Staudamm am Río Sogamoso - Wie deutsche Firmen in Kolumbien Geschäfte machen

Den betroffenen Menschen wird die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen

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Den Fluss gestaut, das Land überschwemmt, den Menschen ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen: Der Staudamm Hidrosogamoso
Den Fluss gestaut, das Land überschwemmt, den Menschen ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen: Der Staudamm Hidrosogamoso

Santander, eine Region 285 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bogotá. Dort fließt der Fluss Rio Sogamoso durch eine Region tropischer Bergwälder mit einer hohen Artenvielfalt, bevor er den größten Fluss des Landes, den Rio Magdalena, speist. Die Menschen vor Ort leben am und vom Fluss, betreiben Land- und Viehwirtschaft, und sie sind auf das Wasser des Sogamoso angewiesen. Das ist nun vorbei. Auch wegen der Beteiligung deutscher Zulieferer und Versicherer sowie einer deutschen Exportkreditbürgschaft.

Jahrelang war es die größte Baustelle Kolumbiens. In der nordkolumbianischen Region Santander baute das Unternehmen Isagen ein Wasserkraftwerk am Fluss Sogamoso. Die kolumbianische Regierung versprach sich eine energetische Erschließung der abgelegenen Region, der Staudammbetreiber Isagen versprach der lokalen Bevölkerung Entwicklung und Wohlstand.

Bei dem Wort "Entwicklung"“ kann Claudia Ortiz nur müde lächeln. Ortiz kommt selbst aus dem Fischerdorf La Playa, einige Kilometer flussabwärts von Betulia, ihre Familie lebt vom Fischfang und der Landwirtschaft. "Entwicklung - das ist einfach eine Lüge", berichtete sie bereits Ende 2014 bei ihrem Besuch in Berlin, wo sie gegen die deutschen Beteiligungen am Staudamm protestierte. "Vor dem Bau des Staudamms garantierte uns der Fluss Rio Sogamoso Wasser, Nahrung, Arbeit und Transportmöglichkeit. Heute gibt es davon nichts mehr. Und sowohl die kolumbianische Regierung als auch die am Bau beteiligten Unternehmen weigern sich, uns als Geschädigte anzuerkennen und Ausgleichszahlungen zu zahlen." Flussabwärts ist der Fluss teilweise nur noch ein Rinnsal, Nun ist der Stausee geflutet, eine Fläche von 70 Quadratkilometern wurde überschwemmt, dort, wo zuvor Menschen lebten, Ackerfeldwirtschaft betrieben, ihr Vieh weidete.

Isagen sagt, sie hätten Entschädigungen für die Menschen gezahlt. “Unzureichend und nicht für alle, die betroffen sind”, kritisiert Juan Pablo Soler vom Movimiento Ríos Vivos aus Kolumbien, der die Betroffenen seit Jahren in ihrem Kampf um Gerechtigkeit und Entschädigung begleitet. Isagen behauptet auch, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationen in 128 Gemeinden mit 2.100 Personen durchgeführt wurden. Aber schon das Umweltgutachten zum Hidrosogamoso-Projekt schätzte die Zahl der betroffenen Menschen hingegen auf 30.000.

Bislang wurden mehr als 180 Familien umgesiedelt und sehen sich heute oftmals mit schlechteren Lebensbedingungen konfrontiert als zuvor. Zugewiesenes Ersatzland ist teilweise deutlich kleiner als versprochen. 73 Familien erreichten im September 2015 erst nach 177 Tagen Dauerprotest vor dem Regierungsgebäude die Zusage, durch Agrarprogramme neue Einkommensmöglichkeiten zu erhalten. Viele Betroffene wurden gar nicht entschädigt, unter anderem Menschen, die von Tourismus und Gastronomie gelebt hatten, Straßenverkäuferinnen und -verkäufer, Tagelöhner und Fischer. Dammabwärts sind die Fischbestände stark dezimiert und reichen den Familien kaum noch, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Seit Dezember 2014 sind die ersten Turbinen in Betrieb. Die wurden aus Deutschland geliefert. Aus Ravensburg liefert die Tochterfirma der österreichischen Andritz, Andritz Hydro, drei Großturbinen vom Typ Francis. Jede hat eine Nominalkapazität von 280 MW. Für diese gewährte die deutsche Bundesregierung im Dezember 2012 eine Exportkreditgarantie (Hermes-Bürgschaft) über 73 Millionen US-Dollar, zur Deckung des Kreditvertrages durch die Banco Santander. Und es gibt die Versicherer, die auch eine deutsche Verbindung haben. Denn die lokalen Versicherer des Staudamms sind Colseguros mit 60 Prozent der Versicherung des Staudamms Hidrosogamoso, Suramericana und La Previsora SA mit je 20 Prozent des Staudamms. La Previsora SA ist ein halbstaatlicher kolumbianischer Versicherungskonzern, Suramericana gehört zu 18.9 Prozent der Munich Re und Colseguros ist eine 100 Prozentige Allianz-Tochter.

Der kolumbianische Staudammbetreiber Isagen wirbt auf seiner Internetseite mit einer Präsentation mit den für den Staudamm Hidrosogamoso erfolgreich unter Vertrag genommenen Rückversicherern: Allianz, Munich Re, Hannover Re, Zurich, Lancashire und weiteren nicht genannten. Und die elektromechanische Ausstattung mit Transformatoren, Elektro-Substationen und Schaltanlagen erfolgte durch Siemens.