San Salvador. Die Reform des Artikels 248 der Verfassung von El Salvador wird von Verfassungsrechtlern, Oppositionspolitikern und Menschenrechtsorganisation kritisiert. Diese sieht im Kern vor, dass Verfassungsänderungen nunmehr mit mindestens 45 Ja-Stimmen im Parlament in einer Legislaturperiode beschlossen werden können. Am 29. Januar war die Reform mit 57 Ja-Stimmen im 60-köpfigen Parlament beschlossen worden.
Bisher hatten eine Verfassungsänderung erst Gültigkeit erlangt, wenn das neu gewählte Parlament in der folgenden Legislaturperiode die Änderung bestätigte. Diese nun entfallende Maßnahme war praktisch eine Art der Volksabstimmung zu der geplanten Verfassungsänderung, erklärte der Anwalt für Verfassungsrecht, Enrique Anaya in einem Interview. "Wenn die Bevölkerung mit der Verfassungsänderung einverstanden war, wählte sie die Abgeordneten erneut, wenn nicht entschied sie sich für andere Kandidaten", so Anaya.
Dies sei eine Möglichkeit gewesen "die Regierung daran zu hindern, die Verfassung nach Belieben zu ändern. Mit der beschlossenen Reform wird eine vorrübergehende Mehrheit in der Lage sein, jeden Aspekt der Verfassung ohne echte demokratische Kontrolle zu ändern".
Im aktuellen, im Februar 2024 für drei Jahre gewählten Parlament, stellt die Partei des Staatspräsidenten Nayik Bukele, Nuevas Ideas (Neue Ideen), mit 54 Abgeordneten die absolute Mehrheit. Zusammen mit den drei Abgeordneten der verbündeten Parteien PCN und PDC kommt die Allianz sogar auf 57 Sitze. Lediglich die drei Abgeordneten der Parteien Arena und Vamos vertreten im aktuellen Parlament oppositionelle Positionen.
Anaya befürchtet weitere Einschränkungen der Gewaltenteilung. Seiner Auffassung nach ist El Salvador "in der Praxis ein autoritäres Regime, in dem die Machtbefugnisse des Staates der Exekutive untergeordnet sind". Der Verfassungsrechtler befürchtet weiter, dass die durch den Ausnahmezustand seit März 2022 bestehende Regelung, Festnahmen bis zu 15 Tagen ohne richterlichen Haftbefehl durchführen zu können, nunmehr verfassungsrechtlich verankert werde.
Sie schätzen unsere Berichterstattung?
Dann spenden Sie für amerika21 und unterstützen unsere aktuellen Beiträge über das Geschehen in Lateinamerika und der Karibik. Damit alle Inhalte von amerika21.de weiterhin für Alle kostenlos verfügbar sind.
Für Ani Piquer, Direktorin von Amnesty International für den amerikanischen Kontinent, "stellt die Ratifizierung dieser Verfassungsreform ein besorgniserregendes Risiko einer weiteren Erosion der Menschenrechte in El Salvador dar".
Die Abgeordneten von Nuevas Ideas und Präsident Bukele hatten bei der Reform des Artikel 248 vor allem mit der Abschaffung des Gesetzes zur Finanzierung von Wahlkampagnen der Parteien durch öffentliche Gelder argumentiert, die in El Salvador als "deuda política" (politische Schulden) bekannt sind.
Die Finanzierung der Parteien ist im Artikel 210 der Verfassung geregelt, ohne die Ende Januar erfolgte Reform könnten "wir den Artikel 210 nicht abschaffen", hatte Caleb Navarro, Abgeordneter von Nuevas Ideas, am 29. Januar erklärt. Die Abschaffung des Artikels solle jetzt schnell erfolgen und durch eine Eigenfinanzierung der Parteien ersetzt werden. Der Abgeordnete sagte, die freigewordenen Mittel sollten für "Gesundheit und Bildung verwendet werden".
Für Cesia Rivas, Abgeordnete der Oppositionspartei Vamos, ist dies allerdings eine "Ausrede, um mehr Macht in die eigenen Hände zu legen". Ähnlich äußerte sich Manuel Flores, Generalsekretär der seit den letzten Wahlen nicht mehr im Parlament vertretenden FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti). Es ginge der Regierung um die "Manipulation des gesamten Systems, nicht um dem Artikel 210", erklärte er in den Medien.