"Wir haben keine andere Wahl als die Einheit": Ein Interview mit Victor Dreke aus Kuba

Über Kubas Solidarität mit den unterdrückten Völkern der Welt, Militärmissionen in Afrika und Che Guevaras "Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam"

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Von links nach rechts: Victor Dreke (Moja), Rafael Zerquera (Kumi) und Ernesto Che Guevara (Tatu) kurz nach ihrer Ankunft im Camp in Tansania
Von links nach rechts: Victor Dreke (Moja), Rafael Zerquera (Kumi) und Ernesto Che Guevara (Tatu) kurz nach ihrer Ankunft im Camp in Tansania

Victor Dreke ist ein ehemaliger Oberst der kubanischen revolutionären Streitkräfte, der während der entscheidenden Schlacht von Santa Clara an der Seite Che Guevaras gekämpft hat. Im Jahre 1965 war er als zweiter Befehlshaber an Guevaras Rebellentrainingsprojekt im Kongo beteiligt. Der 1937 geborene Dreke schloss sich im Alter von 15 Jahren der kubanischen revolutionären Bewegung an. Nach dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 war er an verschiedenen Operationen gegen konterrevolutionäre Banden beteiligt, so auch an der Verteidigung gegen die Söldnerinvasion in der Schweinebucht im Jahre 1961. Von 1965 an war Dreke verantwortlich für die Ausbildung internationalistischer freiwilliger Kämpfer und die Organisation der Einheiten der Kommunistischen Partei innerhalb der Streitkräfte. Er leitete die kubanischen Militärmissionen in Guinea-Bissau und Guinea-Conakry 1966-68 und 1986-89 und kehrt als Vizepräsident der Freundschaftsgesellschaft Kuba-Afrika regelmäßig nach Afrika zurück. Er hat Abschlüsse in Politikwissenschaft und Jura.

Kürzlich reisten Victor Dreke und seine Frau Ana Morales, eine kubanische Ärztin, die die erste Medizinerschule in Guinea-Bissau aufgebaut hat, durch Europa, um an Veranstaltungen zum 50. Jahrestag der Ermordung Che Guevaras teilzunehmen. Das Interview wurde in der kubanischen Botschaft in Brüssel von Ron Augustin geführt.

Leute, die mit Ihrem Lebenslauf vertraut sind, bringen Sie hauptsächlich mit Ihren Aktivitäten in Afrika, beginnend mit der kubanischen Militärausbildung im Kongo in Verbindung, die von Che Guevara und Ihnen geleitet wurde. Zu jener Zeit waren Sie der erste dieses kubanischen Kontingents, der im Kongo eintraf und von da an war Ihr Kriegsname Moja, Suaheli für Nummer Eins. Warum erklärte sich die kubanische Führung einverstanden, den kongolesischen Rebellen durch die Entsendung einer Kolonne von 128 Militärausbildern zu helfen?

Um die Anwesenheit eines kubanischen Militärkontingentes im Kongo zu verstehen ist es notwendig daran zu erinnern, was zu jener Zeit geschah. Wenige Jahre zuvor war der kongolesische Anführer Patrice Lumumba1 ermordet worden. Auch andere Anführer revolutionärer Bewegungen waren umgebracht worden. In Afrika hatten siebzehn ehemalige Kolonien ihre formelle Unabhängigkeit erreicht, aber alles, was sie wirklich bekommen hatten, war ein Fahne und eine Hymne, während sie weiterhin von den imperialistischen Mächten unterdrückt und ausgebeutet wurden. Andere Länder hatten blutige Unabhängigkeitskriege auszufechten, die bis in die 1970er und 1980er Jahre andauerten. Die afrikanischen Befreiungsbewegungen waren im Vergleich zu den Truppen, gegen die sie kämpften und die aus Söldnern aus der ganzen Welt bestanden, völlig im Nachteil. Im Kongo bombardierten die Belgier Dörfer und terrorisierten und töteten Zivilisten, um die Anhänger Patrice Lumumbas zu vernichten und durch Unterstützung der Truppen Mobutus2 die Kontrolle zurück zu erlangen. Außerdem erhielten Mobutu und seine Söldner zunehmend militärische Unterstützung auch durch die USA.

Als Mitglied der kubanischen Regierung reiste Che in den ersten Monaten des Jahres 1965 durch Afrika. Dabei traf er sich mit Regierungsfunktionären und mehreren Anführern von Befreiungsbewegungen. Wie er in seinem Bericht über unsere Mission im Kongo im Einzelnen beschrieben hat 3, erbaten viele dieser "Freiheitskämpfer" Hilfe in Form von militärischer Beratung und logistischer Unterstützung. Zur gleichen Zeit hatten die Anführer der lumumbistischen Bewegung im Kongo um die Möglichkeit ersucht, 30 ihrer Offiziere zum Studium nach Kuba zu entsenden. Grundsätzlich war die kubanische Führung damit einverstanden, kam aber bei der Analyse dieser Anfragen zu einem anderen Vorschlag. Unserer Ansicht nach würde es nützlicher sein, kubanische Offiziere in den Kongo zu entsenden, um die Kämpfer vor Ort zu trainieren. Für uns war es aufgrund der Charakteristika des Geländes, der anderen Bedingungen und auch wegen der Beteiligung kubanischer Instrukteure an ersten Aktionen in realen Kampfsituationen nicht das Selbe, eine Ausbildung in Kuba oder in Afrika zu organisieren. Als die Kongolesen unseren Vorschlag angenommen hatten, meldete sich Che freiwillig, die Sache zu leiten. So verließ am 1. April 1965 die erste Gruppe, darunter José Martínez Tamayo (Mbili) und ich selbst Kuba in Richtung Tansania und am 24. April landeten wir auf kongolesischem Gebiet.

Welches Konzept lag dem Unternehmen im Kongo zugrunde?

Unsere Grundkonzept war, dass die beste Ausbildung vor Ort, im Kampf, unter realistischen Bedingungen stattfindet. Im Kongo lebten und kämpften die kubanischen Instrukteure zusammen mit den kongolesischen Kombattanten unter der Perspektive der Entwicklung der ersten "Mutterkolonnen", die schließlich in der Lage sein würden, sich auszubreiten und weitere eigene Kolonnen zu bilden. Kämpfer anderer afrikanischer Befreiungsbewegungen sollten ihren Nutzen aus diesem Ausbildungskonzept ziehen, indem sie sich uns zu einem späteren Zeitpunkt anschließen. Zu jener Zeit hatte sich bereits eine Reihe von Ruandern den lumumbistischen Guerillakräften angeschlossen, mit denen wir zusammen gearbeitet haben. Das Trainingsprogramm wurde vor Ort entwickelt und bestand aus Erkundungsmärschen, organisatorischen Angelegenheiten, Überlebenstaktikten und Angriffen auf Militärkolonnen. Wir organisierten Sprachkurse und Che hielt sogar Schulungen über Marx’ Kapital ab. Wie ich in meinem eigenen Buch4 ausgeführt habe, umfasste die Ausbildung auch uns Kubaner selbst und kam denjenigen zugute, die sich ein Jahr später Ches Einsatz in Bolivien anschlossen, der im Grunde auf dem gleichen Konzept basierte.

In seinem Bericht über die Kongo-Erfahrung spricht Che Guevara über "die Gründung der Internationalen Proletarischen Armee", eine Perspektive, die er in seiner letzten Erklärung über die Schaffung von " zwei, drei vielen Vietnams" weiter entwickelt hat. Eine Perspektive, die weit über das Kongo-Projekt hinausging. Welche Diskussionen haben Sie mit ihm darüber geführt?

Wir haben darüber gesprochen. Ches Engagement im Kongo und in Bolivien beruhte auf seinen Erfahrungen in Guatemala und Kuba, mit einer weitreichenden strategischen, trikontinentalen Perspektive. Wir waren uns alle einig, dass die Afrikaner ein Training benötigten, um sie in die Lage zu versetzen, sich selbst zu verteidigen. Wie Sie wissen, operierten mehrere aus Söldnern bestehende Truppen in Afrika, nicht nur im Kongo, sondern auch in anderen Teilen des Kontinents. Zur gleichen Zeit griffen imperialistische Kräfte Vietnam an, das als revolutionäres Beispiel galt, welches zerstört werden musste. Was wir also versuchten haben war zu helfen, die Völker zu vereinen, die für die selbe Sache kämpften, letztlich um alle afrikanischen Völker zusammen zu bringen, damit sie sich selbst gegen den Imperialismus verteidigen konnten. Es war und ist eines der Ziele und Prinzipien der kubanischen Revolution, unter verschiedenen Umständen allen Ländern zu helfen, die um Hilfe bitten. Auch heute schicken wir Armeen, auch wenn sie aus Ärzten bestehen. Damals waren wir bereit, unser Blut für Vietnam zu geben, so wie wir heute versuchen die Völker zu einen und ‒ unter anderem auf dem Gesundheitssektor ‒ zu verteidigen. Für uns war das nicht nur eine Parole, sondern etwas, was wir bereit und willens waren zu tun. Es war eine Entscheidung der kubanischen Führung, die Einheit wo immer möglich zu unterstützen, um Kuba zu verteidigen, um Vietnam, Guinea Bissau und jedes kämpfende Land zu verteidigen. Der Imperialismus wollte und will uns, das revolutionäre Beispiel vernichten. Gegen den Imperialismus hatten und haben wir keine andere Wahl als die Einheit.

Ana Morales: Um besser zu verstehen, was Victor gesagt hat, würde ich gerne folgendes hinzufügen. Es gab zwei Denkweisen die in dem revolutionären Prozess, dessen Zeuge wir wurden, zusammenkamen, die von Che und die von Fidel. Als sie die Lage der kubanischen Revolution und die Strategie analysierten, die nötig war, um weiter voranzukommen ‒ und Victor teilte mit mir die Ansicht im Hinblick auf die Gespräche, die Che mit seinen Kämpfern führte ‒ war der erste Grundsatz die Solidarität mit allen unterdrückten Völkern der Welt. Che war durch ganz Lateinamerika gereist, bevor er sich der kubanischen Revolution anschloss und dabei Zeuge des allgemeinen Elends und der Ausbeutung geworden und hatte dabei seine politischen Erfahrung und Einsicht gewonnen. Fidel hatte ähnliche Bedingungen in Kuba erlebt, die er in seiner berühmten Rede "Die Geschichte wird mich freisprechen"5 beschrieben hat. Beide waren sich sehr bewusst, dass die Revolution durch die Schwächung der imperialistischen Kräfte verteidigt werden musste, und dass diese Kräfte nur dadurch geschwächt werden konnten, indem man sie an so vielen Stellen wie möglich angriff. Als Che in den Kongo ging, unterstützte Fidel diese Perspektive und tat dies weiter, auch in anderen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Sport. Diese Solidarität auf militärischer und sozialer Ebene begann 1963 in Algerien und all die Aktionen verfolgten die gleiche Absicht, nämlich diese Kraft der Einheit zu schaffen, um den Imperialismus zu schwächen. Nach der Ermordung Lumumbas war der Kongo ein logischer Ort, um damit zu beginnen ‒ wobei zu beachten ist, dass die Anfrage von den Kongolesen ausging ‒ und Che's Überlegungen zur Schaffung von "zwei, drei, vielen Vietnams" entsprechen genau dieser Linie des Denkens.

Gleichzeitig zu Ihrer Mission im Ostkongo war eine kubanische Einheit unter Leitung von Jorge Risquet und Rolando Kindelán in Kongo-Brazzaville stationiert, um dessen Regierung zu helfen, sich selbst gegen die Überfälle durch Söldnertruppen zu verteidigen und Guerillakräfte der MPLA6aus Angola auszubilden. Waren die beiden Missionen koordiniert oder gab es irgendeinen Kontakt zwischen diesen und der Rebellengruppe von Pierre Mulele7 , die im westlichen Teil des Kongo kämpfte?

Es gab keinerlei Kontakt zwischen unserer Gruppe und den Kubanern in Kongo-Brazzaville. Die Kommunikation war damals sehr viel schwieriger als heute und wir waren in jenen Tagen nicht in der Lage, irgendeinen Kontakt zu ihnen herzustellen. Wir sind einer Regel der Guerillakriegsführung gefolgt, die uns Raúl Castro gelehrt hat: auch wenn wir physisch getrennt sind, denken wir das Gleiche. Im Januar 1965 hatte Che sich mit Agostinho Neto8 aus Angola getroffen und einer Unterstützung der MPLA zugestimmt, die zu jener Zeit Stützpunkte in Kongo-Brazzaville besaß. Zusätzlich hatte der Präsident des Landes, Massamba-Débat9, Kuba um Hilfe gebeten, nachdem die Truppen Mobutus versucht hatten, ihn zu töten. Che wollte Pierre Mulele treffen, aber wir wussten damals nicht, wo wir ihn würden finden könnten. Schließlich tauchte Mulele in unserer Botschaft in Brazzaville auf. Unser Botschafter warnte ihn davor, sich mit Mobutu zu treffen, der ihm ein Friedensabkommen angeboten hatte, er ging trotzdem hin und wurde ermordet.

Nach Ihrer Abfahrt aus dem Kongo und einem kurzen Aufenthalt in Kuba sind Sie Anfang 1966 mit einer Einheit von Militärausbilder nach Afrika zurückgekehrt, um den von Amilcar Cabral 10geführten Kämpfern der PAIGC11 in Guinea-Bissau zu helfen. Können Sie uns etwas über Ihre Zeit dort bis 1968 berichten, bevor Sie in den 1980er Jahren dorthin zurückkehrten und uns insbesondere etwas über Ihre Beziehung zu Cabral?

Cabral und ich waren wie Brüder. Ich hatte die Möglichkeit einen großen afrikanischen Anführer zu treffen und kennen zu lernen. Einen integren, einfachen Mann von scharfem Verstand. Che hatte ihn mehrmals getroffen und mir von ihm erzählt. Cabral wurde nicht nur in Guinea Bissau und auf den Kapverden, sondern auch bei den Befreiungsbewegungen des gesamten Kontinents respektiert. Die Portugiesen versuchten ihn durch Geldzahlungen zu bestechen, aber er lehnte ab. Deshalb haben sie auch ihn ermordet. Wir befanden uns in einem Guerillalager in Guinea-Bissau als wir von Ches Tod in Bolivien und dem Verschwinden anderer Genossen erfuhren, an deren Seite ich in Kuba und im Kongo gekämpft hatte. Dies waren sehr schwierige Momente für mich, wie auch für Amilcar Cabral, der in meiner Erinnerung sehr eng mit jenen Ereignissen verbunden bleibt. Als Reaktion auf Ches Tod organisierte Cabral eine Militäroperation gegen verschiedene portugiesische Garnisonen gleichzeitig, eine gemeinsame Operation von kubanischen und PAIGC-Kräften unter der Parole "Che ist nicht gestorben".

Amilcar Cabral und Mehdi Ben Barka12 waren an den Vorbereitungen der Trikontinentalen Konferenz beteiligt, eine Idee, die sie gemeinsam mit Che während seiner Reisen durch Afrika entwickelt hatten. Worin bestand der Bezug zwischen der Konferenz und Kubas Unterstützung der Befreiungsbewegungen?

Ben Barka wurde während der Vorbereitungen zur Trikontinentale ermordet, einer Zusammenkunft von Revolutionären, die bereit waren, für die Unabhängigkeit ihrer Völker zu kämpfen. Bei diesem Treffen im Januar 1966, das von der Organisation für die Solidarität der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas (Ospaal13) organisiert worden war, wurde im Sommer 1967 unter dem Banner der Organisation für Lateinamerikanische Solidarität (Olas) eine Zusammenkunft der meisten zu jener Zeit aktiven lateinamerikanischen Guerillabewegungen einberufen. Die Bedeutung dieser beiden Veranstaltungen liegt darin, dass sie in der Lage waren, eine große Anzahl von Revolutionären zu versammeln. In seiner Botschaft an die Trikontinentale14, die er unmittelbar vor seiner Abreise nach Bolivien verfasste, umriss Che eine strategischen Perspektive: er stellte fest, dass der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus in einer großen globalen Konfrontation besiegt werden muss. Was wir benötigten und wofür wir weiter kämpfen müssen, ist die Einheit im Kampf gegen den Imperialismus. In diesem Sinn ist unsere Unterstützung anderer Länder ein Teil unseres eigenen Kampfes.

Worin liegen nach Ihrer Ansicht als langjähriger Militärangehöriger und Parteimitglied die Unterschiede zwischen einer Armee, die den Sozialismus verteidigt wie in Kuba und den Armeen, die kapitalistische Interessen verteidigen?

Da gibt es sehr große Unterschiede. Kapitalistische Armeen sind in Morde verwickelt. Kapitalistische Armeen bestehen, um eine Mauer zwischen Volk und Machthabern zu bilden. Ihre Soldaten werden mit Schlägen, Tritten und Gebrüll abgerichtet. Sie werden dazu gezwungen, Dinge zu tun, die nichts mit militärischer Verteidigung zu tun haben, sie werden gehirngewaschen um blind Befehle zu befolgen, ohne Fragen zu stellen und ohne wirklich zu wissen, was sie verteidigen und wofür sie kämpfen. In Kuba gehört in gewisser Weise das gesamte Volk zum Militär, nicht von Gesetzes wegen, sondern von Herzen. Unsere Soldaten wissen bei allem was sie tun, dass sie aus Respekt vor der Freiheit der Menschen handeln, ihre Disziplin beruht auf Bewusstsein. Von Kindheit an haben sie in der Pionierbewegung gelernt, Fragen zu stellen und aktiv auf das zu reagieren, was sie hören. Ihre Erziehung befähigt sie dazu, die Vorgänge in der Welt zu erkennen und zu verstehen. Das ist der Grund, warum die kubanischen revolutionären Streitkräfte immer auch vielfältige humanitäre Missionen durchgeführt haben.

Sie haben Che Guevara zum ersten Mal während des Revolutionskrieges in den Escambraybergen getroffen. Können Sie uns etwas über die Umstände sagen?

Ich habe mich der revolutionären kubanischen Jugendbewegung an meinem 15. Geburtstag angeschlossen, genau am Tag des Militärputsches von Batista im März 1952. Wir haben alle möglichen Aktionen gegen das Batista-Regime organisiert und als sich im Jahre 1955 die Bewegung 26. Juli organisierte, wurde ich zum Anführer von Sabotageaktionen in Sagua la Grande, einer der größten Zucker produzierenden Gegenden des Landes. Unsere Gruppe fungierte als Bindeglied zwischen der Studentenbewegung und den Kämpfen der Zuckerarbeiter, die zu jener Zeit zu den Kämpferischsten gehörten. Gegen Ende des Jahres 1957 musste ich untertauchen und schloss mich der Guerillafront in den Escambraybergen an, die vom Revolutionären Direktorium des 13. März organisiert worden war. Im Oktober 1958 befand ich mich in einem Lager des Direktorium in Dos Arroyos, ein paar Tage nachdem ich im Kampf verwundet worden war, als unsere Einheit die Stadt Placetas in etwa 30 Kilometern Entfernung von Santa Clara angegriffen hatte. Che hatte das Escambraygebirge wenige Tage zuvor erreicht und nutzte das Lager zur Reorganisierung seiner und unserer Truppen für eine Schlacht, die eine der letzten und entscheidensten des Revolutionskrieges werden sollte. Wir hatten ihnen schon zu verstehen gegeben, dass ihnen alles im Lager zur Verfügung stand, und Che fragte mich, ob er sich "nur für einen Moment" meine Schreibmaschine ausleihen könne. Er untersuchte meine Wunden und sagte mir, dass die Heilung gut voranschreite. "Du wirst bald wieder kämpfen können." So habe ich ihn kennen gelernt. Ich werde diese Momente niemals vergessen. Seitdem ist er immer wie ein Bruder für mich gewesen.

Worin liegt Ihrer Meinung nach heute, fünfzig Jahre nach seinem Tod, die Bedeutung Che Guevaras?

Für mich bedeutet Che einen Menschen im revolutionären Kampf von heute und von morgen. Che war ein wahrer revolutionärer Kämpfer in Verteidigung der sozialistischen Sache. Er überzeugte durch sein eigenes Beispiel, seine Bescheidenheit, seine moralischen Werte und seine revolutionäre Ethik. Er praktizierte, wofür er eintrat und hat uns ein reiches Erbe an theoretischen Überlegungen hinterlassen, unter anderem Beiträge zur politischen Ökonomie des Übergangs zum Sozialismus und Gedanken zur Guerillataktik, zur Wirtschaftsplanung und zur Rolle des Individuums beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Wo immer ein Mensch sich erhebt, um den Kapitalismus zu bekämpfen, ist Ches Präsenz spürbar.

  • 1. Patrice Lumumba, einer der Gründer der für die Unabhängigkeit des Kongo eintretenden Partei Mouvement National Congolais, war von Juni bis September 1960 erster Premierminister des unabhängigen Kongo und wurde am 17. Januar 1961 ermordet. Laut mehreren Untersuchungsberichten wurde der Mord direkt von den Regierungen Belgiens und der USA angeordnet und vom amerikanischen Geheimdienst CIA und örtlichen, von Brüssel und Washington finanzierten Helfern ausgeführt. Siehe Panafrikanismusforum: Patrice Emmery Lumumba
  • 2. Mobutu Sese Seko Kuku Ngbendu wa Zabanga herrschte von 1965 bis 1997 in der Demokratischen Republik Kongo
  • 3. Ernesto Che Guevara, Pasajes de la guerra revolucionaria: Congo. Deutsche Übersetzung: Der afrikanische Traum, Kiepenheuer&Witsch, 2000
  • 4. Victor Dreke, De la sierra del Escambray al Congo, New York: Pathfinder Press, 2002
  • 5. Verteidigungsrede von Fidel Castro, als er am 16. Oktober 1953 wegen des von ihm organisierten Angriffs auf die Moncada-Kaserne vor Gericht gestellt wurde
  • 6. Movimento Popular de Libertação de Angola: angolanische Befreiungsbewegung gegen die Kolonialmacht Portugal, seit 1975 Regierungspartei
  • 7. Pierre Mulele, Bildungsminister unter Lumumba , war später am Kampf gegen Mobutu beteiligt
  • 8. Agostinho Neto,Vorsitzender der MPLA
  • 9. Alphonse Massemba-Débat war von 1963 bis 1968 Präsident der Republik Kongo
  • 10. Amílcar Lopes Cabral (1924 – 1973) war ein guinea-bissauischer Politiker, Poet, Intellektueller, Theoretiker, Diplomat, Agrarwissenschaftler und Unabhängigkeitskämpfer
  • 11. Partido Africano para a Independência da Guiné e Cabo Verde, Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde
  • 12. Mehdi Ben Barka (1920 -1965) war ein marokkanischer Politiker und Befreiungskämpfer
  • 13. Siehe: OSPAAAL: 50 Jahre, drei Kontinente, ein gemeinsames Ziel und Ospaal: 50 Jahre auf der Suche einer Integration vom Süden aus
  • 14. Ernesto Che Guevara, Botschaft an die Trikontinentale