Linke internationale Solidarität mit Präsident Petro wegen "Putschversuchs" in Kolumbien

Alarm wegen Verfahren des Wahlrats (CNE) gegen Petro. Es sei verfassungswidrig. Einige CNE-Richter sind selbst Gegenstand von Ermittlungen der Justiz

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Traditionelle Zeitung El Espectador: "Die CNE-Richter missbrauchen ihre Macht für politische Zwecke"
Traditionelle Zeitung El Espectador: "Die CNE-Richter missbrauchen ihre Macht für politische Zwecke"

Bogotá, Mexiko-Stadt, Brasília et al. Linke Präsident:innen und politische Bündnisse in Lateinamerika und der Welt haben angesichts des "Staatsstreichs" des Wahlrats (CNE) gegen Kolumbiens Präsident Gustavo Petro ihre Unterstützung für ihn bekundet. "Der Staatsstreich hat begonnen", hatte der kolumbianische Präsident geäußert, nachdem der CNE ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet hatte. Das beispiellose Verhalten des Wahlgremiums sei verfassungswidrig, weil es nicht gegen Präsident:innen ermitteln dürfe, so prominente Jurist:innen und Petros Verteidiger. Es könne zu Petros Absetzung führen.

Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum äußerte sich besorgt über das Vorgehen des CNE. "Ich möchte öffentlich unsere Solidarität mit Präsident Gustavo zum Ausdruck bringen", sagte Sheinbaum in einer ihrer morgendlichen Pressekonferenzen, den sogenannten "mañaneras".

"Gegen ihn hat der Nationale Wahlrat Kolumbiens zwei Jahre nach seiner Wahl eine Untersuchung wegen Wahlkampfausgaben eingeleitet, die der Präsident als Staatsstreich bezeichnet. Denn diese Ermittlungen werden außerhalb der kolumbianischen Gesetze geführt", so Sheinbaum weiter.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva interpretierte die Entscheidung des CNE als politische Verfolgung gegen Petro: "Als jemand, der Opfer aller Arten von politischer Verfolgung war, drücke ich meine Solidarität mit Präsident Gustavo Petro aus."

Lula erinnerte daran, dass die ehemalige progressive Präsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff, "im Jahr 2016 Opfer eines Amtsenthebungsverfahrens ohne rechtliche Grundlage wurde". Dies sei der Beginn einer "turbulenten und traumatischen Zeit" in der Geschichte Brasiliens gewesen, so Lula.

Auch Kubas Präsident Miguel Díaz Canel solidarisierte sich mit dem kolumbianischen Regierungschef. Er teilte Petros Ansicht, dass die CNE "den Willen des Volkes" untergrabe und Teil der "Aktionen der Oligarchien" gegen die progressiven Regierungen der Region sei.

Unterstützung erhielt Petro auch von Boliviens Präsident Luis Alberto Arce. Das Vorgehen des CNE sei ein Destabilisierungsversuch, mit dem die Wahlbehörde "den Willen von Millionen kolumbianischer Brüder und Schwestern" missachten wolle. Diese "Offensive" gegen die kolumbianische Demokratie sei Teil einer "umfassenderen Strategie der Rechten in der gesamten Region", die darauf abziele, "die sozialen und politischen Errungenschaften der Volksbewegungen zu schwächen" und die "soziale Gerechtigkeit" zurückzudrängen.

Auch die progressiven Ex-Präsidenten von Bolivien und Ecuador, Evo Morales und Rafael Correa, unterstützten Petro. Für Morales sei das Handeln des CNE "ein Staatsstreich" der rückständigen Kräfte des Landes. Er sei überzeugt, dass das "mobilisierte Volk" hinter Petro stehe.

Correa, der sich auch als Opfer eines juristischen und medialen Krieges sieht, der auch als Lawfare bekannt ist, schrieb an Petro: "Wir wissen sehr gut, was Lawfare ist. Das einzige, was diese Verfolgung beweist, ist, dass Sie Ihre Seele nicht verkauft haben und dass Sie Ihrem Volk treu sind."

Auch linke Stimmen in der spanischen Politik wie die Partei Vereinigte Linke (IU), die Podemos-Europaabgeordnete Irene Montero oder Podemos-Mitglied und Publizist Pablo Iglesias sehen in der Ankündigung des CNE gegen den kolumbianischen Präsidenten eine "Lawfare-Kampagne", einen "schmutzigen juristischen Krieg" und einen "Putsch" und lehnen sie ab.

Die Progressive Internationale rief ihrerseits zur "dringenden Solidarität angesichts dieses beispiellosen und verfassungswidrigen Angriffs auf die kolumbianische Demokratie" auf.

Die Entscheidung des CNE hat selbst in Kreisen der politischen Mitte, die sich in der Regel gegnerisch zur Regierung Petro verhalten, heftige Kritik hervorgerufen. So heißt es zum Beispiel im Leitartikel der traditionellen Tageszeitung El Espectador, dass die Richter:innen des CNE "ihre Macht für politische Zwecke missbrauchen". Sie seien "gewählt worden, um die Institutionalität zu respektieren, und nun nutzen sie diese, um Präsident Gustavo Petro zu verfolgen, der verfassungsmäßige Immunität genießt und dessen einziger natürlicher Richter die Anklagekommission der Abgeordnetenkammer ist".

Regierungskreise haben außerdem die Unparteilichkeit und Integrität der Richter:innen des CNE in Frage gestellt, deren Mehrheit - sieben von neun - Vertreter:innen der Oppositionsparteien sind, Sie beschuldigen den CNE-Präsidenten César Lorduy von der Partei Cambio Radical der Nähe zur korrupten politischen Gruppe des Clan Char. Eine Abgeordnete hat ihn wegen sexueller Nötigung angezeigt. Außerdem wurde er in der Vergangenheit des Mordes an einer Frau verdächtigt.

Auch der CNE-Richter Álvaro Hernán Prada der ultrarechten Partei Centro Democrático erweckt Misstrauen bei den Anhänger:innen der Regierung. Gegen ihn läuft ein Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wegen Komplizenschaft mit Ex-Präsident Álvaro Uribe bei der Manipulation von Zeugen.

Die Verteidigung von Petro argumentiert, dass die Vorwürfe des CNE formale und inhaltliche Probleme aufwiesen. Der CNE habe die Wahlkampffinanzierung bereits innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Tagen nach der Wahl untersucht und keine Verstöße festgestellt. Die erneute Untersuchung gehe auf eine anonyme Anzeige zurück, die zwei Jahre nach der Wahl eingereicht worden sei und daher nicht mehr vom CNE, sondern von der Nationalen Kontrollbehörde hätte behandelt werden müssen.

Abgesehen davon sei die Anklagekommission des Repräsentantenhauses die einzige Instanz, bei der Präsident:innen in Kolumbien untersucht und sanktioniert werden könnten.

Inhaltlich sei problematisch, dass der CNE in der neuen Untersuchung die Finanzierung und die Ausgaben von Petros Partei Colombia Humana (Menschliches Kolumbien) als Finanzierung und Ausgaben für den Wahlkampf des Pacto Histórico anrechne. Damit würde der CNE den Eindruck erwecken, die Wahlkampffinanzierung habe die gesetzliche Obergrenze überschritten.