Die Pandemie und das Weltsystem - Teil II

Zweiter Teil der ausführlichen Bewertung der Weltlage in Corona-Zeiten von Ignacio Ramonet

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In China sind dutzende Fabriken auf die Massenproduktion von Schutzmasken spezialisiert
In China sind dutzende Fabriken auf die Massenproduktion von Schutzmasken spezialisiert

Sieben Publikationen haben beschlossen, diesen Beitrag von Ramonet gemeinsam zu verbreiten: Nodal (Argentinien), Le Monde diplomatique en español (Spanien), Le Monde diplomatique Edición Cono Sur El Diplo (Buenos Aires), Le Monde diplomatique Edición Chilena (Santiago de Chile), La Jornada (Mexiko), Cubadebate (Kuba) und Mémoire des luttes (Frankreich).

amerika21 ist die achte ... und bringt die deutsche Übersetzung aufgrund der Länge des Textes in drei Teilen. Teil III folgt am Montag, 11. Mai.


Teil II

Die Seife und die Nähmaschine

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Lokalisierung und das Tracking der Mobiltelefonie zusammen mit der Verwendung von Prognosealgorithmen, hochentwickelten digitalen Apps und der computergestützten Untersuchung sehr zuverlässiger statistischer Modelle zu einer gewissen Kontrolle der Infektionen beigetragen haben. Aber es ist auch wahr, dass diese massive Anwendung futuristischer Technologien, ungeachtet dessen, was Byung-Chul Han sagt, nicht ausreichend und ausschlaggebend war, um die Ausbreitung von Covid-19 zu bekämpfen. Nicht einmal in Südkorea, China, Taiwan, Hongkong, Vietnam oder Singapur...

Der relative Erfolg dieser Länder gegen Covid-19 erklärt sich vor allem aus der Erfahrung, die sie zwischen 2003 und 2018 in ihrem langen Kampf gegen SARS und MERS gesammelt haben, den beiden vorhergehenden Epidemien, die auch durch Coronaviren verursacht wurden. SARS ‒ das erste tödliche Virus, das durch die Hyperglobalisierung befördert wurde ‒ sprang von Zibetkatzen, einem weiteren Säugetier, das auf den Märkten in China verkauft wurde, auf den Menschen über. Dieser Mikroorganismus verbreitete sich durch globalisierte kommerzielle Flüge über die ganze Welt und kam in etwa dreißig Länder. Während der Epidemie ‒ gegen die es auch keinen Impfstoff und keine therapeutische Behandlung gab ‒ wurden etwa 10.000 Menschen als infiziert bestätigt und fast 800 starben1. Im Jahr 2012, gerade als diese Länder mit der SARS-Epidemie fertig wurden, tauchte MERS auf, verursacht durch ein anderes Coronavirus, das im Nahen Osten von Kamelen auf Menschen übersprang.

Keine dieser beiden Seuchen erreichte Europa oder die USA. Dies erklärt zum Teil auch, warum die europäischen und US-amerikanischen Regierungen spät und schlecht auf die Pandemie reagiert haben. Es fehlte ihnen an Erfahrung... Während China, Taiwan, Hongkong, Singapur und Vietnam dem grausamen Ausbruch von SARS erlitten hatten... Und Südkorea war 2015 zudem mit einem besonders schwerwiegenden Ausbruch der MERS-Epidemie konfrontiert2...

In einer Situation absoluter Dringlichkeit und ohne dass ihnen irgendeine westliche Macht zu Hilfe kam, begannen diese asiatischen Nationen sofort, mit digitalen Technologien zu experimentieren, um die Ansteckungen zu stoppen. Sie nutzten frühere Bestimmungen zur öffentlichen Gesundheit, die die Epidemiologen gut kannten, weil sie wie gesagt angesichts zahlreicher Epidemien bereits seit dem Mittelalter wirksam eingesetzt worden waren... Seit dem 14. Jahrhundert fanden Maßnahmen wie Quarantäne, soziale Isolation, Sperrgebiete, Grenzschließungen, Straßensperren, Sicherheitsabstände und Kontaktverfolgung jedes Infizierten unverzüglich Anwendung... Ohne auf digitale Technologien zurückzugreifen, stützten sich die Behörden auf eine sehr einfache Überzeugung: Wenn wie durch Zauberei alle Einwohner vierzehn Tage lang dort bleiben würden, wo sie sich befanden, eineinhalb Meter voneinander entfernt, würde die ganze Pandemie sofort aufhören.

Von da an verbreitete sich die Verwendung von Masken in ganz Asien. Und Dutzende Fabriken wurden errichtet, die sich auf die Massenproduktion von Schutzmasken spezialisierten... Die Fieberkontrollen mit digitalen Infrarot-Thermometern in Form einer Pistole wurden zur Routine. In den Städten der betroffenen asiatischen Länder ist es seit 2003 üblich, vor dem Betreten eines Busses, eines Zuges, einer U-Bahn-Station, eines Bürogebäudes, einer Fabrik, einer Diskothek, eines Theaters, eines Kinos oder sogar eines Restaurants die Temperatur der Leute zu messen... Auch das Händewaschen mit gechlortem Wasser3oder Seife wurde zur Pflicht. In Krankenhäusern wurden ‒ wie im 19. Jahrhundert ‒ die Bereiche in "saubere" und "schmutzige" Zonen unterteilt, und die Ärzteteams gingen nicht von einer in die andere. Es wurden Trennwände eingebaut, um ganze Flügel voneinander zu trennen; das Gesundheitspersonal betrat den Raum an einem Ende mit Schutzanzügen und verließ ihn unter der Aufsicht von Hygiene-Personal desinfiziert am anderen Ende.

Diese ganze Region Ostasiens erlebte also zum ersten Mal, was wir jetzt auf planetarischer Ebene erleben. Dort, vor allem in Südkorea, entstanden nicht zufällig einige der besten post-apokalyptischen Filme zum Thema der rasch verlaufenden Ansteckung: Virus (2013) von Kim Sung-soos und Train to Busan (2016) von Yeon Sangho's .

Mit SARS und MERS haben die Regierungen dieser Länder gelernt, vorsorglich riesige Mengen an Schutzausrüstung (Masken, Gesichtsschutz, Handschuhe, Helme, Desinfektionsgel, Kittel usw.) zu lagern. Sie wussten, dass sie im Falle einer neuen Epidemie schnell und aggressiv handeln mussten4. Das taten sie in diesem Januar, als die Verbreitung von Covid-19 begann. China hat schnell eine strenge Quarantäne verhängt. Es isolierte die Infizierten und ihre Kontakte in hermetisch abgeschlossenen Bereichen. Südkorea und Japan taten dies zwar nicht, verlangten aber einen Sicherheitsabstand und das Tragen von Hygienemasken. Und vervielfachten die Screening-Tests massiv.

Beispielhaft in Südostasien ist Vietnam. Es war eines der Länder, das 2003 am schnellsten und entschiedensten gegen SARS handelte. Und es hat die Lektion gelernt. Als sich das neue SARS-CoV-2-Virus in der Region auszubreiten begann, wendeten die Behörden in Hanoi ‒ bei nur sechs infizierten Personen ‒ sofort strengste Eindämmungs- und Isolationsmaßnahmen an. Und im Februar 2020 haben sie bekannt gegeben, dass die Pandemie eingedämmt sei5. Vietnam war das erste Land der Welt, das das neue Coronavirus besiegte6. Alle Infizierten wurden gesund. Kein einziger Patient starb.

All dies zeigt, dass digitale Technologien zur Lokalisierung und Identifizierung trotz ihrer Bedeutung nicht ausreichen, um das Coronavirus einzudämmen. Außerdem verhindert die weit verbreitete Verwendung von Hygienemasken den effektiven Einsatz von biometrischen Gesichtserkennungssystemen. Von den ersten Wochen an stellten China, Südkorea, Hongkong, Taiwan und Singapur fest, dass ihr Bio-Monitoring-System mit Videokameras aufgrund des massiven Einsatzes von Masken und Brillen nicht effektiv war.

Mit anderen Worten, die spektakuläre technologische Vormachtstellung, mit der wir uns so sehr brüsteten, mit unseren hochmodernen intelligenten Telefonen, den futuristischen Drohnen, Science-Fiction-Robotern und innovativen Biotechnologien, hat, wie wir bereits sagten, wenig dazu beigetragen, die ersten Auswirkungen der Pandemieflut einzudämmen.

Für drei sehr dringende Anliegen ‒ unsere Hände desinfizieren, Masken herstellen und den Vormarsch des Virus aufhalten ‒ musste die Menschheit auf Produkte und Techniken zurückgreifen, die mehrere Jahrhunderte alt sind. Die Seife, die von den Römern vor unserer Zeitrechnung entdeckt wurde; die Nähmaschine, die von Thomas Saint um 1790 in London erfunden wurde; und vor allem die Anwendung der Ausgangssperre und der sozialen Isolation, die in Europa seit dem 5. Jahrhundert gegen Dutzende aufeinanderfolgende Pestwellen verfeinert wurde...7 Was für eine Lektion in Bescheidenheit!

Diejenigen opfern, die "zu alt" sind

Dies sind auch Zeiten mangelnder Solidarität. Nationale Egoismen haben sich mit überraschender und brutaler Geschwindigkeit manifestiert. Nachbar- und befreundete Staaten haben nicht gezögert, einen "Krieg der Masken"8zu beginnen oder sich wie Piraten medizinische Geräte anzueignen, die für ihre Partner bestimmt sind.

Wir haben Regierungen gesehen, die den doppelten oder dreifachen Preis für medizinische Geräte zahlen, um die Produkte zu erhalten und zu verhindern, dass sie an andere Nationen verkauft werden.

Die Medien haben gezeigt, wie auf den Start- und Landebahnen von Flughäfen Container mit Schutzmasken aus Frachtflugzeugen gerissen wurden, um sie an andere Ziele umzuleiten. Italien beschuldigte die Tschechische Republik, die in China gekauften Maskenlieferungen gestohlen zu haben, die in Prag zwischenlandeten. Frankreich prangerte die USA für die gleiche Sache an. Spanien beschuldigte Frankreich... Asiatische Hersteller informierten afrikanische und lateinamerikanische Regierungen, dass sie ihnen vorerst keine medizinischen Geräte verkaufen könnten, weil die USA und die Europäische Union höhere Preise zahlten9.

Im Alltag haben Misstrauen und Verdächtigungen zugenommen. Viele Ausländer oder Außenseiter oder einfach ältere und kranke Menschen10, die im Verdacht stehen, das Virus einzuschleppen, sind diskriminiert, verfolgt, gesteinigt, vertrieben worden... Es stimmt, dass die älteren Menschen die Gruppe mit der höchsten Sterblichkeitsrate darstellen11. Wir wissen nicht, warum. Einige ultraliberale Fanatiker haben gleich schonungslos die Eliminierung der Schwächsten gefordert.

Ein stellvertretender Gouverneur in den USA erklärte: "Die Großeltern sollten sich opfern und sterben, um die Wirtschaft zu retten"12. In derselben vernichtenden Art forderte der neoliberale Analyst des US-Senders CNBC, Rick Santelli, zum "Gesundheits-Darwinismus" auf und verlangte, "die gesamte Bevölkerung mit dem Virus zu impfen. Das würde den unvermeidlichen Verlauf nur beschleunigen… Aber die Märkte würden sich stabilisieren"13.

In den Niederlanden, wo der ultraliberale Premierminister Mark Rutte ebenfalls für "Herdenimmunität"14 eintritt, erklärte der Leiter der Epidemiologie am Medizinischen Zentrum der Universität Leiden, Frits Rosendaal, dass "Menschen, die zu alt oder zu schwach sind, nicht auf Intensivstationen aufgenommen werden sollten15".

Das sind Drohungen, die Exterminatoren aus Comics würdig sind... Und außerdem absurd, denn, wie eine Krankenschwester erklärt: "Covid-19 ist tödlich. Und ich kann sagen, dass es nicht nach Altersgrenzen unterscheidet. Nicht nach Farbe. Nicht nach Größe. Nicht nach Herkunft. Nicht nach sozialer Klasse. Nach gar nichts. Das Virus wird jeden angreifen."16

Covid-19 unterscheidet nicht, das stimmt, aber die ungleichen Gesellschaften tun dies sehr wohl. Denn wenn Gesundheit eine Ware ist, sind arme, diskriminierte, marginalisierte und ausgebeutete soziale Gruppen der Infektion viel stärker ausgesetzt.

Dies ist zum Beispiel in Singapur der Fall, wo es ‒ wie wir gesehen haben ‒ den Behörden zunächst gelang, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen. In diesem opulenten Stadtstaat gibt es jedoch eine Minderheit von Hunderttausenden Migranten aus armen Ländern, die in den Bereichen Bau, Transport, Hausarbeit und Dienstleistungen beschäftigt sind.

Das Land ist für das Funktionieren seiner Wirtschaft von diesen Arbeitskräften abhängig. Aber die physische Isolierung ist bei diesen Tätigkeiten fast unmöglich. Aufgrund ihres sozialen Status mussten viele dieser Einwanderer trotz der Ansteckungsgefahr ihre Arbeit fortsetzen... Andererseits schreibt ein Gesetz vor, dass ausländische Arbeitnehmer in „Schlafsälen“ leben müssen. Das sind Räume, die bis zu einem Dutzend Männer beherbergen, mit einem gemeinsamen Bad, einer Küche und einer Dusche. Diese Orte wurden unweigerlich zu Infektionsherden… Von diesen Zentren wurde das Virus weiterverbreitet... Es ist dokumentiert, dass von dort etwa 500 neue Infektionen ausgegangen sind. Ein einziger "Schlafsaal" verursachte 15 Prozent aller neuen Fälle im Land. Derart, dass Singapur, das "Beispiel" eines Landes, das die Pandemie besiegt hatte, nun mit einem gefährlichen Aufschwung von Covid-19 konfrontiert ist. Das Coronavirus offenbarte die verborgenen Ungleichheiten der Gesellschaft...

Was in diesen "Schlafsälen" in Singapur geschah, gibt eine Vorstellung davon, was in Südostasien, in Indien, in Afrika, in Lateinamerika sowie in Ländern mit wenig Ressourcen und embryonalen Gesundheitssystemen geschehen könnte. Wenn das Virus in reichen Staaten – Italien, Frankreich, Spanien – den schrecklichsten Tribut gefordert hat, den wir kennen, was wird dann in einigen verarmten Gebieten Afrikas geschehen? Wie können wir von " Quarantäne" oder "Isolation" oder "Desinfektionsgel" oder "Schutzabstand" oder selbst von "Händewaschen" bei Millionen von Menschen sprechen, die ohne fließendes Wasser in Favelas, in Siedlungen aus Baracken oder Blechhütten zusammengedrängt sind, auf der Straße schlafen oder in behelfsmäßigen Flüchtlingslagern oder in den Ruinen von Gebäuden leben, die durch Kriege zerstört wurden? Allein in Lateinamerika sind 56 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der informellen Wirtschaft tätig...

Die größte Supermacht der Welt, die USA, hat es wiederum zum ersten Mal in ihrer Geschichte aufgegeben, den Kampf um Gesundheit und Hilfe für die Kranken der Welt anzuführen. In einer Nation von solchem Reichtum hat das Virus die exzessiven Ungleichheiten in Sachen Gesundheit offenbart. Die Einwohner entdecken den Mangel an grundlegenden Ressourcen sowie die Defizite in ihrem öffentlichen Gesundheitssystem. Seit Langem fordert Senator Bernie Sanders, dass "das Gesundheitssystem als ein grundlegendes Menschenrecht" betrachtet werden solle. Und viele weitere Persönlichkeiten fordern diesen Wandel: "Wir brauchen eine neue Pflegeökonomie ‒ sagte zum Beispiel Robert J. Shiller, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften ‒ welche die nationalen öffentlichen und privaten Gesundheitssysteme integriert."17

Unterdessen verursacht Covid-19 in diesem Land Zehntausende Tote. Und die Situation kann sich noch verschlimmern, denn etwa 27 Millionen Menschen (8,5 Prozent der Bevölkerung) sind nicht krankenversichert und weitere elf Millionen sind illegale Arbeiter ohne Papiere, die sich nicht trauen, in die Krankenhäuser zu gehen...

Im heutigen globalen Epizentrum der Pandemie sehen Analysten eine "sich vergrößernde Kluft im Gesundheitswesen". Einige ethnische Minderheiten ‒ Afroamerikaner, Latinos ‒ haben in der Tat eine Coronavirus-Todesrate, die weit über ihrem Anteil an der Bevölkerung liegt. In New York etwa machen Afroamerikaner und Latinos 51 Prozent der Bevölkerung aus, auf sie fallen jedoch 62 Prozent der Todesfälle durch Covid-19. Im Bundesstaat Michigan machen Afroamerikaner 14 Prozent aus, konzentrieren aber 33 Prozent der Infizierten und 41 Prozent der Todesfälle auf sich. In Chicago machen Afroamerikaner 30 Prozent der Bevölkerung aus, machen aber 72 Prozent der Todesfälle aus... "Bei diesen Zahlen bleibt einem die Luft weg...", sagte Lori Lightfoot, die Bürgermeisterin von Chicago.18

In einem Land, in dem der Test auf das neue Coronavirus 3.500 US-Dollar kostet19, ist Gesundheit oft ein Spiegelbild sozialer Ungleichheit. Der wilde Kapitalismus kümmert sich nicht um den Schmerz der Armen. Wenn Latinos und Afroamerikaner in den USA anfälliger für das Coronavirus sind, dann deshalb, weil sie Opfer einer Reihe von sozialen Benachteiligungen sind. Sie sind auch die Minderheiten, die aufgrund ihres historisch geringeren Zugangs zu Gesundheitsdiensten oft unter einer Reihe schwerwiegender Erkrankungen leiden: "Wir haben immer gewusst," erklärt Dr. Anthony Fauci, Direktor des National Institute of Allergies and Infectious Diseases in den USA, "dass Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Asthma Minderheitenbevölkerungen, insbesondere Afroamerikaner, unverhältnismäßig stark betreffen."20

Trotz der Geißel des Covid-19 fordern einige Unternehmer die Rückkehr der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz, um die Wirtschaft zu retten. Latinos und Afroamerikaner müssen daher weiterhin auf der Straße arbeiten und einige der härtesten Arbeiten verrichten, Gebäude reinigen, Busse fahren, Krankenhäuser desinfizieren, in Supermärkten arbeiten, Taxi fahren, Pakete ausliefern usw. Zu der Ansteckungsgefahr, der sie in ihren Armenvierteln ausgesetzt sind, kommen die Gefahren in öffentlichen Verkehrsmitteln und bei der Arbeit... Was die illegalisierten und undokumentierten Einwanderer betrifft, die von den Behörden schikaniert werden, so gehen sie, wie gesagt, aus Angst verhaftet zu werden, nicht zu den Gesundheitsdiensten...

Mit jedem Tag der Pandemie sind die Menschen mehr davon überzeugt, dass es der Staat und nicht der Markt ist, der rettet. "Diese Krise", erklärt Noam Chomsky, "ist das x-te Beispiel für das Versagen des Marktes. Und auch ein Beispiel für die Realität der Bedrohung durch eine Umweltkatastrophe. Der neoliberale Angriff hat die Krankenhäuser ohne Ressourcen gelassen. Krankenhausbetten wurden im Namen der 'wirtschaftlichen Effizienz' abgeschafft. [...] Die US-Regierung und die multinationalen Pharmakonzerne wissen seit Jahren, dass die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie hoch ist. Aber da die Vorbereitung darauf nicht gut für die Geschäfte waren, wurde nichts getan."21

Der französische Philosoph Edgar Morin stellt seinerseits fest: "Schließlich ist die Opferung der Schwächsten ‒ der Alten, der Kranken ‒ funktional für eine Logik der natürlichen Auslese. Wie in der Welt des Marktes ist derjenige, der dem Wettbewerb nicht standhalten kann, dem Untergang geweiht. Eine wirklich humane Gesellschaft zu schaffen bedeutet, sich diesem Sozialdarwinismus um jeden Preis zu widersetzen."

Helden unserer Zeit

Die Pandemie hat auch ihre Helden und ihre Märtyrer. Und in dieses Schlacht sind die Krieger, die sich an die Frontlinien, an die vorderen Posten gestellt haben, um dem tödlichen SARS-CoV-2 entgegenzutreten ‒ die Ärzte, Krankenschwestern, Hilfskräfte und andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens ‒ zu unfreiwilligen Protagonisten geworden, die von den Balkonen, Plätzen und Straßen der Städte auf der ganzen Welt Lob und Beifall ernten. Fast alle von ihnen sind öffentliche Angestellte, für die die Gesundheit der Bevölkerung keine Ware, sondern ein Grundbedürfnis, ein Menschenrecht ist.

Sie werden für ihren Einsatz bei der täglichen Arbeit zur Bekämpfung der Infektion und zur Rettung von Leben in die Geschichte eingehen, erschöpft und entkräftet. Oftmals haben sie sich dem ansteckenden Virus ohne Masken, Kittel oder Schutzausrüstung gestellt… "Wir ziehen ohne Waffen in den Krieg!" klagte eine altgediente Krankenschwester aus Guayaquil, Ecuador, die wütend war über die Infektion von achtzig Kollegen und den Tod von fünf weiteren...22

Das Gesundheitspersonal riskiert tatsächlich das eigene Leben. Nach Angaben des Center for Disease Control der USA sind zwischen 10 und 20 Prozent aller mit dem Coronavirus Infizierten im Gesundheitswesen tätig. Viele liegen im Sterben. Eines Tages, wenn dieser Alptraum vorüber ist, werden wir Denkmäler zu Ehren dieser Märtyrer in weißen Kitteln errichten müssen. Um für immer an ihren Mut, ihre Selbstlosigkeit, ihre Menschlichkeit zu erinnern. Als Albert Camus sagte, dass "die Pest uns lehrt, dass es in den Menschen mehr Dinge gibt, die der Bewunderung als der Verachtung würdig sind"23, dachte er an sie.

In dieser Hinsicht hat sich ein kleines Land, ebenfalls bewunderungswürdig, durch seinen Altruismus und seine Großzügigkeit hervorgetan. Es handelt sich um Kuba. Seit 60 Jahren von den USA belagert und blockiert und zudem brutalen einseitigen Zwangsmaßnahmen durch Washington ausgesetzt, war das Land das erste, das China beim Ausbruch dieser Pandemie zu Hilfe kam. Seitdem haben die kubanischen Behörden nicht aufgehört, Brigaden von Ärzten und medizinischem Personal zur Bekämpfung von Covid-19 in etwa zwanzig Länder zu schicken24, darunter drei aus dem reichen Europa: Italien, Frankreich und Andorra25. Kuba kam damit den verzweifelten Bitten ihrer Regierungen nach.

Diese Internationalen Brigaden von Ärzten, die auf Katastrophensituationen und schwere Epidemien spezialisiert sind, gibt es seit den 1960er Jahren. Anlässlich des Durchzugs des Hurrikans Katrina durch den Süden der USA im Jahr 2005 nahmen sie den Namen "Henry Reeve" an ‒ ein US-amerikanischer Brigadier, der für die kubanische Unabhängigkeit kämpfte und starb26.

Die Welt erkennt, was die großen internationalen Mainstream-Medien bisher zu verbergen versuchten, nämlich dass Kuba eine medizinische Supermacht27 mit mehr als 30.000 Ärztinnen und Ärzten und Krankenschwestern in 66 Ländern ist28.

All dies folgt einem humanistischen und visionären Motto von Fidel Castro, das er mit diesen Wortern ausdrückte: "Eines Tages sagte ich, wir könnten und würden niemals vorbeugende und überraschende Angriffe gegen irgendeinen dunklen Winkel der Welt durchführen; aber stattdessen ist unser Land in der Lage, die notwendigen Ärzte in die dunkelsten Winkel der Welt zu schicken. Ärzte und keine Bomben, Ärzte und keine intelligenten Waffen."29 Havanna stellt dazu auch sein antivirales Medikament Interferon Alpha-2B Recombinante zur Verfügung, das von seinen Wissenschaftlern in biotechnologischen Laboren der Insel entwickelt wurde und dessen Einsatz die Verschlimmerung und die Komplikationen bei Patienten, die mit dem neuen Coronavirus infiziert sind, verhindern soll.

Höhepunkt der Desinformation

Die großen Medien verschweigen die medizinische Solidarität Kubas, während sie gleichzeitig eine universelle und permanente Berichterstattung über die Pandemie bieten, wie man sie noch nie erlebt hat. Seit Monaten haben die wichtigsten Medien des gesamten Planeten ohne Unterlass nur über ein einziges Thema zu uns gesprochen: das Coronavirus. Über-Information hoch Tausend. Ein chorales, hypermediales Phänomen30 von solch globalem Ausmaß hatte es zuvor noch nie gegeben. Weder beim Fall der Berliner Mauer noch bei den Anschlägen auf die Zwillingstürme in New York...

Gleichzeitig sind wir Zeugen eines erbitterten Krieges zwischen verschiedenen Fraktionen, um dieser Krise ein dominierendes Narrativ aufzudrücken31. Dies führt zu einer regelrechten Epidemie von fake news und Post-Wahrheiten. Die WHO hat dieses Phänomen als Infodemie definiert, als eine Pandemie von Informationsfälschungen. Die Angst vor Covid-19 sowie der Wunsch nach viel Information und das Bestreben, alles über die Seuche zu verstehen, haben die Voraussetzungen für einen regelrechten Sturm giftiger Nachrichten geschaffen. Diese haben sich mit gleicher oder größerer Geschwindigkeit verbreitet als das neue Virus. In sozialen Netzwerken sind bergeweise Schwindeleien in Umlauf gebracht worden. Die Mobilen Messaging-Systeme sind regelrechte Produktionsstätten für ununterbrochene Lügen, Betrug und Täuschung geworden. In einigen Ländern wird geschätzt, dass 88 Prozent der Menschen, die sich in sozialen Netzwerken über SARS-CoV-2 informierten, durch fake news infiziert wurden32.

Es ist bekannt, dass sich falsche Nachrichten zehnmal schneller verbreiten als wahre; und dass sie, selbst wenn sie dementiert werden, in den Netzwerken überleben, weil sie weiterhin ohne jede Kontrolle verbreitet werden.

Viele von ihnen sind mit beeindruckender Professionalität ausgearbeitet: Tadellose Texte, perfekt redigiert, inspiriert von den angesehensten Medien, sehr sorgfältige Bilder, hohe Tonqualität, eine sonore und gemäßigte Stimme des Kommentars im Off, unruhige und süchtig machende Montage und Bearbeitung, betörende Musik... Alles soll den Eindruck von Ernsthaftigkeit, von Seriosität, von Vertrauenswürdigkeit vermitteln... Es ist die Garantie für Glaubwürdigkeit, die unverzichtbar ist, um die Täuschung zu untermauern. Und damit die Nutzer sie viral werden lassen...

Man darf nicht vergessen, dass während dieser endlosen Quarantäne in einem Kontext der Unsicherheit und der Emotionen und angesichts des realen Bedürfnisses aller, die Seuche zu verstehen und sie mit Argumenten zu begreifen, zwei miteinander kombinierte Zutaten die starke Ausstrahlung von Lügen begünstigt haben. Auf der einen Seite die Vertrautheit, das Vertrauen zwischen Menschen, die im selben Netzwerk Informationen austauschen. Auf der anderen Seite die ständige Wiederholung von Botschaften mit identischem Muster.

Wenn mir jemand, den ich kenne, ein Information schickt und ich auf verschiedenen anderen Wegen die gleiche Information oder sehr ähnliche Versionen erhalte, werde ich glauben, dass sie glaubwürdig ist und der Wahrheit entspricht. Weil ich der Quelle vertraue und weil andere Quellen damit übereinstimmen und es bestätigen. Ich werde sogar instinktiv folgern, dass durch diese beiden Mechanismen (Nähe und Wiederholung) die Authentizität der Information überprüft ist. Dennoch kann sie falsch sein. Mit anderen Worten: Jede gefälschte Nachricht wird versuchen, beiden Anforderungen zu genügen, um ihre Falschheit besser zu verbergen oder zu verschleiern. Das ist ein Gesetz der medialen Vergiftung: Jede Manipulation der öffentlichen Meinung durch falsche Nachrichten muss diesen Richtlinien folgen.

Es ist unmöglich, eine erschöpfende Liste der gefälschten Nachrichten zu erstellen, die unsere Netzwerke seit Beginn der Pandemie überschwemmen, aber wir sollten uns daran erinnern, dass sich fast sofort verschiedene Verschwörungstheorien zu verbreiten begannen. Die am meisten verbreiteten behaupteten, wie bereits erwähnt, dass das neue Coronavirus in einem geheimen Biolabor in China (oder den USA) entwickelt wurde, und dass es eine bakteriologische Kriegswaffe zwischen den beiden Supermächten sei... Andere ebenso absurde Falschmeldungen besagten, dass SARS-CoV-2 von Bill Gates erschaffen wurde... Oder dass es von China hergestellt wurde, um seine ethnischen Minderheiten auszulöschen... Oder dass sich die Epidemie so schnell ausbreitete, weil das Virus in den von China exportierten Waren transportiert werde... Oder dass Covid-19 eine Krankheit ist, die von großen pharmazeutischen Labors verbreitet wird, um Impfstoffe zu verkaufen... Oder dass die 5G-Antennen das Coronavirus verstärken und tödlicher machen33... Oder dass die Seuche dazu bestimmt war, die Exportwirtschaft eines Rivalen Chinas aus Norditalien zu ruinieren... Oder dass es bereits einen Impfstoff gibt... Oder dass das Virus bereits mutiert ist...34

Viele dieser gefälschten Nachrichten sind immer noch im Umlauf, endlos vervielfältigt durch Bots, Profile von Tausenden von Konten, die von einem einzigen Benutzer verwaltet werden. Ziel ist dabei, eine "große Menge" von Nachrichten anzuzeigen, die vorgeben, dass viele Menschen ein Thema teilen oder kommentieren, um die Wahrnehmung dieses Themas zu manipulieren. Einige fake news erscheinen harmlos, aber andere ‒ insbesondere wenn sie die Existenz einer Wunderbehandlung oder eines magischen Antiviren-Medikaments verbreiten35 ‒ können tödliche Folgen haben. Im Iran zum Beispiel verbreiteten die Netzwerke eine Falschmeldung, nach der Methanol Covid-19 verhindere und heile. Ergebnis: 44 Menschen starben und Hunderte von Opfern wurden ins Krankenhaus eingeliefert, weil sie Methylalkohol zu sich genommen hatten 36...

Mit der allgemeinen Panik, die durch die Pandemie ausgelöst wurde, und mit Millionen Menschen, die verzweifelt auf ihren Bildschirmen nach Daten über das unbekannte Coronavirus suchten, fanden die "Desinformationsblasen" ein perfektes Ökosystem vor, um sich bis ins Unendliche zu vervielfachen. Alles wurde zudem noch dadurch vereinfacht, dass im Jahr 2016 die wichtigsten Unternehmen für soziale Netzwerke die Algorithmen der Nachrichtenhierarchie verändert hatten. Seither geben sie Mitteilungen von Freunden und Bekannten zu Lasten von Nachrichten von Organisationen oder den Medien den Vorrang.

Auf jeden Fall können wir nicht länger naiv sein. Und unschuldig alles glauben, was über soziale Netzwerke auf unsere Bildschirme kommt. In diesem Zusammenhang ist das Momentum Coronavirus auch ein Wendepunkt. Angesichts der überwältigenden Menge an Falschmeldungen muss von nun an jeder Bürger die verschiedenen Verifizierungsplattformen kennen, die uns kostenlos zur Verfügung stehen, zum Beispiel: Maldita.es und Newtral.es in Spanien ; FactCheck.org, NewsGuard und PolitiFact.com in den USA; oder die Allianz #CoronavirusFacts, die vom International Fact-Checking Network (IFCN) des Poynter-Instituts37 gefördert wird und mehr als 100 Verifikationsplattformen in siebzig Ländern und vierzig Sprachen umfasst38; oder LatamChequea, die etwa zwanzig Medien aus fünfzehn lateinamerikanischen Ländern vereint.

Darüber hinaus gibt es im Internet viele kostenlose Tools zur Überprüfung der Echtheit von Fotos, die in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden: Zum Beispiel TinEye, Google Reverse Image Search, FotoForensics, die wichtige Überprüfungen ermöglichen, wie die Kenntnis der Originalquelle des Bildes, ob es schon einmal veröffentlicht wurde, welche anderen Medien es bereits gebracht haben, ob es manipuliert wurde und ob das Original retuschiert wurde.

Um auch die so weit verbreiteten gefälschten Videos aufzuspüren, können wir InVid verwenden, das für die Browser Google Chrome und Mozilla Firefox verfügbar ist und mit dem wir manipulierte Videos entschlüsseln können39. Auch auf der Reverso-Website ‒ einem Gemeinschaftsprojekt von Cheque40, AFP Factual41, First Draft42 und Pop-Up Newsroom43 ‒ können wir gefälschte virale Videos im Internet aufspüren44. Es gibt keine Ausrede mehr dafür, sich täuschen zu lassen. Zumindest dafür wird uns diese Pandemie gute Dienste geleistet haben.

Auf dem Weg zu einem digitalen Kapitalismus?

Eine weitere Konsequenz für die Kommunikation: Mit mehr als der Hälfte der Menschheit wochenlang in ihren Wohnungen eingesperrt, hat die digitale Vergöttlichung ihren bisherigen Zenit erreicht... Nie waren die Internet-Galaxie und ihre vielfältigen Angebote auf dem Bildschirm (kommunikativ, ablenkend, kommerziell) zeitgemäßer und invasiver.

In diesem Zusammenhang haben sich soziale Netzwerke, mobile Messaging- und Microblogging-Dienste ‒ Twitter, Mastodon45, Facebook, WhatsApp, Messenger, Instagram46, Youtube, LinkedIn, Reddit, Snapchat, Amino, Signal, Telegramm, Wechat, WT:Social47 usw. ‒ definitiv als das dominierende Mittel der Information (und Desinformation) durchgesetzt. Sie sind auch zu einer viralen Quelle der Ablenkung geworden, denn trotz des Schreckens der Gesundheitskrise waren Humor und Lachen, wie es in diesen Fällen oft vorkommt, die absoluten Protagonisten in den sozialen Netzwerken, der bevorzugten Verbindung mit der Außenwelt und mit Familie und Freunden.

Wir verbringen mehr Stunden als je zuvor vor den Bildschirmen unserer digitalen Geräte: Mobiltelefone, Computer, Tablets oder intelligente Fernseher...48 Wir konsumieren alles: Informationen, Serien, Filme, Memes, Lieder, Fotos, Telearbeit, Beratungen und Verwaltungsverfahren, Online-Unterricht, Videoanrufe, Videokonferenzen, Chats, Konsolenspiele, Mitteilungen... Die tägliche Zeit, die wir im Internet verbringen, ist in die Höhe geschossen49. In Spanien zum Beispiel ist der Internetverkehr seit dem 14. März letzten Jahres, als der Alarmzustand und die soziale Isolation ausgerufen wurden, um 80 Prozent gestiegen50. Dieser starke Anstieg ist vor allem auf den außergewöhnlichen Verbrauch von Videostreaming zurückzuführen, nicht nur von Video-on-Demand-Diensten, sondern vor allem auf das für diese Zeit charakteristischste Kommunikationsphänomen: Videoanrufe über Skype, WhatsApp, Webex, Houseparty51 und Zoom.

Die bisher wenig bekannte Anwendung für Videoanrufe Zoom hat in den letzten zwei Monaten ein in der Geschichte des Internets nie gekanntes Wachstum erlebt... Seit Beginn der Pandemie ist sie die am häufigsten heruntergeladene App für das iPhone. Im vergangenen März betrug die tägliche Traffic-Zunahme 535 Prozent... Führungspersonen der Welt nutzen Zoom für ihre Videokonferenzen; Unternehmen, um Telearbeit zu organisieren; Universitäten, um Online-Kurse anzubieten; Musiker und Sänger, um in Gruppen ihre Corona-Clips zu kreieren; Freunde und Familien, um während der Ausgangssperre virtuell zusammen zu bleiben…

Die Zahlen sind überwältigend. Zoom hatte Ende 2019 10 Millionen aktive Nutzer, Ende März waren es über 200 Millionen... Um eine Vorstellung zu bekommen, was das bedeutet, erinnern wir daran, dass Instagram mehr als drei Jahre gebraucht hat, um auf diese Nutzerzahl zu kommen. Vor der Ausbreitung des Coronavirus kosteten die Zoom-Aktien 70 Dollar. Am 23. März waren sie 160 Dollar wert, in anderen Worten, eine Gesamtkapitalisierung von über 44 Milliarden Dollar. Das Virus ist global, aber seine Auswirkungen sind nicht für alle gleich... Insbesondere für den Hauptaktionär von Zoom, Eric Yuan, der nun mit einem geschätzten Vermögen von 5,5 Milliarden Dollar auf der Liste der "reichsten Personen der Welt" steht...52

Ein weiterer "Gewinner" dieser Krise ist die bei jungen Leuten sehr beliebte App TikTok, die ebenfalls einen phänomenalen Anstieg der Nutzer verzeichnet. TikTok wurde von der chinesischen Technologiefirma ByteDance entwickelt und ist eine Social-Media-App ähnlich wie Likee oder MadLipz, mit der man kurze Videos von 15 bis 60 Sekunden in einer Schleife (also in einer Schleifenwiederholung wie GIFs 53) aufnehmen, bearbeiten und teilen kann, mit der Möglichkeit, musikalische Hintergründe, Klangeffekte und Filter oder visuelle Effekte hinzuzufügen.

Die weltweite Quarantäne bedroht überall auf der Welt das wirtschaftliche Überleben unzähliger Unterhaltungs-, Kultur- und Freizeitunternehmen (Theater, Museen, Buchhandlungen, Kinos, Stadien, Konzerthallen usw.). Auf der anderen Seite erleben digitale Riesen wie Google, Amazon, Facebook oder Netflix, die den Markt bereits beherrschten, einen grandiosen Moment des kommerziellen Erfolgs54. Die gewaltige Injektion von Geld und vor allem von Makrodaten, die sie erhalten, wird es ihnen ermöglichen, ihre Kontrolle über die algorithmische Intelligenz exponentiell zu entwickeln55. Um die digitale Kommunikationssphäre im globalen Maßstab noch stärker zu dominieren.

Diese gigantischen technologischen Plattformen sind in wirtschaftlicher Hinsicht die absoluten Gewinner dieses tragischen Moments der Geschichte. Dies bestätigt, dass im Kapitalismus nach der Ära von Kohle und Stahl, der Ära der Eisenbahnen und der Elektrizität und der Ära des Öls die Zeit der Daten, dem neuen dominierenden Rohstoff in der Ära nach der Pandemie, gekommen ist. Willkommen im digitalen Kapitalismus...