Panama / Politik

Panama ‒ Zwischen China und USA

Der kommende Präsident Panamas, Nito Cortizo, gibt sich nach der Wahl als Brückenbauer

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"Panama ruft uns und dem Vaterland werden keine Bedingungen gestellt". Cortizo bezog sich nach seinem Wahlsieg auf Omar Torrijos
"Panama ruft uns und dem Vaterland werden keine Bedingungen gestellt". Cortizo bezog sich nach seinem Wahlsieg auf Omar Torrijos

Der Gewinner der Wahl in Panama hat innen- und außenpolitisch große Pläne und möchte sein Land zu neuer Stärke führen. Ob ihm dies gelingt, hängt auch davon ab, ob er die Krisensituation im Land erfolgreich managen kann.

Am Ende wurde es eine Hängepartie: Erst kurz vor Mitternacht – Stunden später als erwartet – erklärte die Wahlbehörde am 5. Mai Laurentino 'Nito' Cortizo von der Revolutionären Demokratischen Partei (Partido Revolucionario Democrático, PRD) zum Sieger. Er gewann mit 33,5 Prozent der Stimmen, nur rund 45.000 mehr als Rómulo Roux von der konservativen Partei Demokratischer Wandel (Cambio Democrático, CD), der auf 31,15 Prozent kam. (Da die Maiausgabe der LN am Tag nach der Wahl in Druck ging, mussten die erreichten Stimmanteile in letzter Minute in den Artikel zur Wahl eingefügt werden, wobei in der Eile aus 33 Prozent leider drei Prozent für Cortizo wurden).

Verschiedene Korruptionsskandale seit Bekanntwerden der "Panama Papers" hatten vor der Wahl für großen Unmut gesorgt. Neben der Wiederbelebung der Wirtschaft und der Bekämpfung der Armut zielten Cortizos Wahlversprechen daher besonders auf die Eindämmung der Korruption sowie Verfassungsänderungen zur Konsolidierung der Demokratie. Cortizo betonte etwa, dass bei Verfehlungen künftig keine Politiker mehr unantastbar sein würden und kündigte an, der Korruption überführte Firmen wie den aus Brasilien stammenden Baukonzern Odebrecht landesweit von Aufträgen ausschließen zu wollen. Die als abhängig wahrgenommene Justiz solle stark und unabhängig werden.

Aufbauend auf Empfehlungen der Nationalen Konzertation für die Entwicklung, einem dauerhaften Dialogforum unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen, sollen einige Verfassungsänderungen vom Parlament beschlossen und anschließend der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Nach den Skandalen hofft Cortizo so auch, den internationalen Ruf Panamas sowie den "Nationalstolz" wiederherzustellen.

Bei der gleichzeitigen Parlamentswahl war mit Spannung erwartet worden, wie stark sich die Kampagne #NoalaReelección mit ihrem Engagement gegen die Wiederwahl von korrupten Abgeordneten auswirken würde. Die Kampagne gab sich als Bürgerbewegung, war jedoch maßgeblich von der Oligarchie initiiert worden. Auf den ersten Blick war sie erfolgreich: Nur 14 von 50, das heißt 28 Prozent der sich zur Wiederwahl stellenden Abgeordneten wurden erneut gewählt, der geringste Wert seit 1994. Fünf Abgeordnete werden parteilos sein, vier mehr als bisher.

Die einzige de facto nicht-neoliberale Partei Panamas, die linke Breite Front für die Demokratie (Frente Amplio por la Democracia, FAD), hat keinen Sitz im Parlament bekommen und blieb als einzige Partei landesweit unter zwei Prozent der Wählerstimmen. Sie muss sich nach den gesetzlichen Bestimmungen daher auflösen. Cortizos Wahlbündnis "Kräfte vereinen" (Uniendo Fuerzas) aus PRD sowie der Molirena-Partei (Movimiento Liberal Republicano Nacionalista, Liberal-Republikanische Nationalistische Bewegung) kam dagegen nach Auszählung aller Stimmen auf eine Mehrheit von 40 der 71 Sitze.

Cortizo hat also im Prinzip freie Bahn. Was ist ab der Amtsübergabe am 1. Juli von dem ehemaligen Unternehmer zu erwarten, dessen Partei formell Mitglied der Sozialistischen Internationalen ist?

Nach der Wahl auf seine ideologische Verortung angesprochen, sagte er dem Sender Telemetro: "Ich bin pragmatisch. Private Investitionen schaffen Arbeitsplätze und erhöhen so den Konsum. Das ist sehr wichtig, um einem Land mit solcher Armut und Ungleichheit wie Panama zu helfen. Dabei geht es nicht um rechts oder links." Cortizo sieht sich als Vermittler zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, zwischen Unternehmern, Arbeitern und Bauern und Bäuerinnen. Konkret bedeutet das etwa: Die Verbesserung der Qualität im Bildungssystem, eines seiner Anliegen im Wahlkampf, versteht er insbesondere als stärkere Ausrichtung an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Cortizo möchte, dass sich Investoren "wie zu Hause fühlen" und hat daher bereits einen Minister eigens für die Erleichterung privater Investitionen ausgewählt.

Unter den potenziellen Investoren könnte China eine wichtige Rolle spielen. Bereits Cortizos Vorgänger Juan Carlos Varela hatte im Jahr 2017 diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China aufgenommen und dafür die langjährigen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen. Panama schloss sich Chinas "Neue Seidenstraße"-Initiative an. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping kam im Dezember 2018 sogar zu einem Staatsbesuch. Zahlreiche Kooperationsabkommen wurden vereinbart, chinesische Investoren stecken in großem Stil Geld in Häfen am Panamakanal und schlagen die Finanzierung weiterer Infrastruktur vor. Diskutiert wird etwa ein Bahnprojekt zur Verbindung des westlichen Landesteils mit der Hauptstadt.

Diese Entwicklung missfällt den USA, die Lateinamerika traditionell als ihren Hinterhof betrachten, erst recht Panama, wo sie bis 1999 den von ihnen errichteten Kanal kontrollierten. In dem sich entwickelnden Handelskrieg zwischen den USA und China sitzt Panama nun mittendrin. Daraus erwächst neues Selbstbewusstsein. Cortizo, der in den USA studiert und gearbeitet hat, möchte mit beiden Großkunden des Kanals Geschäfte machen und hat auf Kritik aus den USA mit dem Hinweis reagiert, dass sie künftig der Region mehr Aufmerksamkeit schenken sollten, auch über Panama hinaus. Ansonsten könne Chinas Einfluss zunehmen.

Die wirtschaftliche Bedeutung seines Landes will der neue Präsident nutzen, um Panama politisch ein stärkeres Gewicht zu verschaffen. Er möchte auch auf diplomatischem Terrain ein Vermittler sein und bei der Lösung von Krisen in der Region wie derzeit in Venezuela eine Rolle spielen. Dazu passt allerdings nicht, dass er die Anerkennung Juan Guaidós als Interimspräsident Venezuelas durch seinen Vorgänger nicht in Frage stellt. Nimmt er sich zu viel vor?

Denn neben dem fehlenden Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen drohen weitere Probleme. Die Rentenkasse steht vor dem Kollaps, Medikamente sind rar. Trinkwasserknappheit ist vielerorts ein Problem, während der Betrieb des Panamakanals – das Fundament der Wirtschaft – dem Ökosystem der Kanalzone große Wassermengen entnimmt.

Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, schielen alle Regierungen schon immer auf die Ressourcen in indigenen Autonomiegebieten. In den nächsten Jahren dürfte es zu einer Zunahme von Konflikten mit indigenen Gruppen kommen. Als eine der wenigen Akteure haben diese in den letzten Jahren demonstriert, dass sie effektiv gegen neoliberale Regierungspolitik mobilisieren können: Die letzte größere, von unten entstandene Protestbewegung Panamas war der indigene Widerstand gegen ein neues Bergbaugesetz im Jahr 2011 (LN 443). Trotz Repression und massiver Diffamierung durch die Medien inklusive rassistischer Untertöne hatte der Protest damals Erfolg, das Gesetz wurde schließlich zurückgezogen.

Die Demokratie in der Krise, Verfassungsänderungen, ökologisch-soziales Konfliktpotential und dann am Reibepunkt zwischen US-amerikanischen und chinesischen Interessen: Es gibt einiges zu tun für den selbsternannten Vermittler.

Dieser Beitrag ist in den Lateinamerika Nachrichten Nr. 540 erschienen