Indigener Aktivist in Mexiko verschleppt, Täter weiter straffrei

Politiker sollen in das Verbrechen involviert sein, Zeugen bekamen Morddrohungen. Anwalt musste wegen Drohungen gewechselt werden

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Das Land verteidigen ist kein Verbrechen
"Das Land verteidigen ist kein Verbrechen. Gerechtigkeit für Sergio Rivera"

Zoquitlán/Mexiko-Stadt. Der indigene Aktivist Sergio Rivera Hernández gilt seit dem 23. August 2018 als gewaltsam verschwunden. An diesem Tag haben Augenzeugen gesehen, wie Rivera absichtlich angefahren und anschließend von bewaffneten Männern mit einem Pick-up-Truck verschleppt wurde. Anlässlich des siebten Jahrestages des Verbrechens protestierte die Zapatistische Indigene Agrarbewegung (MAIZ) gegen die Straflosigkeit in diesem Fall: Rivera habe "das Leben, das Wasser und das Wort seines Volkes verteidigt", schrieb MAIZ.

Rivera führte in seiner Gemeinde Zoquitlán den Widerstand gegen ein Wasserkraftprojekt in der Sierra Negra des Bundesstaates Puebla an. Das Projekt sollte das mexikanische Bergbauunternehmen Autlán mit Strom versorgen. Autlan, der größte Produzent von Manganerz Nordamerikas und wichtiger Zulieferer der Autoindustrie, initiierte das Wasserkraftprojekt ohne die Befragung der Nahua-Bevölkerung. Diese protestierte gegen das Projekt am Fluss Coyolapa, da sie gravierende ökologische Auswirkungen befürchtete. Der Widerstand formierte sich in Vollversammlungen mit mehreren tausend Bewohnern in der abgelegenen Bergregion. Letztlich konnten die mächtigen Lokalbehörden den Widerstand nicht brechen, das Unternehmen zog sich zurück. Kurz darauf geschah das Verbrechen gegen Rivera, einer der sichtbarsten Köpfe des Protests.

MAIZ beschreibt den Prozess gegen die Täter, der bis heute andauert. Kurz nach der Tat wurden drei Männer festgenommen und aufgrund von Aussagen von Augenzeugen angeklagt. Die drei Angeklagten standen im Dienst der Lokalbehörden unter dem damaligen Bürgermeister von Zoquitlán, Fermín González León. Zwei Jahre nach der Tat wurden sie jedoch vom Richter Mario Cortés Aldama wegen angeblich fehlender Beweise freigesprochen. Der Prozess war von Unregelmäßigkeiten begleitet, so verweigerte der Richter den indigenen Zeugen einen Übersetzer. Seit 2023 wird der Prozess neu aufgerollt, jedoch unter demselben Richter und unter noch schlechteren Vorzeichen, da "alle Zeugen mit dem Tod bedroht wurden", so MAIZ. Trotz der Anzeigen der Morddrohungen garantiere die Staatsanwaltschaft ihre Sicherheit nicht, weshalb die Zeugen nicht vor Gericht erschienen sind.

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Auch Riveras Familie wurde mehrmals bedroht. Die Ehefrau von Sergio, die 31-jährige Consuelo Carrillo León, hat 2023 die Morddrohungen gegen sie, ihre Eltern und ihre fünf Kinder angezeigt. Die Familie war dazu gezwungen, ihren Anwalt, einen bekannten Menschenrechtsanwalt, wegen der Drohungen auszuwechseln und die Verteidigung einer neuen Anwaltskanzlei zu übergeben. Diese soll allerdings mit den Tätern zusammenarbeiten, warnte die indigene Organisation.

Gemäß MAIZ ist Fermín González León, der damalige Gemeindepräsident von Zoquitlán, für das gewaltsame Verschwindenlassen von Rivera  verantwortlich. Doch anstatt Ermittlungen gegen ihn einzuleiten, wurde González León mit einem Regierungsposten belohnt. In der Regierung der Morena-Partei ist González León verantwortlich für ländliche Entwicklung. "Diese politische Beförderung ist ein Affront gegen das Andenken von Sergio und eine Botschaft, dass Straflosigkeit Staatspolitik ist", schreibt MAIZ.

Anlässlich des Internationalen Tages der Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens, der am 30. August begangen wird, betont MAIZ, der Fall von  Rivera zeige exemplarisch die "Komplizenschaft des mexikanischen Staates" auf. Derzeit zählt die Statistik des Nationalen Registers der verschwundenen und vermissten Personen mehr als 132.000 Fälle im Land. Während unter Präsidentin Claudia Sheinbaum die Mordrate sinkt, nimmt das Delikt des gewaltsamen Verschwindenlassens weiter zu. Inmitten dieser Menschenrechtskrise hat Teresa Guadalupe Reyes Sahagún, die Direktorin der Nationalen Suchkommission für Verschwundene, auf den 31. August ihren Rücktritt eingereicht. Für die Wahl einer neuen Direktorin fordern die Kollektive der Angehörigen ein transparentes und partizipatives Verfahren.