Apia/Bridgetown/London. 15 Regierungen der Karibik wollen vom Vereinigten Königreich Reparationszahlungen für den transatlantischen Sklavenhandel während der Kolonialzeit. Zehn der karibischen Staaten werden diese Forderung auf dem heute beginnenden Gipfeltreffen des Commonwealth of Nations erheben. 56 Staaten treffen sich dazu im pazifischen Inselstaat Samoa.
Bereits bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende September hatten karibische Staaten Reparationsforderungen angekündigt. Die Premierministerin von Barbados, Mia Amor Mottley, kündigte damals ein gemeinsames Vorgehen ihres Landes mit den Staaten der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) an. Sie forderte "die sofortige Ausrufung einer zweiten UN-Dekade zur Bewältigung der Wiedergutmachung für Sklaverei und Kolonialismus" als Teil eines "globalen Neustarts".
Anfang des Monats traf Mottley in London mit König Charles III. zusammen, um Vorbereitungsgespräche für das Commonwealth-Treffen zu führen. Das Commonwealth of Nations ist ein 1931 gegründeter loser Zusammenschluss souveräner Staaten, der aus den Überresten des britischen Kolonialreiches hervorgegangen ist. Von den 56 Mitgliedsstaaten sind bis auf vier alle ehemalige Kolonien des Vereinigten Königreichs. Die Premierministerin lobte den britischen König vor den Medien dafür, dass er bereits vor zwei Jahren die Sklaverei zu einem "Thema, dessen Zeit gekommen ist" erklärt habe.
Ähnlich äußerte sich der Premierminister von Trinidad und Tobago, Dr. Keith Rowley, bei einer Feier zur Emanzipation von der Sklaverei im Sommer. Rowley kündigte an, dass "die karibischen Führer" in Samoa "mit einer Stimme zum Commonwealth sprechen werden". An die Adresse Londons gerichtet sagte er: "Es gibt ein bestimmtes Land mit einem neuen König und einer Labour-Regierung mit einem ausstehenden Mandat."
Die neue britische Labour-Regierung hat sich bisher ablehnend zu den Forderungen positioniert und folgt damit dem Kurs der konservativen Vorgängerregierungen. Der Sprecher von Premierminister Keir Starmer sagte: "Um das klarzustellen: Reparationen stehen nicht auf der Tagesordnung des Treffens der Staats- und Regierungschefs des Commonwealth. Zweitens hat sich die Position der Regierung in dieser Frage nicht geändert. Wir zahlen keine Reparationen."
Starmer und König Charles III, die beide zum Treffen in Samoa erwartet werden, dürften damit in Konflikt mit anderen Mitgliedsstaaten geraten. Auf dem Commonwealth-Treffen wird die Nachfolge der britisch-dominikanischen Generalsekretärin Patricia Scotland gewählt. Die aus Gambia, Ghana und Lesotho stammenden Kandidat:innen für die Nachfolge haben allesamt ihre Unterstützung für die Reparationsforderungen der Karibikstaaten erklärt.
Anders als die britische Regierung haben einige Institutionen im Vereinigten Königreich bereits Prozesse zur Aufarbeitung ihrer Verstrickung in die Sklaverei begonnen. Die Kirche von England hat sich verpflichtet, einen Fonds in Höhe von einer Milliarde Pfund einzurichten. Die linke Zeitung The Guardian hat sich für ihre Verwicklung in den Sklavenhandel zu Beginn des 19. Jahrhunderts entschuldigt und ein Programm zur Wiedergutmachung in Höhe von über zehn Millionen Pfund angekündigt.
Schätzungen über die mögliche Gesamthöhe legitimer Reparationsforderungen für die britische Beteiligung am transatlantischen Sklavenhandel reichen von 206 Milliarden Pfund (circa 247 Milliarden Euro) bis zu 19 Billionen Pfund (circa 22,8 Billionen Euro). Letztere Zahl wurde letztes Jahr vom UN-Richter Patrick Robinson genannt, der sie als "Unterschätzung" des durch den Sklavenhandel verursachten Schadens bezeichnete.
Die Reparationsforderungen werden zu einer Zeit erhoben, in der in der Karibik republikanische Gefühle wachsen. Barbados erklärte sich 2021 zur Republik. Zuvor war das Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs, die damalige Königin Elisabeth II, auch Staatsoberhaupt des Karibikstaates. Jamaika will den gleichen Schritt im kommenden Jahr vollziehen.
Unterstützung für die Reparationsforderungen der Karibikstaaten kam auch von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro. Gleichzeitig kündigte er an, demnächst ähnliche Forderungen an Spanien zu stellen, "für den Raub und die Plünderung unserer Länder".