Beibehaltung des Namens der Pablo-Neruda-Schule

Offener Brief des Casa Bertolt Brecht an die Mitglieder des Stadtrats von Chemnitz

Instututo Cultural
Casa Bertolt Brecht
Andes 1274
11000 Montevideo
Uruguay

An die Mitglieder des
Stadtrats von Chemnitz


Montevideo, 23. April 2013


Sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrats,

wir bitten Sie eindringlich dafür zu sorgen, dass die Pablo-Neruda-Grundschule in ihrer Stadt weiterhin den Namen des chilenischen Dichters trägt.

Seit fast 50 Jahren widmen wir uns als eine Einrichtung uruguayischer Bürger dem Kulturaustausch mit Deutschland. So wissen wir um die grosse Bedeutung, die kulturelle "Wegzeichen" im Alltag der Menschen spielen können; wir sind sicher, dass der Name der Chemnitzer Schule vielen Bürgern Anlass gab und gibt, sich mit diesem Dichter von Weltruhm und seiner Werk zu befassen. Warum wollen Sie das ändern?

In unserer Stadt Montevideo gibt es (wie fast überall in Südamerika) Strassen und Plätze sowie Einrichtungen (Kulturzentren, eine Musikschule und einen Kindergarten), die nach verdienstvollen Deutschen benannt sind.  Niemand in diesem Land käme auf die Idee, derlei Errungenschaften abschaffen wollen, im Gegenteil: Wir erleben sie als sichtbare Zeichen der Verbundenheit zwischen unseren Völkern und Nationen.

Pablo Neruda war nicht nur ein Lyriker und Literatur-Nobelpreisträger. Er war Pädagoge und ein unerschrockener Parlamentarier im Einsatz für die Befreiung Südamerikas. Auch fast 40 Jahre nach seinem Tod ist er mit seinem Werk eine wichtige Stimme des Subkontinents und seiner Bewohner.

Offen gesagt: Es fehlen uns die Worte und die Argumente, um den Bürgern unseres lateinamerikanischen Landes plausibel zu machen, warum im Jahre 2012 in einer deutschen Grossstadt, die sich "Stadt der Moderne" nennt, eine Namensgebung rückgängig gemacht werden soll, die so beispielgebend die kulturellen und humanitären Verbindungen zwischen Europa und Lateinamerika kennzeichnet: Bis heute unvergessen ist Nerudas persönlicher Einsatz in Chile und den benachbarten Ländern um die Würdigung der deutschen Schriftsteller, deren Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt worden sind, darunter Heine, Thomas Mann, Arnold Zweig, Brecht und andere.

Bitte setzen Sie bei den Menschen in Lateinamerika keine falschen Zeichen! Es wäre fatal den Eindruck entstehen zu lassen, eine der wichtigsten Stimmen Lateinamerikas würde in ihrer Stadt ohne jede Not zur persona non grata erklärt.

Wir wünschen Ihnen für Ihre Entscheidung am kommenden Mittwoch eine glückliche Hand mit Blick auf die Werte des kulturellen Miteinanders: Bitte überzeugen Sie auch die Mitglieder der Schulkonferenz vom Auftrag des Bildungswesens in einer globalisierten Welt, zur Kenntnis fremder Kulturen, zum friedlichen und demokratischen Zusammenwirken der Menschen und zur Verständigung zwischen den Völkern beizutragen.

Des Weiteren wünschen wir Ihnen, dass (sobald der Konflikt um die Rücknahme der Namensgebung glimpflich ausgestanden ist) nur noch erfreuliche Nachrichten der Anlass sind, wenn die Welt nach Chemnitz blickt.

Im Namen der Leitung und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Casa Bertolt Brecht in Montevideo (Uruguay)

Walter Cortazzo
Presidente de la Comisión Directiva

Elsa García
Secretaría