Dreifacher Femizid schockiert Argentinien

Opfer sind zwei 20-Jährige und ein 15-jähriges Mädchen. Ermittler prüfen einen Bezug zu Drogenbanden. Video soll in einer geschlossenen Gruppe gezeigt worden sein

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Feministische Gruppen demonstrieren gegen Gewalt in Argentinien
Feministische Gruppen demonstrieren gegen Gewalt in Argentinien

Buenos Aires. Die Nachricht eines dreifachen Femizids unter brutalen Umständen erschüttert seit letzter Woche die argentinische Öffentlichkeit. Die Opfer waren zwei 20-jährige Frauen und ein 15-jähriges Mädchen. Sie wurden vor ihrem Tod gefoltert, während die Prozedur angeblich live in einer geschlossenen Gruppe in den sozialen Medien übertragen wurde, mit 45 Zuschauern. Über welche Plattform das geschehen sein soll, ist umstritten.

Die Tat erfolgte offenbar im Kontext des Streits zwischen zwei Drogengangs. Das jüngste Opfer, Lara Gutierrez, soll ein Drogenversteck, das von einem Bekannten bewacht wurde, an eine rivalisierende Bande verraten haben. Diese hätte dann den Ort überfallen und die Drogen erbeutet.

Lara und ihre beiden Freundinnen, Brenda del Castillo und Morena Verdi, die beide mit der Tat nichts zu tun hatten, wurden am Freitag, den 19. September, laut Zeugen dafür engagiert, bei einer Party in den Vorort Florencio Varela sexuelle Dienste anzubieten. Jede sollte dafür 300 US-Dollar bekommen. Ein weißer Pickup holte sie dazu in ihrem Wohnort La Tablada ab. Ein zweites Fahrzeug soll als Sicherung gefolgt sein.

Als sie am Samstag früh noch nicht zurück waren, wurde ihr Verschwinden gemeldet und die Suche am übernächsten Tag aufgenommen. Anhand der Daten ihrer Handys wurde der letzte Aufenthaltsort schnell gefunden. Als die Polizei in das Haus eindrang, fand sie zwei Personen, die Spuren reinigten, und die frisch zugeschüttete Grube mit den zerstückelten Leichen.

In den folgenden Stunden wurden mehrere Personen festgenommen und weitere Beteiligte identifiziert. Einen Verdächtigen nahm man später in Bolivien fest. Der Chef der Bande, Tony Janzen Valverde, und seine rechte Hand, Matías Ozorio, wurden in Peru gefasst. Ozorio, 28 Jahre alt, ist Argentinier und wurde sofort ausgewiesen und an die argentinische Justiz übergeben.

Alias Pequeño J Valverde ist 20 Jahre alt und peruanischer Staatsbürger, weshalb erst ein Auslieferungsprozess stattfinden muss. Sein Vater war bereits Chef der Bande Los injertos de Nuevo Jerusalen in Trujillo, Peru, und wurde getötet, als sein Sohn 13 Jahre alt war.

Obwohl Argentinien jährlich eine hohe Anzahl an Femiziden aufweist, hat dieser Fall die Öffentlichkeit geschockt. Am Samstag, den 27. September, fand eine große Demonstration in Buenos Aires statt, organisiert vom Kollektiv Ni Una Menos, das seit Jahren gegen die Gewalt gegen Frauen protestiert.

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Das Land kämpft zudem mit einer steigenden Drogenkriminalität, die sich vor allem in der zweitgrößten Stadt im Land, Rosario, gefestigt hat. Die Bande Los Monos dominiert dort den Drogenmarkt und fordert die Justiz heraus. Diese Art von Verbrechen jedoch, die an die Zustände in Tijuana vor wenigen Jahren erinnern, kannte das Land bisher noch nicht.

Bereits zu Anfang des letzten Jahres hatten verschiedene Stimmen, wie zum Beispiel der Sozialdirigent Alejandro Pitu Salvatierra, der peronistische Politiker und Anwalt Juan Grabois und sogar die katholischen Bischöfe, davor gewarnt, dass mit dem Rückschnitt des Sozialstaates durch die libertäre Regierung von Präsident Javier Milei, ein Leerraum entstehen würde, der den Vormarsch der Drogen-Gangs favorisiert. Die Zerschlagung des Netzwerks an Sozialarbeitern, Ambulatorien und Volksküchen, deren Finanzierung früher vom Staat kam, schafft einen Leerraum, der von den Gangs ausgenutzt wird, um sich in den Armenvierteln auszubreiten. Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit (trotz des angeblichen Rückgangs der Armut, die von der Regierung behauptet wird) trägt dazu auch wesentlich bei.

Kritisiert wurden jedoch auch die Liberalisierungsmaßnahmen bei den Devisenkontrollen und Kapitalflüssen, die der Rationalisierungsminister Federico Adolfo Sturzenegger durchsetzte. Diese wurden von Beginn an kritisiert, da sie gegen internationale Abkommen verstoßen und die Geldwäsche durch die organisierte Kriminalität befördern könnten. Die Zustände in Ecuador wurden als Beispiel genannt. Dieses Land ist durch seine Dollarisierung und geringe Kontrollen ein beliebter Ort für die Drogenkartelle, um Geld zu waschen.

In diesem sensiblen Kontext schlug auch eine Nachricht Wellen zur Beziehung zwischen Politik und Drogenhandel. Der Abgeordnete und Spitzenkandidat der Regierungspartei bei den kommenden Parlamentswahlen vom 26. Oktober, José Luis Espert, erhielt laut der US-Justiz im Jahr 2019 eine Zahlung über 200.000 US-Dollar von dem Unternehmer Fred Machado, der für das Kartell von Sinaloa über ein Firmengeflecht Geld gewaschen und Drogentransporte organisiert haben soll. Er sitzt seit drei Jahren in Argentinien in Hausarrest. Der oberste Gerichtshof nimmt sich jedoch eine lange Zeit, um über seine Ausweisung zu entscheiden.

Espert hat nicht nur Geld bekommen, sondern ist während des Wahlkampfes 2019 insgesamt 35-mal mit dem Privatflugzeug Machados geflogen und bekam einen gepanzerten SUV zur Verfügung gestellt. Bei dem Versuch, dies zu erklären, verwickelte er sich mehr und mehr in Widersprüche. Der Abgeordnete Rodolfo Tailhade (Union por la Patria) hatte bereits im Februar Espert beschuldigt, mit Drogengeld seine Kampagne finanziert zu haben. Auch Grabois hatte in den letzten Tagen eine Strafanzeige gegen Espert eingereicht. Im Parlament wird inzwischen sein Ausschluss verlangt.

Der Schaden für Mileis Partei La Libertad Avanza, die bereits durch die jüngsten Korruptionsskandale um seine Schwester stark belastet wurde, ist bereits jetzt erheblich, besonders in diesem sensiblen Kontext. Doch obwohl mehrere hochrangige Partei- und Regierungsmitglieder einen Rücktritt Esperts verlangen, hält Milei an ihm fest. Nach einem Treffen am Freitagabend wurde bestätigt, dass er der Spitzenkandidat bleibt.