Griechenland / Politik

Syriza - moralisches und politisches Beispiel für die Völker

Es sollte nicht überraschen, dass die herzlichsten und solidarischsten Glückwünsche an Tsipras zum Sieg beim Referendum aus Lateinamerika und der Karibik kamen

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Logo der griechischen "Koaltion der radikalen Linken" (Synaspismos Rizospastikis Aristeras – Syriza)
Logo der griechischen "Koaltion der radikalen Linken" (Synaspismos Rizospastikis Aristeras – Syriza)

Der enorme politische Sieg von Alexis Tsipras mit dem monumentalen Nein beim Referendum vom 5. Juli hat tiefe Auswirkungen, international und in der Europäischen Union (EU) selbst. Die politische Leitung des Prozesses durch Tsipras und seine Koalition Syriza zeigt die demokratische und mit dem Volk verbundene Art dieser politischen Kraft im breitesten und wahrsten Sinn beider Worte: Dieser Prozess führte von der Einigung der verschiedenen Bündnispartner auf ein gemeinsames Programm und dem Stimmenzuwachs bei Wahlen bis zum Sieg bei den Parlamentswahlen im Januar 2015 und sechs Monate später bei der Volksabstimmung zu doppelt so vielen Stimmen wie im Januar.

Tsipras und Syriza beweisen auch ihre kommunikativen Fähigkeiten, denn dieser aufsteigende politische Werdegang wurde gegen eine ungeheure Terrorkampagne der hegemonialen europäischen und griechischen Medien erreicht, vor allem in der Phase vor dem Referendum.

Syriza hat mehrfach ihr Gespür bewiesen, die Gefühle und Hoffungen ihrer Landsleute zu ergründen, vor allem der Jugendlichen, dem Bevölkerungssektor, in dem sie ihre solideste, kreative und begeisterte Unterstützung hat. Dies wird eine enorme Stärke in jedem Bereich und unter allen Umständen werden: das wichtigste und entscheidenste, was eine politische Leitung von einem Volk erhoffen kann, um eine angemessene Strategie auszuarbeiten.

Aber in einem Europa und in einer Welt, wo das Verhalten nicht weniger politischer Führer fast ausschließlich von der wahnwitzigen Gier des Finanzkapitals diktiert wird und wo, mit Ausnahme einiger weniger Länder, die Entscheidungen über das Leben der Menschen stets getroffen werden, ohne ihre Meinung zu hören, machen die erwähnten Qualitäten von Syriza sie auch zu einem der wichtigsten moralischen und politischen Bezugspunkte für die Völker Europas und der Welt.

Es sollte nicht überraschen, dass die herzlichsten und solidarischsten Glückwünsche an Tsipras zum Sieg beim Referendum aus Lateinamerika und der Karibik kamen. Unter den ersten, noch am Sonntagabend, die von Fidel und Rául Castro, den Anführern der einzigen Revolution des 20. Jahrhunderts, die weiterhin lebendig, stark und ihrer Politik der Solidarität treu ist. Ebenso die von Nicolás Maduro, Evo Morales und Cristina Fernández. Einzigartige Persönlichkeiten in der Region der Welt, die sich mit der meisten Kraft und dem größten Erfolg den neoliberalen Politiken widersetzt hat und wo es einige Regierungen gibt, die darauf beharren, die Demokratie weit über die engen Grenzen des üblichen repräsentativen Modells hinaus zu entfalten.

Aber kaum 72 Stunden nach dem Sieg von Tsipras im Referendum hat er erneut außerordentliche Unruhe hervorgerufen, als er vor dem Europäischen Parlament das Scheitern der Austeritätspolitiken in Griechenland bloßgelegt hat, die von der Troika verfolgt wurden. Er hat dabei mit einer Klarheit gesprochen, wie es zuvor in diesem Parlament kaum getan wurde. Er räumte den Klientelismus und die Korruption der Vorgängerregierungen ein, die Existenz von Oligarchien und Monopolen und anderen strukturellen Problemen, einschließlich des Rentensystems. Aber er stellte ganz klar, dass diese Praktiken nicht seiner Regierung angelastet werden können. Und er legte mit diesem Satz den Finger auf die Wunde: "Wir müssen aufrichtig sein: das Geld, das Griechenland gegeben wurde, kam nie beim griechischen Volk an. Es sind Gelder, die gegeben wurden, um die griechischen und europäischen Banken zu retten". Er fügte hinzu, dass glaubwürdige Reformen notwendig seien, um diese Probleme zu lösen und dass diejenigen deren Last tragen sollten, "die sie verschmerzen können" – ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Opfer bis jetzt ausschließlich auf den Schultern des Volkes abgeladen wurde.

Tsipras stellte auch klar, dass das, was diskutiert wird, kein griechisches, sondern ein europäischen Problem sei, wegen der Unfähigkeit der EU, die Verschuldung der Länder anzugehen. Und dass das einzige, was die Rettungsprogramme in den Ländern Südeuropas erreicht haben, massive Arbeitslosigkeit und Armut sind, egal wie Rajoy1 den Mund voll nehme und von "Aufschwung" spreche. In Griechenland haben sie die Wirtschaft und die Gesellschaft mehr als in jedem anderen Land zermalmt, bis hin zu kriminellen Ausmaßen und, wie selbst der IWF anerkennt, die Schulden auf ein unbezahlbares Niveau erhöht.

Eine Lösung scheint auf dem Weg zu sein. Schmerzhaft für Griechenland für eine bestimmte Zeit, aber viel weniger schmerzhaft als die, die Frau Merkel und die Troika bis gestern aufzwingen wollten. Hollande2 und Obama, die sich der großen ökonomischen und geopolitischen Gefahr bewußt sind, die das Ausscheiden Athens aus der EU bedeuten würde, haben das ihre getan, und es scheint so als würden wir "weißen Rauch" sehen. Aber wenn eine Lösung erreicht werden sollte, dann ist dies vor allem auf die Beharrlichkeit von Tsipras und die wachsende Unterstützung seines Volkes zurückzuführen.

  • 1. Spaniens Ministerpräsident
  • 2. Staatspräsident von Frankreich