teuer macht.

Der Staat hat reagiert und erließ am 14. Juli eine offizielle Preisliste, die die Obergrenzen für bestimmte Routen definiert. Im wesentlichen wurden die bisher gängigen Preise als Obergrenze angegeben. Gleichzeitig wurden Kontrollen angekündigt. Die Ernüchterung erfolgte schon bald danach: Die Schlangen an den Haltepunkten werden länger, weil viele Fahrer einer Maquina erst einmal zu Hause bleiben und abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Die Einrichtung einer offiziellen Beschwerdenummer stößt bei ihnen auf wenig Verständnis. In der Folge verkompliziert sich die Transportsituation in der Hauptstadt immer weiter. Doch was ist hier eigentlich los?

Die Parteizeitung "Granma" widmete dem Thema einige Wochen später eine ausführliche Reportage. Maribel Poulot Bravo von der Transportdirektion der Hauptstadt zeigt wenig Verständnis für die Preiserhöhungen der Taxifahrer. Weder seien die Steuern noch die Abgabepreise für Treibstoff an den Tankstellen erhöht worden, erklärte die Funktionärin gegenüber der Zeitung. Inzwischen seien bei der Polizei über 154 Anzeigen wegen ungesetzlichen Verhaltens der Fahrer eingegangen, 44 Lizenzen wurden entzogen.

In einem ersten Schritt wurden die 4.960 Fahrer der Hauptstadt über die neuen Preisobergrenzen informiert. Mittels investigativer Kontrollen in zivil, bei denen sich der Kontrolleur als Fahrgast ausgibt, wurden dutzende von Fällen aufgedeckt, in denen der Fahrer entweder zu viel Geld verlangte oder auf andere Weise ungesetzlich handelte. Faktoren wie der Erwerb von Kraftstoff und die Einhaltung der maximalen Arbeitszeiten sind verstärkt in den Fokus der Behörden gerückt.

Legale Lösungen in Sicht?

Der Treibstofferwerb ist der entscheidende Punkt. Gegenüber Granma erklärten zahlreiche Taxifahrer, dass sich ihr Geschäft nicht lohnen würde, wenn sie das Benzin zu offiziellen Preisen an der Tankstelle kaufen würden. Stattdessen erstehen sie den Treibstoff bereits seit Jahren auf dem Schwarzmarkt, wo er weniger als die Hälfte kostet. Der Schwarzmarkt speist sich vor allem aus abgezwackten staatlichen Diesel- und Benzinzuteilungen für Dienstfahrzeuge. Diese wurden jedoch im Rahmen der laufenden Sparmaßnahmen gekürzt. Die Knappheit ließ offenbar den Schwarzmarktpreis steigen, was nun an die Kunden weitergegeben wird.

Die bisherige Methode einer verstärkten Kontrolle hat dabei nur mäßige Ergebnisse gebracht und zum Rückgang beim Angebot geführt. Nur die wenigsten Fahrer schaffen es offenbar, unter legalen Bedingungen profitabel zu arbeiten oder können sich das Risiko leisten, weiterhin über den Schwarzmarkt zu tanken.

In der Verwaltung hat man dies mittlerweile erkannt und arbeitet an einer längerfristig orientierten Neuordnung des privaten Taxiverkehrs in Havanna. Bereits seit längerer Zeit zirkulieren Gerüchte, dass die alten US-Oldtimer ausrangiert und durch chinesische Autos und russische Kleinbusse ersetzt werden sollen, die auf Vertragsbasis mit dem Staat arbeiten. Ein in Frage kommendes Fahrzeugmodell wurde bereits im Juni vorgestellt. Auch die Einführung von Großmarktpreisen an den Tankstellen ist im Gespräch, so dass die Taxifahrer dort zu moderateren Preisen legal tanken könnten.

Inwiefern neue Vertragsmodelle mit günstigerem Steuersatz und vergünstigtem Benzin eine mittelfristige Lösung darstellen können, bleibt offen. Fakt ist, dass der Staat den Taxifahrern eine Alternative zum Schwarzmarkt anbieten muss, wenn er die Preise für die Passagiere konstant halten will. Dabei ist schnelles Handeln gefragt, denn die Transportsituation war bereits vor dem Rückgang der Taxis kritisch. Täglich nutzen über 175.000 Personen in Havanna die Colectivo-Taxis.

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