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Kuba: Der unbekannte, weltberühmte Dissident

Wie ein bis zu seinem Tod anonymer Gefangener in Kuba postum berühmt wurde

Der Tod eines Häftlings in Kuba sorgt erneut für Schlagzeilen. Seit der Nachricht am 19. Januar sind weltweit unzählige Meldungen über den mutmaßlichen Dissidenten Wilman Villar Mendoza veröffentlicht worden. Kubas Regierung hat diese Darstellungen zurückgewiesen.

Recherchiert hatte in dem umstrittenen Fall kaum jemand. Wenn Villar Mendoza ein bekannter Regierungsgegner war und sich, wie nun berichtet wird, seit zwei Monaten im Hungerstreik befand: Wäre darüber nicht zuvor berichtet worden? Und was macht ein politisch motivierter Hungerstreik für Sinn, wenn er nicht öffentlich gemacht wird?

Beispiel Deutsche Presse-Agentur (dpa): In der Datenbank der Agentur taucht der Name des Gefangenen erstmals am 20. Januar auf, nach dessen Tod im Krankenhaus. Um 10:15 Uhr vermeldet die dpa auf Englisch: "Death of hunger-striking dissident angers Cuban opposition". Wenige Stunden später folgen die Reaktionen aus Miami, dann eine Fülle weiterer Meldungen. 

Beispiel Cuba Encuentro: Auch die regierungskritische Online-Zeitschrift aus Spanien kennt Villar Mendoza lange nicht. Erst als der Häftling wegen seines kritischen Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus verlegt wird, erscheinen auf der Seite Mitte Januar vier Meldungen. In den Tagen nach seinem Tod berichtet Cuba Encuentro in mehr als 80 Artikeln über den Fall. Berichtet wird vor allem auch über Sanktionsforderung rechter EU-Politiker gegen Kuba.

Beispiel Google News: In Nachrichtendienst der weltweit größten Suchmaschine ist bis Mitte Januar kein Artikel über Villar Mendoza zu finden. Der erste Treffer datiert auf den 16. Januar. Der Autor der antikubanisch ausgerichteten Tageszeitung The Miami Herald, Juan O. Tamayo, schreibt an diesem Tag über "einen kubanischen Dissidenten", der aus dem Gefängnis ins Krankenhaus verlegt worden sei. Es ist der erste Beitrag eines größeren Mediums über den Fall – und der Startschuss für eine weltweite Artikelschwemme. Tamayo liefert unter Berufung auf zwei Systemoppositionelle der Gruppierung "Unión Patriótica Cubana" die mutmaßliche Geschichte Villar Mendozas: Er sei im Oktober in die Gruppe eingetreten und im November verhaftet worden. Doch Nachrichten darüber fanden sich zuvor nicht.

Diese kurze Gegenrecherche nährt tatsächlich die Zweifel an der Darstellung des Verstorbenen als bekannten Dissidenten und politischen Gefangenen. Doch diese Zweifel werden nicht erhoben. Der FDP-Mann und Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, lobte den Einsatz Villar Mendozas "für Demokratie und Menschenrechte", denn: "Für diesen Einsatz hat er nun mit seinem Leben bezahlt. Ich verneige mich vor ihm." Auch tagesschau.de und selbst die sozialistische Tageszeitung Neues Deutschland verbreiteten diese Version.