Human Rights Watch: Weiter keine unabhängige Justiz in Guatemala

Menschenrechtsbericht benennt soziale und politische Probleme im Land. Verfolgung von Juristen, Aktivisten und Journalisten geht weiter

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Plakat fordert die Freilassung von Rubén Zamora. Der Journalist ist eines der Opfer juristischer Verfolgung in Guatemala
Plakat fordert die Freilassung von Rubén Zamora. Der Journalist ist eines der Opfer juristischer Verfolgung in Guatemala

Guatemala-Stadt. Der Bericht von Human Rights Watch (HRW) sieht für 2024 weiterhin eine kritische Lage der sozialen und politischen Menschenrechte. Trotz des Amtsantrittes von Präsident Bernardo Arévalo "untergräbt die Staatsanwaltschaft um Generalstaatsanwältin Consuelo Porras weiterhin die Rechtsstaatlichkeit und gefährdet die Menschenrechte", heißt es in der Presse.

Das Dokument erwähnt die Fälle der Antikorruptionsermittler Virginia Lappara und Stuardo Campo. Beide seien durch "konstruierte Verfahren" angeklagt worden. Lappara wurde nach zwei Jahren Haft im Januar 2024 in den Hausarrest entlassen, nach einem erneuten Urteil und einer drohenden neuen Haftstrafe floh sie im Juli außer Landes. Campo sitzt weiterhin in Haft.

Der Journalist und Gründer der kritischen Zeitung El Periódico, Rubén Zamora, kam im Oktober nach über 800 Tagen Haft in den Hausarrest, schon im November ordnete ein Gericht seine erneute Inhaftierung an.

2023 und 2024 wurden insgesamt fünf Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ermordet. Der HRW-Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass "Straffreiheit, insbesondere im Zusammenhang mit Berichterstattung wegen Korruption und Verletzung der Menschenrechte, die Norm ist".

Im Zeitraum von März 2023 bis August 2024 zählt der Bericht außerdem 18 Morde an Menschenrechtsaktivisten auf. Beispielhaft wird die Ermordung des Rechtsanwaltes José Domingo genannt. Der Jurist, der für die Landarbeiterorganisation Komitee für Bauerneinheit (CUC) tätig war, wurde im Juni erschossen. Sein Begleiter Marcelo Yaxón, leitendes Mitglied der Organisation, starb wenige Tage später an seinen Verletzungen. Das CUC sprach damals gegenüber der Presse von einem "regelrechten Hinterhalt".

Insgesamt sind seit 2022 mindestens 44 Juristen, 26 Menschenrechtsaktivisten und 25 Journalisten nach Drohungen oder juristischer Verfolgung ins Exil gegangen.

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Auch die Lage der sozialen Rechte im Land sieht der Bericht kritisch. 2023 lebten 56 Prozent der Bevölkerung in Armut, 16 Prozent in extremer Armut. Von Januar bis Oktober 2024 dokumentiert der Bericht 278 Todesfälle von Kindern im Kontext akuter Unterernährung, diese hat im Vergleich zu den Vorjahren noch zugenommen (amerika 21 berichtete). Seit Jahren hoch ist die Zahl der chronischen Unterernährung. Laut Zahlen der Weltbank sind 46,5 Prozent aller Kinder in Guatemala chronisch unterernährt, einer der höchsten Werte weltweit.

Das "hohe Niveau an Armut und Ungleichheit, die strukturelle Diskriminierung und die Korruption erschweren den Zugang zu Basisrechten", so HRW. Insbesondere betroffen sei hiervon die indigene und afrikanisch-stämmige Bevölkerung sowie die Landbevölkerung im Allgemeinen.

In den vergangenen zwei Jahren hätten Vertreibungen der Landbevölkerung zugenommen, besonders im Zusammenhang mit Wasserkraftwerken, Bergbau, Erdölförderung und Monokulturen, hier vor allem die Palma Afrikana zur Palmölproduktion.

Der Bericht schließt mit den Hinweisen auf Sanktionen der Europäischen Union und der USA gegen Personen in Guatemala. Im Januar 2024 verhängte die EU Strafmaßnahmen gegen fünf Einzelpersonen, unter anderem gegen Generalstaatsanwältin Porras. Die USA sanktionierten ebenfalls im Januar 2024 den ehemaligen Staatschef Alejandro Giammattei und drei seiner Kinder wegen "erheblicher Korruption". Bereits im Dezember 2023 hatten die USA 300 Guatemalteken, darunter 100 Kongressabgeordnete, wegen "Untergrabung der Demokratie" unter anderem mit Entzug der Visa sanktioniert.

Ein aktueller, nicht im Bericht erwähnter Vorfall, ist das Verfahren gegen den ehemaligen Armeechef Benedicto Lucas García wegen Verbrechen während des Bürgerkrieges. Der Prozess stand in November vergangenen Jahres nach 99 Verhandlungstagen bereits vor der Urteilsverkündigung (amerika 21 berichtete). Die Verteidigung konnte dann wegen angeblicher Befangenheit der Richter durchsetzen, dass der Prozess vor einem neuen Gericht neu verhandelt werden muss. Kurz danach wurden noch die mit dem Fall vertrauten Staatsanwälte entlassen.

Die Organisation Guatemala-Solidarität Österreich hat auf diese Vorfälle mit einer Petition reagiert, mit der im deutschsprachigen Raum Unterschriften gesammelt werden. Sie soll "Arévalo den Rücken stärken, um die Entlassung der Generalstaatsanwältin zu erreichen".