Brasilien / Politik

Mitte-Rechts gewinnt auch zweite Runde der Kommunalwahlen in Brasilien

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Linkskandidat Boulos bei der Stimmabgabe am Sonntag. Er unterlag dem amtierenden Bürgermeister Nunes
Linkskandidat Boulos bei der Stimmabgabe am Sonntag. Er unterlag dem amtierenden Bürgermeister Nunes

Brasília. Bei der Stichwahl der Kommunalwahlen in Brasilien sind erneut vor allem die Mitte- und Rechtsparteien erfolgreich gewesen. Am vergangenen Sonntag stimmten rund 34 Millionen Brasilianer:innen in 51 Städten ab.

Die Parteien des "Centrão" (MDB, PL, PP, Avante, Podemos, União), meist von traditionellem Bürgertum und rechten Wirtschaftseliten dominiert, gewannen zwölf der 15 Landeshauptstädte in der Stichwahl (Aracaju, Belém, Campo Grande, Cuiabá, Goiânia, João Pessoa, Manaus, Natal, Palmas, Porto Alegre, Porto Velho, São Paulo). Die zentristische Sozialdemokratische Partei PSD zwei (Curitiba, Belo Horizonte).

Die Arbeiterpartei PT von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva war nur in der Nordost-Metropole Fortaleza mit 50,38 zu 49,63 Prozent Stimmenanteil siegreich, während sie in drei weiteren Hauptstädten (Porto Alegre, Natal, Cuiabá) den Kürzeren zog. Lula selbst und sein Bildungsminister Camilo Santana, der das Bundesland Ceará bereits zwei Amtszeiten als Gouverneur regiert hat, hatten sich stark im Wahlkampf in Fortaleza engagiert.

Insgesamt waren die progressiven Kräfte in sechs der 51 Städte mit Stichwahl erfolgreich: Viermal die PT, zweimal die "historische" Arbeiterpartei PDT. Die PT gewann die Industriestadt Mauá in der industriellen ABC-Region von São Paulo, Wiege der Partei in den 1980er Jahren, sowie in Pelotas im Süden und Camaçari im Nordosten. Die PDT gewann die Rathäuser der Halbmillionenstädte Niterói und Serra.

Auf der anderen Seite des Spektrums gewann die rechte Partido Liberal (PL) von Ex-Präsident Jair Bolsonaro sechs der 51 Rathäuser, darunter die Hauptstädte Aracajú und das vom Agrobusiness dominierte Cuiabá.

In São Paulo, größte Stadt des Landes mit rund neun Millionen Wahlberechtigen, setzte sich der amtierende Bürgermeister Ricardo Nunes (MDB) mit knapp 60 Prozent der Stimmen gegen den linken Kongressabgeordneten Guilherme Boulos von der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) durch. Für den auch in sozialen Bewegungen aktiven, von einem Mitte-Links-Block unterstützten Boulos war es nach 2020 die zweite Niederlage im Kampf um das wichtigste Rathaus Brasiliens. Vorausgegangen war ein oft "schmutziger" Wahlkampf, in dem der rechte Gouverneur des Bundesstaats São Paulo, Tarcísio de Freitas, zuletzt gar behauptete, dass kriminelle Organisationen zur Wahl von Boulos aufgerufen hätten.

Allgemein war der Wahlkampf von wachsender Gewalt geprägt. Es wurden 338 körperliche Angriffe registriert, von denen 88 als Attentate zählen.

Bei den Wähler:innen mag die Unzufriedenheit mit den Parteien und ihren Kandidat:innen in dem gewachsenen Anteil von ungültigen Stimmen und Enthaltungen zum Ausdruck kommen. In vielen Großstädten, vor allem im Süden und Südosten, kam es zu acht bis neun Prozent ungültig abgegebenen Stimmen sowie – trotz offizieller Wahlpflicht – zu mehr als 30 Prozent Enthaltungen. Landesweit lag der Enthaltungswert mit 29,26 Prozent deutlich höher als im ersten Wahlgang (21,71).