Argentinien: Disput um Gedenken an einen Kämpfer gegen die Diktatur

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Neu errichtetes Denkmal zu Ehren Osvaldo Bayers in El Calafate
Neu errichtetes Denkmal zu Ehren Osvaldo Bayers in El Calafate

El Calafate. In dem patagonischen Touristenort El Calafate in der argentinischen Provinz Santa Cruz ist ein neues Denkmal zu Ehren des Journalisten, Historikers und Menschenrechtsaktivisten Osvaldo Bayer (1927-2018) errichtet worden.

Das Gesicht von Bayer wurde in einem Holzwerk des lokalen Künstlers César Jara stilisiert und an der pittoresken Uferpromenade neben dem Schild mit dem Gemeindenamen platziert.

Das neu errichtete Mahnmal in El Calafate ist die Entgegnung auf die Verwüstung eines Bayer gewidmeten Denkmals, das einige Tage zuvor in der 300 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Rio Gallegos geschehen war. Dort hatten Angestellte der nationalen Straßenbehörde "Vialidad Nacional" mit Bagger und Presslufthämmern ein Mahnmal zerstört, das vor zwei Jahren von einer lokalen Menschenrechtsgruppe am Stadteingang errichtet worden war. Neben Bayers Gesicht war zu lesen: "Bienvenidx, usted está ingresando a la tierra de la Patagonia Rebelde" – "Willkommen, Sie betreten das Land des rebellischen Patagoniens".

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Gedenken an Osvaldo Beyer und die 1.500 erschossenen Opfer im rebellischen Patagonien
Gedenken an Osvaldo Beyer und die 1.500 erschossenen Opfer im rebellischen Patagonien

Der deutschstämmige Bayer, der während der Militärdiktatur (1976-1983) im deutschen Exil lebte, schildert in seinen seinem 1972/74 erschienenen Werk "La Patagonia rebelde" (deutscher Titel: Aufstand in Patagonien) den Streik und Aufstand der Landarbeiter:innen im Patagonien der frühen 1920er Jahre. Die Bewegung wurde vom Militär blutig unterdrückt, mehr als 1.500 Aufständische wurden hingerichtet. Das Werk wurde, ebenso wie der 1974 entstandene gleichnamige Film, unter der Diktatur verboten. Bayer erhielt wiederholt Todesdrohungen. Viele seiner Intellektuellen-Kollegen wurden verschleppt und ermordet.

Laut der rechtslibertären Website El Diario Santa Cruz sei die Zerstörung des Denkmals zur "Säuberung von der kirchneristischen Indoktrination" geschehen. Es habe "eine militante Hommage" dargestellt und die gendergerechte "Sprache des Kirchnerismus" propagiert. Der aus Rio Gallegos stammende Peronist Néstor Kirchner war von 2003 bis 2007 Staatspräsident.

Nach Aussage des peronistischem Bürgermeisters von Río Gallegos, Pablo Grasso, wurde das Denkmal ohne vorherige Rücksprache mit der Stadt zerstört. "Angesichts des Versuchs der Nationalregierung, die Geschichte der Menschen von Patagonien auszulöschen" so Grassi, "beschlossen wir, das Denkmal für Osvaldo Bayer wiederherzustellen. Denn wir sind von Natur aus Rebellen."

Zuvor hatte die Provinzregierung bereits beschlossen, eine gerichtliche Untersuchung zu den Hinrichtungen der 1920er Jahre einzuleiten.

"Manche zerstören die Erinnerung, andere bauen sie auf", postete Hector Javier Belloni, der Bürgermeister von El Calafate, auf seinem Instagram-Account. Auf den Fotos ist neben dem Bildnis Bayers und seinem Namen der Satz zu erkennen: "Wir müssen Licht in unsere Vergangenheit bringen, damit so etwas nie wieder passiert." Belloni betonte, dass die Ehrung Bayers das Engagement der Gemeinde für Wahrheit, Gerechtigkeit und Identität zum Ausdruck bringe.

In ganz Argentinien löste die Denkmalzerstörung von Rio Gallegos eine Welle der Solidarität mit dem Erbe von Osvaldo Bayer aus.

Viele Kommentator:innen übten scharfe Kritik an dem Vorgehen der Behörden und riefen zur Lektüre von Bayers Büchern auf. Vor dem Hauptsitz von "Vialidad Nacional" begann ein Protestmarsch, der bis zum Denkmal für General Julio Roca (1827-1914) führte. Roca ging bei der Besiedelung Patagoniens durch Siedler:innen rücksichtslos gegen die dort lebenden indigenen Gemeinschaften vor. Osvaldo Bayer wollte an dieser Stelle zeitlebens ein Denkmal für die indigenen Völker errichten.