Paraguay

Lugo: Paraguayische Linke hatte nie einen besseren Zeitpunkt

Fernando Lugo über die aktuelle Situation in Paraguay und die paraguayische Linke

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Fernando Lugo bei einem Interview im April 2011
Fernando Lugo bei einem Interview im April 2011

Als Fernando Lugo im August 2008 das Amt des Präsidenten von Paraguay übernahm, dachte er, dass er nach Ablauf seines Mandates im August 2013 anderen Tätigkeiten außerhalb der institutionellen Politik nachgehen würde. Aber der Putsch von Ende Juni 2012 änderte sein Leben radikal, sagte er bei einem Treffen gegenüber brasilianischen Medien am 2. August in Sao Paulo.

"Niemals stärker als heute fordern die Bürger von mir, dass ich weniger Bischof und mehr politisch tätig sein soll", bekräftigte Lugo, der die führende Rolle bei der Einigung der paraguayischen Linken nach seiner Amtsenthebung übernommen hat. Und er fügte hinzu, dass heute täglich soziale und politische Gruppen darüber diskutieren, wie das nationale Projekt für den Aufbau des Landes fortgeführt werden soll. "Vorher gab es so etwas nicht. Die Linke hatte niemals einen besseren Zeitpunkt. Niemals vorher haben sich zwölf Parteien und acht Gruppierungen vereint", erklärte er mit Hinweis auf die Frente Guasú, die sich im März 2010 aus linken und Links-Mitte-Strömungen formiert hatte.

Für die Wahlen im kommenden Jahr müssten die Kräfte an zwei Fronten konzentriert werden: Einerseits, um die Präsidentschaft zu erkämpfen und andererseits, um eine möglichst hohe Anzahl an Sitzen im Parlament und im Senat zu erreichen. Für das letztgenannte Ziel wird Lugo die Wahlliste anführen. Das Recht darauf hatte ihm der Oberste Gerichtshof Paraguays bestätigt. "In einigen Wochen werden wir klarer sehen, wie es am günstigsten laufen kann. Ich denke, wenn es für die Wiederherstellung der Demokratie in Paraguay wichtig ist, werde ich mich zur Verfügung stellen", sagte der gestürzte Präsident.

Für Lugo bedeutet die nächste Wahl die Auseinandersetzung zwischen einer erneuerten Linken und einer "recycelten Rechten". "Deswegen gibt es Hoffnung. Die Bürger Paraguays sind polarisiert wie niemals zuvor. Wenn die Linke es schafft, auch bisher unpolitische Kräfte zu aktivieren, hat sie Chancen". Laut Lugo ist einer der großen Vorteile der Frente Guasú, dass sie sich von den traditionellen Parteien des Landes deutlich unterscheide. "Die paraguayische Rechte fiel in kürzester Zeit aus einer Euphorie in die Depression. Sie dachten, dass es leicht sein, den Putsch durchzuziehen. Sie dachten, dass die Unasur (Gemeinschaft südamerikanischer Staaten) keine Sanktionen verhängen würde, dass die internationale Gemeinschaft sie anerkennen würde. Heute sind sie komplett isoliert", hob er hervor.

Der Putsch

Laut Fernando Lugo war nicht die politische Arbeit seiner Regierung ausschlaggebend für den Putsch, wie es im Kongreß dargelegt wurde, sondern das Potential der Veränderung der paraguayischen Gesellschaft. "Wir haben keinerlei sozialistische Maßnahmen ergriffen. Wir akzeptierten die Spielregeln. Es gab gute Beziehungen zu internationalen Organisationen und die wirtschaftlichen Indikatoren, so wie sie es sehen wollten, stimmten. Die Wirtschaft entwickelte sich, die Inflation war unter Kontrolle, internationale Beziehungen wurden ausgebaut, Schulden pünktlich gezahlt ... wir haben gut gearbeitet. Aber es gab eine Gefahr. Der fortlaufende Prozess des Wandels. Das hat sie gestört. Ökonomisch waren wir genehm, aber politisch hatten wir zuviel Kontakt zu sozialen Gruppierungen", argumentierte er.

Der gestürzte Präsident ist überzeugt, dass der Putsch nicht von heute auf morgen vorbereitet wurde. "Darüber haben sie schon lange nachgedacht", sagte er und verwies auf eine entsprechende Veröffentlichung bei Wikileaks, aus der hervorgeht, dass die USA schon seit 2009 über das Vorhaben informiert waren. "Als ich in die Politik ging, sagte man mir, dass 70 Prozent der Entscheidungen außerhalb des Landes fallen würden. Ich konnte das nicht glauben. Heute schließe ich diese Möglichkeit nicht mehr aus". Laut Lugo zeigen in Paraguay – wie in großen Teilen der Welt – die wirklichen Machthaber nicht ihr Gesicht. Im Falle Paraguays sind es die Drogenbosse, die Sojaproduzenten und die transnationalen Agrarfirmen.

"Die Putschregierung hat bereits vier Maßnahmen ergriffen, die zeigen, wer in Paraguay die Politik macht. Als erstes haben sie die Soja-Exportsteuer beendet. Dann haben sie die Einfuhr von genverändertem Soja-Saatgut genehmigt, während meine Regierung daran gearbeitet hat, das landeseigene Saatgut weiterzuentwickeln. Als dritte Maßnahme haben sie angekündigt, eine Schuldsumme zu bezahlen, die in Paraguay nie eintraf. Es geht um 80 Millionen Dollar aus der Zeit der Strössner-Diktatur, die niemals ins Land kamen. Die vierte Maßnahme betrifft den multinationalen Konzern Rio Tinto. Wieso wollen sie in Paraguay Aluminium produzieren, wenn das Ausgangsmaterial und der anschließende Absatzmarkt in Brasilien liegen? Sie verhandeln darüber, dass der Energiepreis für das Unternehmen auf 30 Jahre ohne Neuanpassung festgeschrieben wird – mit einem Verlust von 14 Millionen Dollar [für den Staat Paraguay]. Ohne Zweifel, diese Multinationalen sind die Machthaber", erklärte er.

Gegenüber den Medien erläuterte Lugo, dass für eine strukturelle Änderung im Land die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung notwendig sei, die als oberste Priorität über die Eigentumsfrage beim Grund und Boden entscheiden müsse. Dafür sei ein starker Rückhalt im Parlament notwendig, was eine weitere große Herausforderung darstellt, fügte er hinzu.

Zur Frage einer möglichen Rückkehr zur Präsidentschaft erklärte Lugo, dass es zwei Wege gäbe. Der erste hängt von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ab, der aktuell die Verfassungsmäßigkeit des politischen Verfahrens prüft. Der andere wäre politischer Natur: Wenn der Senat anerkennen würde, dass der Prozess [seiner Ablösung] irregulär war und seine Absetzung rückgängig machen würde. Diese Möglichkeit sieht der gestürzte Präsident allerdings nicht optimistisch. "Ich glaube an Gott und an Wunder, aber daran glaube ich nicht", fügte er ironisch hinzu.