Venezuela / Kultur

Zeitreise in Venezuelas alte Kultur der Kuikas

Die sozialistische Regierung vermittelt stärker die indigene Geschichte des Landes

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Der Río Castán in Venezuela
Der Río Castán in Venezuela

Die Bolivarische Regierung Venezuelas legt Wert darauf, dass die jungen Generationen die Welt ihrer Vorfahren kennen lernen. Geschichte und Kultur der indigenen Bevölkerung gehören zum allgemeinen Schulprogramm, seit Präsident Hugo Chávez, der selbst indigene Wurzeln besaß, im Jahre 1999 die Bolivarische Revolution in Gang setzte. Dieses Programm wird von Präsident Nicolás Maduro fortgeführt.

Es gibt ein schulisches Programm mit dem Titel “Encuentro con nuestras Raices Indigenas”, also etwa: Begegnung mit unseren indigenen Wurzeln. Schulkinder besuchen Ausstellungen und lernen mit audio-visuellen Medien die wichtigsten Merkmale indigener Kultur kennen. Im Bundesland Trujillo nehmen 20 Schulen an dem Programm “La Gran Nación Kuikas” (Die große Nation der Kuikas) teil.

Die Kuikas waren Paläo-Indianer, die seit 20.000 v.u.Z. in dem Gebiet der heutigen venezolanischen Andenstaaten Mérida, Táchira und Trujillo lebten.

In dem gesamten Gebiet des Bundeslandes Trujillo gibt es eine Vielzahl archäologischer Fundstätten mit Resten von Behausungen der Kuikas, wo menschliche und tierische Knochen, Töpferwaren, Waffen und sonstige Gebrauchsgegenstände gefunden wurden, die über die alte Kultur Auskunft geben.

Ein trujillanischer Wissenschaftler, der sich den Kuikas widmete, war Felipe Antonio Velázquez Azuaje (1944-1980). Er wurde am 22. Oktober 1944 in dem Andendorf San Lázaro geboren. Er studierte Anthropologie an der Universität von Barquisimeto im Bundesstaat Lara und Soziologie an der venezolanischen Zentraluniversität in Caracas. Ab 1974 lehrte er als Professor für Anthropologie an der Anden-Universität in Ciudad Trujillo. Durch die Veröffentlichung etlicher Monographien machte er sich als Kuikas-Forscher einen Namen. Velázquez Azuaje starb früh, mit 35 Jahren, am 26. August 1980.

In dem Museum von Ciudad Trujillo, der Casa de los Tratados in der Avenida Independencia Nr. 3, ist der fünfte Raum den Kuikas gewidmet. Das Wort Kuikas bedeutet Brüder. Sie waren ein friedliches Volk von Bauern und Jägern, das in Harmonie mit der Natur lebte. Die Kuikas verehrten Ikake, Mutter Natur. Ihre Tänze und Gesänge fanden zu Ehren des Sonnengottes Chés und der Mondgöttin Chía statt. Die Kuikas verehrten auch die Sterne und nannten sie die Augen des Universums. Sie waren in schamanischer Heilkunst und Magie bewandert. Ihre Erzähler überlieferten mündlich die Mythen des Volkes.  

Die Vitrinen in dem Museum zeigen Töpferwaren der Kuikas, zum Beispiel eine Bestattungsurne aus Terrakotta, die mit schwarzen, schlangenförmigen Mustern bemalt ist. Die Kuikas verzierten auch ihre Rücken mit langen, geometrischen Mustern. Die Farben wurden aus Pflanzenpigmenten und Mineralien gewonnen. In anderen Vitrinen sind kleine Figuren ausgestellt: menschliche Wesen, Affen, Eulen und Schildkröten.

Ein Mörser zum Stampfen von Mais erinnert daran, dass die Kuikas von der Landwirtschaft lebten. Sie bauten Bohnen, Kartoffeln, Mais, Tabak, Tomaten und Yuca an. Für ihre Anpflanzungen errichteten sie Terrassen an den Hängen der Anden, um Erosion zu verhindern. Dieses Volk ging auch zur Jagd. Eine der Vitrinen präsentiert Köcher und Pfeile aus Holz, mit Federn und Perlen geschmückt. Die Pfeilspitzen bestehen aus Knochen oder Stein.

Es gab männliche und weibliche Häuptlinge bei den Kuikas. Der männliche Anführer trug den Titel “Tabiskey”, die weibliche Form ist “Tabiskeya”. Alle Tabiskeys und Tabiskeyas versammelten sich regelmäßig im Großen Rat. Der Begriff “Tabiskey” bedeutet “Mensch mit zehn Adlerfedern”. Die Anführer der Kuikas trugen zum Zeichen ihrer Weisheit und Würde zehn Adlerfedern auf der Stirn.

Mit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert begann die Ausrottung der Kuikas. Ein berühmter Häuptling, der tapfer, aber vergeblich gegen das spanische Kolonialheer kämpfte, war der Tabiskey Kastán. Am 14. Mai 1500 geboren, gehörte er zu dem Stamme der Muku innerhalb des Kuikas-Volks. Kastán zeichnete sich durch große Tapferkeit aus. Spanische Chronisten beschrieben ihn als einen korpulenten, intelligenten Indianer. Im Jahre 1527 wurde Kastán gemeinsam mit seiner Frau, der Tabiskeya Kura, und seiner Tochter Kamura von dem Spanier Joan Roldán ermordet. Die Leichen wurden verbrannt, ihre Asche in einen Fluss gestreut, der heute Río Kastán heißt.

Ein Großteil der Kuikas wurde von den spanischen Eroberern durch Genozid ausgelöscht. Der Rest vermischte sich im Laufe der Jahrhunderte mit den spanischen Eroberern und anderen Einwanderern in Venezuela. Die Kuikas gibt es heute nicht mehr, aber etliche Ortsnamen in dem Bundesland Trujillo erinnern an sie, denn die Namen stammen aus der alten Sprache dieses indigenen Volks: Betijoque, Boconó, Burbusay, Carache, Motatán und Niquitao.