Ein kurzes Bild der Lage
Wie zu erwarten war, ist die lateinamerikanische akademische Lehre einer der Bereiche, in denen schon immer die verschiedenen Ungleichheiten hervorgehoben und untersucht worden sind. Die Themen, die auf den Gebieten der Human- und Gesellschaftswissenschaften behandelt wurden, trugen zunächst zur Verbreitung einer Geschichtsschreibung bei, die auf der Grundlage dessen strukturiert war, was man als zivilisatorisches Fundament betrachtete und dem europäischen Denken folgte. Doch gegenüber dieser Hegemonie gab es regionale historische Prozesse und eine von Schwarzen Intellektuellen entwickelte theoretische Produktion, die vergessen und verschwiegen wurde.
Die Freisetzung dieses – gefühlt – gar nicht Existenten ist von grundlegender Bedeutung, wenn man an mögliche erkenntnistheoretische und diskursive Zäsuren denkt, die eine effektivere Lektüre der Merkmale unserer eigenen Realitäten angesichts eines scheinbar unanfechtbar dominanten und kolonialen Wissens hervorbringen.
"Wer die Definitionsmacht hat, hat auch die Macht, dem definierten Gegenstand Relevanz, Identität, Klassifizierung und Bedeutung zu verleihen" (Ramose, 2011).
Die Beiträge der neuen Geschichtsschreibung sind indes vielfältig; angefangen von einer Untersuchung der europäischen Expansion und ihrer Wirkung auf die indigenen Gesellschaften Amerikas, die da sind: Beherrschung, Gewalt und Widerstand im Kontext einer Kolonialisierung, der es, von Ausnahmen abgesehen, an jeglicher Sensibilität für das Anderssein fehlte.
Ramose benennt in seiner Kritik auch genau die Stringenz, mit der die akademische Lehre immer noch im eurozentristischen Sinn die Prioritäten für die Analyse oder die Unterdrückung einiger bei der Herausbildung der lateinamerikanischen Identität entscheidenden Prozesse festlegt und einordnet. Zu diesen Prozessen gehört auch die Haitianische Revolution selbst.
Ein klares Beispiel ist die falsche Symmetrie, die hergestellt wird zwischen den Revolutionen im 18. Jahrhundert und der sekundären Rolle, die der Haitianischen Revolution zugeschrieben wird.
Es ist ganz offensichtlich, dass an den Lehrstühlen für Gesellschaftswissenschaften der lateinamerikanischen Universitäten weiterhin diese Vorurteile bestehen, trotz der Erneuerung der Lehrpläne und der Fortschritte in der Forschung in den letzten vier Jahrzehnten besonders im Bereich Sozialgeschichte. So marginalisiert man weiterhin die Mehrzahl der von Schwarzen in Amerika angeführten aufständischen und revolutionären Bewegungen und schweigt sie tot. Sie werden aufgrund einer rassistischen Denkweise, die sie als reine Ausnahme-Ereignisse ansieht, historisch in die zweite Reihe verbannt. Warum betrachtet man sie nicht stattdessen eingeordnet in den Verlauf der Revolutionen im Gebiet des Atlantischen Ozeans ?
Alle diese Fragen eröffnen Wege, um über die Rolle der Pädagogik und der Geschichtslehre nachzudenken und auch über die Wichtigkeit, sowohl Inhalte als auch Methodologie in bestimmten Fachrichtungen zu überdenken. Das könnte – neben einem besseren Verständnis der lokalen, regionalen und weltumspannenden Prozesse – eine bessere Annäherung an unsere geschichtlichen Vorläufer hervorbringen.
Nützlich bei der Betrachtung ist unserer Meinung nach, die Perspektive der "sich überschneidenden Historien"; ein Standpunkt, der die Nationalismen relativiert, die Gesellschaften von ihren Berührungspunkten her analysiert und versucht, alle Eigenschaften und Erscheinungsformen, die das Anderssein hervorbringt, zueinander in Verbindung zu setzen.
Haiti wurde zum ersten Land, das ehemalige Sklaven regierten. Ohne Zweifel war das eine Revolution, die in verschiedenen geografischen Räumen – über Frankreich und seine Kolonie Saint-Domingue hinaus – ein Echo fand.
Haiti ist grundlegender Bestandteil des zivilisatorischen Prozesses in Lateinamerika. Die europäische Kultur und die der anderen Machtzentren verbreitet weiterhin Emanzipationsrhetoriken gegen jede Art von Unterdrückung, aber sie erleiden weiterhin Schiffbruch mit ihrem Rassismus und impliziten Kolonialismus, wenn es darum geht, das Beispiel Haiti zu erklären.
Vergessen: Die Haitianische Revolution und die Schlacht von Vertières
Erst im Februar 2019 findet das Wort Vertières Eingang in das Wörterbuch der Académie française; ein Ereignis, das der intellektuellen Arbeit des haitianisch-kanadischen Wissenschaftlers Dany Laferrière zu verdanken ist. Zu dieser inakzeptablen Verzögerung kam es genau deshalb, weil dieses Wort sich auf den geostrategischen Ort bezieht, an dem Frankreich vom sogenannten "Indigenen Heer" besiegt wurde, das nach der historischen Erzählung diesen Namen zu Ehren der eingeborenen Völker und ihrer Rebellionen annahm; es besiegte das napoleonische Heer verkündete die Freiheit der Sklaven. Gleichzeitig entschieden die Aufständischen, alle Ausländer zu schützen, die den Boden des westlichen Teils der Insel Santo Domingo (heute Haiti) auf der Flucht vor Sklaverei, Unterdrückung oder politischer Verfolgung durch die Kolonisatoren betreten.
Die Schlacht von Vertières, kaum erwähnt und noch weniger anerkannt, war die letzte große Schlacht der Haitianischen Revolution; die Schlacht, die das Paradigma brach, das der Europäer der sozialen Struktur auferlegt hatte. Im Unterschied zur Französischen Revolution strebte der Aufstand tatsächlich die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit an, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sozialer Klasse und Bildungsniveau.
So kommt es, dass heute auf haitianischem Boden selbst bei einer ethnisch unterschiedlichen Bevölkerung – besonders aufgrund der Mischung von Afrikanern, eingeborenen Indigenen, Polen, Engländern, Deutschen, Juden, Libanesen, Arabern etc – die Bewohner durch eine einzige Sprache, das Kreol oder Criollo vereint sind, durch eine gemeinsame Kosmovision und durch eine einzige Kultur: die nationale haitianische Kultur.
Aber welches waren nun die bemerkenswertesten Fortschritte, die wir beim Indigenen Heer und bei der Schlacht von Vertières feststellen können? Wir können unter anderem die sexuelle und die ethnisch-rassische Inklusion und die Förderung humanitärer Grundsätze erwähnen.
Im Indigenen Heer gab es mehr Frauen als Männer. Jaques Houdaille bestätigt, dass drei Schwarze Frauen auf jeden Mann kamen und dass viele aktiven Anteil an der Schlacht nahmen und auch hohe Ränge in der Hierarchie innehatten. Bemerkenswert war etwa die Beteiligung von Cécile Fatiman an der Spitze der Rebellion seit der Zeremonie von Bois Caiman; ebenso von Romaine Rivière, "der Prophet", einem der Führer der Aufständischen, der sich als Frau betrachtete und auf dem Schlachtfeld Frauenkleider trug; von Catherine Flon, die das Banner des Heeres nähte; von Marie-Jeanne Lamartinière, als Mann gekleidet und als Soldat anerkannt; von Sanite Belair, die den Rang eines Leutnants hatte; von Marie-Claire Heureuse Félicité Bonheur, Krankenschwester im Heer, die sich sowohl um die Truppe als auch um die verletzten französischen Soldaten auf dem Schlachtfeld kümmerte.
Jedoch erzählen uns die Berichte der traditionellen Geschichtsschreibung von einem wahrhaften "Massaker" an den Weißen. Es ist notwendig hervorzuheben, dass sich das Indigene Heer nicht nur aus Schwarzen zusammensetzte, sondern es darin auch Weiße und Mulatten gab.
Im Juni 1802 landeten rund 2.270 polnische Soldaten am Cabo Francés – heute Cabo Haitiano, damals die koloniale Hauptstadt von Saint-Domingue, während im September weitere 2.500 in Puerto Republicano – heute Puerto Príncipe – landeten. Diese Polen, Deutschen und Schweizer bildeten aber letztlich nur eine unbedeutende Fraktion innerhalb der französischen Expeditionstruppe, die entsandt worden war, um die Rebellion niederzuringen. Von Napoleon betrogen und verlassen, entschieden sie sich am 18.November 1803, zum Indigenen Heer überzulaufen.
Nach dem Krieg baten einige Polen darum, nach Europa zurückzukehren, um sich mit ihren Familien wiederzuvereinen. Jean-Jacques Dessalines selbst organisierte diese Rückkehr-Operation, die vollständig vom haitianischen Staat finanziert wurde. Der polnische General Ludwik Mateusz Dembowski schrieb dann sehr eindrücklich an den General des französischen Heeres Rochambeau: "Ich hatte die Gelegenheit, den Anführer der Aufständischen, Dessalines, kennenzulernen (…). Trotz der großen Rohheit , die sie üblicherweise zeigen, haben sie mich empfangen, und ungeachtet der Ignoranz, die wir in ihnen vermuten, argumentieren sie auf ihre Art und Weise und gerecht."
Obwohl der Befehl von Dessalines während des Konfliktes lautete "den weißen Soldaten die Köpfe abzuschneiden und alle ihre Häuser anzuzünden", wies er doch an, den Krankenschwestern, Ärzten und Sanitätern keinen Schaden zuzufügen und wandte sich auch nicht gegen die Familien der Kolonisten, die im Allgemeinen in ihren Ursprungsländern verblieben waren. Am 19. November 1803 ergaben sich die Offiziere des französischen Heeres und Dessalines gewährte ihnen drei Tage Waffenruhe, um nach Frankreich zurückzukehren.
James M'Kewan, ein Menschenhändler, fragte Alexandre Pétion einmal wegen der Männer und Frauen, die sein "Eigentum" gewesen seien. Pétion antwortete ihm: "Kolonialist, die Menschen, die Du suchst, sind jetzt frei und Bürger der Republik Haiti. Sie sind nicht mehr Dein Eigentum. Was Dich betrifft: Ich gebe dir 24 Stunden, um haitianischen Boden zu verlassen.“
Nach der Schlacht schmiedete Dessalines im Mai 1806 Pläne zur Befreiung der Inseln Martinique und Guadalupe. Jahre später – zwischen 1815 und 1816 – sollte Präsident Pétion, Ex-General des Indigenen Heeres, Simón Bolívar empfangen und ihm Munition und mehr als 300 Offiziere zur Verfügung stellen, um Gran Colombia zu befreien. Außerdem empfing er Francisco de Miranda und bot ihm das Befreiungsschwert Haitis an, damit er weiter für die Emanzipation der Vereinigten Staaten kämpfe.
Pétion bot 1814 auch dem föderalen Argentinier Manuel Derrego politisches Asyl an. Francisco Xavier Miranda y Morfi bat ebenfalls um Hilfe: General Pétion bot seine Unterstützung an und stellte ein haitianisches Schiff zur Verfügung, das Miranda y Morfi nach Mexiko brachte, um dort für die Unabhängigkeit dieses Landes zu kämpfen. Im April 1817 erhielt der damalige Präsident Pétion einen Brief des argentinischen Politikers Juan Martín de Pueyrredón bezüglich der Konsolidierung der Unabhängigkeit der Vereinigten Provinzen. Wie man sieht, entstanden viele Bewegungen zur Befreiung von der Kolonialherrschaft im Dialog mit der Haitianischen Revolution, aber ihre Bedeutung und ihre Verbindungen wurden von der rassistischen Geschichtsschreibung negiert.
Zurück zu Vertières. Es besteht große Unkenntnis über diese Schlacht, die darauf zielte, die von der Französischen Revolution aufgestellten Ideale zu konkretisieren und auszuweiten, darunter die Gleichheit der Menschen, aber ohne geschlechtsspezifische und rassisch-ethnische Unterscheidungen; diese Prinzipien waren Teil des gesamten Prozesses. Das, was später in der Geschichtsschreibung als Barbarei und Massaker eingeordnet wurde – die so genannten "Gesetze des Krieges" – war hauptsächlich der Kampagne von intellektuellen Söldnern wie Jean Louis Dubocra zuzuschreiben, der von Napoleon unter Vertrag genommen wurde, um die geschichtlichen Tatsachen bezüglich Jean-Jacques Dessalines und der Aufständischen ebenso auszulöschen wie die Bedeutung des haitianischen Beispiels für den Kontinent nach der Erlangung der Unabhängigkeit.
Kurz gesagt, verfolgen die Nachkommen der kolonialen Sklavenhalter – sei es aus Scham oder aus Angst – immer noch das Ziel, mittels Journalisten, Politikern und Intellektuellen im Dienste des Kolonialismus die Revolution zu verschweigen. Deshalb bestehen sie darauf, einen pseudo-wissenschaftlichen und eurozentristischen Diskurs aufrechtzuerhalten, nehmen Schlüsselpositionen in politischen, wirtschaftlichen, Medien- und akademischen Bereichen ein und führen so eine imaginäre Vorstellung von Haiti fort, die die Kultur, die Religion und die Geschichte des Landes kaum repräsentiert und schlecht versteht.
Auf jeden Fall ist unbestreitbar, dass eine Revolution der Verbreitung der Menschenrechte dienen und dass sie strukturelle Veränderungen herbeiführen muss, die das soziale Gefüge in seiner Gesamtheit umfassen. Die Französische Revolution und die Nordamerikanische Revolution waren in diesem Sinne Verteidigungs-Bewegungen einer kleinen Elite, einer Bourgeoisie, die unzufrieden war mit der Dominanz einer dekadenten und grausamen Aristokratie. Die Verarmten, die Frauen, die Afrikanisch-Stämmigen und die Massen wurden daher vergessen und versuchten, innerhalb eines "neuen" aber ebenfalls unterdrückerischen Systems zu überleben.
Die neokoloniale Bildung und Erziehung
Ungeachtet der Anstrengungen von vielen haitianischen intellektuellen Frauen und Männern sowohl innerhalb des Landes als auch im Ausland verursachen die imperialistische Politik der USA und der Neokolonialismus Frankreichs immer noch viele soziale, psychologische und pädagogische Probleme auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung. Beide Länder verfolgen beispielsweise immer noch eine "Politik des Vergessens" in Bezug auf die Karibik-Nation. Laut Joseph Bernard Junior wird in US-amerikanischen Schulbüchern selten die Tatsache erwähnt, dass Haiti die USA während des Zweiten Weltkrieges finanziell und militärisch mit einem Budget von fast 20 Millionen Dollar unterstützt hat.
Ein grundlegender Aspekt, um diese koloniale Pädagogik zu verstehen, ist das mit der Katholischen Kirche als der rechten Hand Frankreichs während der Kolonialzeit vereinbarte Konkordat, das am 10. Mai 1860 durch den Präsidenten Fabres Gefrard in der Stadt Gonaives mit dem erklärten Ziel ratifiziert wurde, "das Volk zu christianisieren und anzuleiten". Die Kirche wählte mit strategischer Absicht die Stadt der Unabhängigkeit zum Ort der offiziellen Verkündung des Erlasses: "Wahrscheinlich (…) in Erinnerung daran, dass Gonaives der erste von den Franzosen eroberte Ort war" (Ardouin, 1856).
Vier Jahre später gründete die Katholische Kirche die Mission "Die Christlichen Brüder für die Unterweisung", fast gänzlich vom haitianischen Staat finanziert, über die Hunderte Missionare, hauptsächlich aus Frankreich und den USA stammend, nach Haiti entsandt wurden. Als Folge davon befinden sich bis heute noch die Mehrzahl der Schulen des Landes, im Allgemeinen Privatschulen, unter ihrer Kontrolle.
Die Lehrmaterialien für Geschichte und Geografie in dieser Art Gemeinden, die in jüngster Vergangenheit selbst vom Bildungsministerium für die Verwendung in der Grundstufe übernommen wurden, zeigen alle Arten von Diskriminierung und Stigmatisierung, die sich so – über die Schule – auf die gesamte Bevölkerung übertragen. So schreibt etwa der Autor in "Geschichte Haitis: von den Ursprüngen bis zur Unabhängigkeit", dass "die indigenen Völker Haitis nicht so zivilisiert wie die Inkas oder die Azteken waren."
Bezüglich der afrikanischen Völker heißt es, dass Haiti von ihnen "nicht nur die körperlichen Merkmale geerbt hat, sondern auch Einstellungen, Anschauungen und Denkmuster", während von den französischen Kolonisatoren nur "gute Qualitäten (…) Höflichkeit, Edelmut, Liebe zur Schönheit, zum Luxus." übernommen worden seien. In gleicher Art und Weise fordert man in "Meine erste Geografie" die Jungen und Mädchen dazu auf, zwei Bilder zu vergleichen: auf der einen Seite kleine, einfache, mit Schilf gedeckte Hütten – vermutlich haitianische – und als Gegenstück Gebäude aus irgendeinem Ort in Europa; damit wird dann zu verstehen gegeben, dass von Schwarzen nichts Durchdachtes stammen könne.
Zu den Problemen durch die Auferlegung der französischen Pädagogik muss man noch die Auswirkungen der nordamerikanischen Politik auf diesem Gebiet seit der Besatzung von 1915-1934 hinzurechnen, denn während der Okkupation durch die Marines wurden nach städtischen Gebieten und ländlichen Zonen unterschiedene Bildungsprogramme aufgelegt, was die sozialen Spaltungen weiter vertiefte (Gourges, 2016).
Bedingt durch die politischen und wirtschaftlichen Einschränkungen und die Anwendung einer ungleichen Logik bei der Verteilung der sozialen Güter besuchten um 1894 nur acht Prozent der 400.000 Kinder und Jugendlichen in Haiti eine Schule. Ein Jahrhundert später, 1995, gingen von den drei Millionen Kindern im schulfähigen Alter – zwischen fünf und 14 Jahren – nur 52 Prozent zur Schule; in den ländlichen Gebieten war die Zahl noch niedriger. Eine universelle Bildung, so wie sie durch die internationalen Organisationen definiert wird, bleibt man ihnen bis zum heutigen Tag schuldig. (Joint, 2018)
Hin zu zu einer pädagogischen Dekolonialisierung
Die Mehrheit der Pädagogen, Soziologen, Sprach- und Geschichtswissenschaftler stimmt in einem Punkt überein: die Dekolonialisierung der Bildung in Haiti wird nicht von selbst kommen. Das Scheitern des klassistischen und segregationistischen Bildungsprojektes der USA in Haiti war auf den starken Widerstand der haitianischen Intellektuellen und der Gesamtheit der Bevölkerung zurückzuführen: ein Widerstand, der entscheidend zum Ende der Besatzung im Jahr 1934 beitrug.
Das haitianische Kreol wurde als Unterrichtssprache in den Schulen bis 1979 nicht verwendet. Seine Einführung war dann selbstverständlich nicht einfach angesichts methodologischer und didaktischer Probleme und aufgrund aller Arten von konservativen Widerständen seitens verschiedener Akteure.
Unbestreitbar ist die außerordentliche Anstrengung der haitianischen Familien, um ein inklusives Bildungssystem zu erreichen. Jedoch befindet sich das Land im weltweiten Ranking hinsichtlich der Zielerreichung dabei fast auf dem letzten Platz. Die haitianischen Kinder beenden die Grundschule (enseñanza fundamental) mit zwei bis drei Jahren Rückstand, und es fehlen ihnen Kenntnisse zu grundlegenden Lerninhalten.
Trotz der Kämpfe auf akademischem Gebiet fehlt es immer noch an einem redaktionellen Beitrag, denn es sind immer noch die neokolonialen Akteure, die die Bücher produzieren, ohne dass wir ihre Inhalte in Frage stellen könnten. Es handelt sich um Texte, die die negativen Narrative über die Schwarzen und die indigenen Einwohner in der Geschichte der Insel wiederholen und reproduzieren und zu einem kolonialen Diskurs führen, der maskiert als angeblicher Modernisierungsprozess auf dem Gebiet der Bildung und des Lernens daherkommt.
Bildung ist sicherlich das mächtigste Mittel für einen gesellschaftlichen Wandel. Ohne sie wird die Umgestaltung weder möglich sein noch sich konsolidieren, wie der Lehrer Paulo Freire bekräftigte (1971). Die Bildung spielt eine zentrale Rolle, um die Transformation zu denken, besonders bei einer in geschichtlicher und historiografischer Hinsicht so hart gestraften Gesellschaft wie der Haitis.
Es ist dringend notwendig, die Geschichte Haitis und seiner Revolution trotz der Stigmata der "Lichter der Vernunft“ wiederzugewinnen, in einem Prozess, der den afrikanisch-stämmigen Einwohnern eine nationale Identität verlieh und außerdem die Sprache, die Kultur und die Religiosität, die ihnen eigen waren, pädagogisch bekräftigte.
Bibliografie:
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Ardouin, Beaubrun. Estudios sobre la historia de Haití, T. VI, París, 1856, pág. 22.
Gourgues, Jacques-Michel. Les manuels scolaires en Haïti : outils de la colonialité, 2016.
Govain, Renauld. L’état des lieux du créole dans les établissements scolaires en Haïti, 2014.
Jesus, Fernando Santos. O negro no livro didatico. Editora Gramma. Rio de Janeiro, 2017.
Joint, Louis-Auguste. El sistema educativo y las desigualdades sociales en Haití. El caso de las escuelas católicas, Pro-Posicoes 19 (2), Agosto 2018.
Ramose, M. B. Sobre a legitimidade e o Estudo da Filosofia africana. Ensaios filosóficos. Volume IV- outubro/2011.
Rivara, Lautaro. Los polacos negros y una patria impensada. Disponible en: http://argmedios.com.ar/los-polacos-negros-y-una-patria-impensada/