Santiago. In der chilenischen Hauptstadt ist ein Prostitutionsring zerschlagen worden, der Frauen und Minderjährige sexuell ausbeutete. Dieser wurde laut Behördenangaben von einer Zelle der transnational agierenden Bande Tren de Aragua (Zug von Aragua) in Santiago unter anderem unweit vom Präsidentenpalast La Moneda betrieben.
30 migrantische Frauen ohne Aufenthaltspapiere, darunter mehrere Minderjährige, wurden laut Medienberichten durch die kriminelle Bande sexuell ausgebeutet. Die Operation wurde vom Team für organisiertes Verbrechen und Mord (ECOH) sowie der Polizei für Ermittlungen (PDI) geleitet. Sergio Soto, zuständiger Staatsanwalt des ECOH, bestätigte die Festnahme von mindestens vier Bandenmitgliedern "ausländischer Nationalität". Die unter Vortäuschungen illegal ins Land geschleusten Frauen seien von der PDI befreit und gerettet worden.
Der Fall dieser Zelle der Bande kam im Oktober dieses Jahres ins Rollen, nachdem in einem Koffer die verbrannte Leiche eines 21-jährigen Venezolaners gefunden wurde, der selbst zum Tren de Aragua gehört haben soll. Seine Ermordung soll von Mitgliedern der Bande wegen "Verstoßes gegen die Regeln des sexuellen Handels mit Frauen" verübt worden sein, da er mit einem der ausgebeuteten Opfer eine Beziehung eingegangen sei.
Die Polizei durchsuchte daraufhin eine Wohnung im Zentrum von Santiago, wo sie die Frauen fand, die sexuell ausgebeutet und über das Internet angeboten wurden. Die Kunden stammten laut Medienberichten aus Las Condes, Vitacura und Lo Barnechea ‒ alles wohlhabende Viertel der Hauptstadt ‒ und wussten, dass die angebotenen Frauen teilweise minderjährig waren. Bezahlt hätten sie über eine App.
Seinen Ursprung soll der Tren de Aragua im Gefängnis Tocorón im venezolanischen Bundesstaat Aragua haben und bis 2023 auch von dort aus geleitet worden sein. Vorerst auf venezolanischem Territorium soll die Organisation Drogenhandel, Erpressung und Geiselnahme betrieben haben.
Im September 2023 rückten 11.000 Polizisten und Militärs in Tocorón ein. Medien stellten in Zweifel, dass diese Operation das Ende Bande bedeutete, während Staatschef Nicolás Maduro nach der Operation davon sprach, man sei "auf dem Weg zu einem Venezuela ohne Banden". Im Zuge der Aktion der Sicherheitskräfte sollen der Anführer der Bande, Héctor "Niño Guerrero" Flores, und weitere Mitglieder entkommen sein.
Die Bande hat laut Telemundo auch in anderen Ländern Amerikas Zellen: in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile, Brasilien, Panama und den USA, die Zahl der Mitglieder wird auf 5.000 geschätzt.
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Nach Chile soll der Tren de Aragua ab 2021 im Zuge der zunehmenden venezolanischen Migration gekommen sein. Chile hat bisher mehr als eine halbe Million venezolanische Migrant:innen aufgenommen. Deren Verwundbarkeit soll die Bande als Gelegenheit gesehen haben, sie auf ihrer Flucht zu erpressen und sexuell auszubeuten.
Den raschen Anstieg der Kriminalität, insbesondere von Geiselnahmen und Erpressungen, bringen die chilenischen Behörden direkt mit der Ankunft des Tren de Aragua in Verbindung.
Innenministerin Carolina Tohá erklärte gegenüber dem Fernsehsender TVN, dass "Chile das Land ist, das dem Tren de Aragua die größten Schläge versetzt hat", nachdem auch eine Zelle der Organisation im Norden des Landes dank der Geheimdienstarbeit der Gendarmerie zerschlagen worden sei.
Laut der Staatsanwaltschaft der Region Arica bereitete die kriminelle Organisation einen Bombenanschlag auf das Gebäude vor, in dem Gerichte untergebracht sind, die 34 Mitglieder der Bande schuldig gesprochen hatten.
Anfang Dezember konnte in Kolumbien Carlos "Bobby" Gómez, der von Chile des Drogenhandels, Kidnappings und mehrfachen Mordes beschuldigt wird, von einer Spezialeinheit festgenommen werden. Laut einem ranghohen Offizier ist er nicht nur der mutmaßliche Regionalchef des Tren de Aragua in Chile, sondern auch die rechte Hand von Héctor "Niño Guerrero" Flores.
Zwischen Venezuela und Chile war es in der Vergangenheit zu diplomatischen Verstimmungen gekommen, nachdem Venezuelas Außenminister Yván Gil gesagt hatte: "Tren de Aragua ist eine von den internationalen Medien generierte Fiktion". Venezuela forderte die Regierung Chiles auf, "das von den Mainstream-Medien verbreitete Narrativ zu verwerfen und den Kampf gegen die Kriminalität auf professionelle Weise aufzunehmen".
Chile sprach nach diesen Äußerungen von einer "Beleidigung der Opfer" und hatte im April dieses Jahres den Botschafter zu Konsultationen einbestellt.